Fumio Kishida: Das Gift des Geldes

Der japanische Ministerpräsident Fumio Kishida hat seinen
Rückzug angekündigt
, und das ist keine gute Nachricht für Japans Partner und
Verbündete im Westen. Denn als es darauf ankam, als Russlands Präsident
Wladimir Putin die Ukraine überfiel, stellten sich Kishida und seine Regierung
ohne Zögern mit den Europäern und den Amerikanern auf die Seite des
angegriffenen Landes.

Japan hat sich nicht nur an den Sanktionen des Westens gegen
Russland beteiligt; es hat der Ukraine auch wirtschaftliche und humanitäre
Hilfe im Umfang von rund zwölf Milliarden Dollar zukommen lassen. Auch Japan
hat als Folge von Putins Krieg eine Art Zeitenwende erlebt. Wie die
Mitgliedsstaaten der Nato will das Land seine Verteidigungsausgaben auf zwei
Prozent des Bruttoinlandsprodukts erhöhen.

Das ist ein gewaltiger Sprung für ein noch immer
pazifistisch geprägtes Land. Ausgaben für das Militär sind in Japan mindestens
so unpopulär wie in Deutschland. Aber ebenso wie hierzulande hat in der
Sicherheitspolitik ein Umdenken eingesetzt. Es begann schon vor dem russischen Überfall
auf die Ukraine, ausgelöst durch das immer aggressivere Auftreten Chinas und die
nukleare Aufrüstung Nordkoreas.   

Er konnte den Vertrauensverlust in der Bevölkerung nicht abwenden

Japan fühlte sich von seinen Nachbarn bedroht, es fürchtete,
in einen Krieg um Taiwan hineingezogen zu werden. Und so wie es sich
die Solidarität seiner westlichen Partner wünschte, so demonstrierte es diese,
als Putin den Krieg nach Europa zurücktrug. „Was heute in der Ukraine passiert,
kann morgen in Ostasien geschehen“, sagte Premier Kishida. 

Beruhigend ist: Das Land, das eigentlich gar keine regulären
Streitkräfte aufstellen darf und in seiner Verfassung „für alle Zeiten dem
Krieg als einem souveränen Recht der Nation“ entsagt, hat seinen
sicherheitspolitischen Schwenk nicht unter einem nationalistischen Scharfmacher
vollzogen. Der aus Hiroshima stammende Fumio Kishida gehörte bei den
regierenden Liberaldemokraten (LDP) immer zu den Moderaten. Als Premier setzte
er allerdings den Kurs konservativer Vorgänger fort, ohne politisch an
Glaubwürdigkeit zu verlieren. Zu sehr war das allgemeine Gefühl einer Bedrohung
durch China, Nordkorea und Russland gewachsen. 

Kishidas Rückzug hat denn auch keine außenpolitischen
Gründe. Gescheitert ist er an einem alten Übel der Regierungspartei: dem Umgang
mit Spendengeld und dem unausrottbaren Hang vieler LDP-Politiker zur Selbstbereicherung.
Kishida wurde das Opfer eines Finanzskandals, an dem er selbst nicht beteiligt
war, dessen Aufklärung er aber nicht in den Griff bekam.

Auch wenn sich einige der mächtigen LDP-Fraktionen
auflösten, deren Rivalität zu den Hauptgründen für die Korruptionsanfälligkeit
der Partei zählen – Kishida konnte den Vertrauensverlust in der Bevölkerung nicht
abwenden. Seine Umfragewerte sackten dramatisch ab. Zum Spendenskandal kam der
Unmut über die Inflation. Kishida, das war klar, würde sich von seinem
Popularitätsverlust nicht mehr erholen.