Fußball und häusliche Gewalt: Wenn Fans zuhause zuschlagen

Laut und aggressiv: Das ist das Bild, das ich – und vermutlich viele andere – von Fußballfans habe. Grundlos ist es nicht: Fangruppen schlagen in Berliner Bahnen gerne laut grölend auf Trennscheiben, treten gegen Sitze und schubsen sich gegenseitig durch die Gänge. Gewalttätige Hooligans prügeln sich abwechselnd miteinander und der Polizei. Mit 19 hätte meine Mutter mich lieber in ihr Auto statt in den Zug zurück nach Berlin gesetzt, weil er voller Fußballfans war. Eine Polizeihundertschaft fuhr natürlich auch mit. Vor sexistischen Kommentaren und Bedrängtwerden haben sie mich nicht bewahrt. Lediglich das Fan-Gegröle unterbrach den vierstündigen Horrortrip.

Wer noch keine bedrohlichen Fußballfans erlebt hat, lebt vermutlich in einem Land, in dem Fußball irrelevant ist. In der S-Bahn steige ich inzwischen aus, wenn die Gruppen zu laut werden oder sich aggressiv verhalten, und nehme die nächste Bahn. Eine einfache Lösung, aber was, wenn man mit so einem Typen zusammenlebt, weil es der Partner oder Bruder ist?

In Großbritannien, bekannt für sein Hooligan-Problem, haben mehrere Studien einen Zusammenhang zwischen Fußball, insbesondere bei internationalen Wettbewerben wie Europa- oder Weltmeisterschaft, und häuslicher Gewalt festgestellt. In einer Studie wurden nach Spielen der englischen Nationalmannschaft Anzeigen zu häuslicher Gewalt in einem Polizeirevier in Lancaster untersucht. Verlor das Team, stiegen die Meldungen um 38 Prozent. Selbst wenn die Mannschaft gewann oder unentschieden spielte, gingen 26 Prozent mehr Meldungen ein. Selbst in der Woche nach einem WM- oder EM-Spiel lagen die Anzeigen noch elf Prozent über dem Durchschnitt.

Emotionen außer Kontrolle

Fußball emotionalisiert, und zwar in alle Richtungen: Freude und Trauer, aber eben auch Aggression. Eine Studie macht die „gesteigerte patriotische Emotion“ teilweise für den Anstieg häuslicher Gewalt verantwortlich. Als bräuchten wir noch einen Grund, Nationalismus und Patriotismus zu hassen.

Denn natürlich ist es nicht der Fußball selbst, der die Frauen schlägt, anspuckt, heruntermacht und anschreit. Es sind in der überwältigenden Mehrheit der Fälle deren Partner, also Männer. Der Fußball, und da sind sich eigentlich alle einig, ist nur eine weitere Ausrede oder ein Auslöser für die Gewaltausbrüche.

An sich ist es auch kein Problem, dass Fußball so emotionalisierend ist. Eigentlich könnte man es sogar schön finden, dass Fußball etwas ist, bei dem Männer, die im Patriarchat dazu gezwungen werden, viele ihrer Emotionen zu unterdrücken, gemeinschaftlich trauern oder Freude empfinden. Da ihnen das ansonsten verboten ist, lernen schon die Jungen keinen angemessenen Umgang mit ihren Emotionen und können sie später als Erwachsene oft nur schlecht kontrollieren. Was sie einzig ohne Nachteil offen nach außen zeigen dürfen, weil es den Machtstrukturen der patriarchalen Gesellschaft entspricht, sind Wut und die damit einhergehenden aggressiven Verhaltensformen bis hin zu physischer Gewalt. Den Jungen werden dabei weniger Grenzen gesetzt als Mädchen. Später bricht sich die Gewalt Bahn. In den sozialen Medien gibt es zahllose Videos von zerschlagenen Fernsehern, Löchern in Türen und eingetretenen Wänden – alles nur, weil das Lieblingsteam verloren hat und die Wut darüber nicht reguliert werden kann. Dass es auch anders geht, zeigen die Fans, die nach einem verlorenen Spiel offen trauern, anstatt vor Wut um sich zu schlagen.

Super Safe Space

Alina Saha ist Online-Redakteurin des Freitag. Neben Umwelttthemen schreibt sie abwechselnd mit Dorian Baganz, Özge İnan, Elsa Koester und Tadzio Müller die Kolumne „Super Safe Space“.