Friedrich Merz in Israel: Angespannter Kanzler, streitlustiger Premier
Er
komme als ein „Freund des Landes, ein Freund Israels, der weiß, dass die
Freundschaft zwischen Deutschland und Israel unendlich kostbar ist und sie wird
auch niemals selbstverständlich sein“, sagte Friedrich Merz bei seinem ersten Besuch als Bundeskanzler in Israel. Er sagte diesen Satz sichtbar angespannt auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Benjamin Netanjahu nach seiner
einstündigen Begegnung mit dem israelischen Ministerpräsidenten in dessen
Residenz.
Die Worte waren sorgfältig gewählt und auf das Land, nicht den
Regierungschef bezogen – denn mit Blick auf Netanjahu selbst könnte man sagen:
Wer solche Freunde hat, braucht keine Gegner mehr.
Über weite Strecken wirkte die Begegnung der beiden wie ein politischer Limbo-Tanz.
Merz betonte, er habe seinen Tag bewusst in Yad Vashem begonnen, das Grauen der
Shoah bleibe Teil der deutschen Identität, „auch meiner Identität“. Deutschland werde deshalb immer für Israel einstehen. Israel habe das Recht
und sogar die Pflicht, die Sicherheit seiner Bürger zu verteidigen. Aber
im Verlauf des Gazakriegs habe „das Vorgehen der israelischen Regierung uns
auch in ein gewisses Dilemma geführt.“ Israel müsse sich auch am Völkerrecht
messen lassen. Für einen endgültigen Frieden sei die Perspektive der Gründung
eines palästinensischen Staates „an der Seite Israels“ wichtig.
Netanjahu stellte umgehend klar, was er von einer solchen
Zweistaatenlösung hält: Mit Gaza habe es so etwas wie einen palästinensischen
Staat gegeben. Dessen Ziel sei es gewesen, den israelischen Staat zu zerstören.
Die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) sei nicht an Frieden interessiert,
sie wolle keinen palästinensischen Staat neben Israel, sondern statt
Israel. Das war eine ziemliche Breitseite gegen das Konzept, an dem Deutschland
festhält.
Merz blieb nur übrig zu erklären, er habe den Chef der PA in seinem
Telefonat am Morgen zuvor so verstanden, dass es durchaus Bereitschaft zu
Reformen gebe. Explizit darauf angesprochen, was er davon halte, dass Netanjahu
eine Zweistaatenlösung ablehne, erklärte Merz, niemand wisse, was am Ende des
Prozesses stehe.
Für jeden deutschen Regierungschef ist eine Reise nach Israel und in den
Nahen Osten eine besondere Herausforderung. Die Deutschen konnten hier stets viel
falsch machen und wenig bewirken. Sie mussten es auch nicht, die USA waren die
große Schutzmacht, Deutschland kam allenfalls eine symbolische Rolle zu. Und
die des Geldgebers.
Merkel hat den Satz geprägt, Israels Sicherheit sei Teil der deutschen
Staatsräson. Ihr Nachfolger Scholz hat ihn übernommen, ohne ihm viel
hinzuzufügen, um den Nahen Osten hat er politisch einen Bogen gemacht.
Keine uneingeschränkte Solidarität mit Israels Regierung
Auch Merz hat den Begriff „Staatsräson“ früher benutzt, nun
vermeidet er ihn. Zu unpräzise, zu hochtrabend und gleichzeitig hohl, so könnte
man seine Abneigung wohl zusammenfassen. Der Begriff sei „in all seinen
Konsequenzen nie ausbuchstabiert worden“, so sagte es Merz selbst im
Oktober in einem Zeitungsinterview. Seine verbale Abkehr von der Staatsräson will
er explizit nicht als Abrücken von der besonderen Verpflichtung gegenüber
Israel verstanden wissen, im Gegenteil.
Ins Gästebuch der
Holocaust-Gedenkstätte schrieb Merz am Sonntagmorgen sichtlich berührt die
Worte, die er später in der Pressekonferenz wiederholte: „Deutschland muss für
die Existenz und die Sicherheit Israels einstehen. Das gehört zum
unveränderlichen Wesenskern unserer Beziehungen, und zwar für immer.“
Besondere Verantwortung: ja. Uneingeschränkte Solidarität mit der
amtierenden Regierung: nein. So könnte man die Pole der Merzschen Israelpolitik
beschreiben. Was das jeweils bedeuten kann, versucht Merz unter neuen
weltpolitischen Bedingungen zu ertasten.