G7-Gipfel: KI begünstigt laut Papst Franziskus „eine Kultur des Wegwerfens“

Als erster
Papst in der Geschichte hat Franziskus im apulischen Borgo Egnazia zu den Teilnehmern des G7-Gipfels gesprochen. Franziskus
war eingeladen worden, über das Thema der Künstlichen Intelligenz zu sprechen. In
seiner Rede mit dem Titel „Ein faszinierendes und unheimliches Instrument“
warnte er davor, dass die KI eine „Kultur des Wegwerfens“ begünstigen
könne. Die KI begeistere wegen ihrer Möglichkeiten, aber flöße „wegen der Konsequenzen, die sie vorausahnen lässt“, Angst ein. Eindringlich warnte der Papst vor dem militärischen Nutzen der KI: „Keine Maschine darf jemals die Wahl treffen können, einem Menschen das
Leben zu nehmen.“

Gleichzeitig
betonte der Papst die Bedeutung der Entwicklung der KI. Das Aufkommen der künstlichen Intelligenz stelle eine wahrhaft „kognitiv-industrielle
Revolution“ dar und trage „zur Schaffung eines neuen Gesellschaftssystems
bei“. Der Papst mahnte,
dass die in Rom entwickelte „Algor-Ethik“eingesetzt werden solle. Diese berücksichtige die „ethische
Moderation von Algorithmen und Programmen der künstlichen Intelligenz“. Der Papst empfahl zum Schluss, dass es auf die Politik ankäme, die Bedingungen für eine positive Nutzung der KI zu schaffen.

Papst soll beim Gipfel zehn bilaterale Gespräche führen

Die
Teilnahme des Papstes am G7-Gipfel gilt als persönlicher Erfolg der italienischen
postfaschistischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Sie soll angesichts
ihres persönlichen Verhältnisses zum Papst die Zusage erreicht haben. Berater des Papstes im Vatikan betonten
dagegen, dass die Aufnahme des Themas der Tragödie der Flüchtlinge auf der Welt
während des G7 für den Papst ausschlaggebend gewesen sei. Bei einem
Treffen mit römischen Priestern in Rom hatte der Papst bereits zuvor scherzhaft
gesagt: „Sie haben mich eingeladen, um über künstliche Intelligenz zu sprechen,
aber ich würde die Politiker gern fragen: Wie steht es um deine natürliche Intelligenz?“ 

Beim G7-Gipfel wird der 87-Jährige in sieben Stunden zehn
bilaterale Gespräche führen, unter anderem mit US-Präsidenten Joe Biden,
Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron und dem kanadischen Premier Justin
Trudeau.  Bundeskanzler Olaf Scholz steht
nicht auf der Liste seiner Gesprächspartner. Als einen
der ersten Gesprächspartner hinter verschlossenen Türen traf der Papst
Wolodmyr Selenskyi. Erst kurz vor dem Gipfeltreffen in
Apulien hatte der Vatikan das unterkühlte Verhältnis zwischen dem Papst und dem
ukrainischen Staatsoberhaupt Wolodymyr Selenskyi verbessern können. Der Appell
des Papstes im März, dass die Ukraine die weiße Fahne hissen
solle, hatte zu einer diplomatischen Abkühlung zwischen dem Vatikan und Selenskyi
geführt. In den vergangenen Wochen hatte sich das Verhältnis deutlich
gebessert, da es durch Vermittlung des Vatikans gelungen war, mehrere Hundert
nach Russland verschleppte Kinder in die Ukraine zurückzubringen.

Der Besuch
des Papstes zeigt, dass seine Präsenz offensichtlich noch immer stark
polarisiert. So hatten Agenturen darüber spekuliert, dass seine Anwesenheit dazu geführt habe, dass in der Abschlusserklärung des G7-Gipfels jeder Hinweis
auf den Schutz der LGBTQ-Community fehle. Dieser war während der Abschlusserklärung
von Hiroshima noch gegeben gewesen. Zudem habe die Anwesenheit des Papstes
die Diskussion um die Aufnahme der Garantie des Rechtes auf Abtreibung
beeinflusst. Der Vatikan kommentierte die Vorwürfe nicht.  

Auch Benedikt XVI., Johannes Paul II. und Paul VI. politisch aktiv

Es ist nicht neu, dass Päpste sich auf internationaler Bühne politisch engagieren. Das moderne internationale Engagement der Päpste begann am 4. Oktober
1965 mit der Rede von Papst Paul VI. vor den Vereinten Nationen in New York.
Der Appell des Pontifex ließ sich damals an Klarheit kaum überbieten, er forderte: „Nie wieder Krieg.“ Die Amtszeit von Papst Johannes Paul II. führte zu einem geradezu explosionsartigen Ausdehnen des Engagements des
Vatikans auf der internationalen, politischen Bühne. 

Karol Wojtyla sprach gleich zweimal vor den Vereinten Nationen, in den Jahren 1979 und 1995. Für Wojtyla selbst hatte nach eigenem
Bekunden vor allem sein Besuch vor dem
polnischen Parlament im Jahr 1999 eine besondere Bedeutung. Papst Benedikt XVI. sprach sich am 22.
September 2011 vor dem Plenum des deutschen Bundestages für den verstärkten Schutz der Umwelt aus. Um
Missverständnisse zu vermeiden sagte, dass er „keine Propaganda für eine
bestimmte politische Partei machen wolle“, was zu Gelächter geführt hatte.  

Papst Franziskus wird am Abend wieder in Rom erwartet.