Franz Josef Wagner gestorben: „Herzlichst“

„Post von Wagner“ zu bekommen, war eine Ehre. Allerdings eine zweifelhafte. Denn bei Franz Josef Wagner wusste man immer, dass es auf einen Nenner hinausläuft, aber nie, wie dieser lauten würde. Grenzenloser Jubel, gnadenloser Verriss, bei dem Kolumnisten der „Bild“-Zeitung war immer beides drin. Wen es treffen würde, um was es ging, das wusste Wagner, wie er in Interviews erzählte, morgens selbst noch nicht. Doch bis zum späten Nachmittag, mit genügend Zigaretten und Rotwein, hatte er seine Pointen immer beisammen, lieferte auf den letzten Drücker, kurz vor Andruck gab er seinen Text per Telefon durch.
Geboren wurde Wagner am 7. August 1943 im heutigen Tschechien. Seine Mutter floh mit ihm und seinem Bruder, in Regensburg wuchs er auf, bei der „Nürnberger Zeitung“ absolvierte er ein Volontariat und arbeitete als Reporter der „Bild“-Zeitung in München. Sein Gespür für Boulevardthemen beförderte ihn in die Chefetage der entsprechenden Blätter. Er war bei Burda Chefredakteur der „Bunten“ und der „Super!“-Zeitung, bei Springer wurde er 1998 zum Chefredakteur der „B.Z.“ und der „B.Z. am Sonntag“ befördert. Für seinen Führungsstil war er berüchtigt, er sei chaotisch, jähzornig, beleidigend und frauenfeindlich, hieß es.
Nach dem Titel über Franziska van Almsick war Schluss
Nach einer Titelschlagzeile über die Schwimmerin Franziska van Almsick („Franzi van Speck – als Molch holt man kein Gold“) war für Wagner als Chefredakteur Schluss. Den passenden Job für ihn fand der frühere „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann: 2001 erschien die erste „Post von Wagner“. Wie viele seiner Briefe die Redaktion abgelehnt habe, wollte die „Zeit“ einmal von Wagner wissen. Er nannte deren drei: einen an Helmut Kohl, einen an Mohammed und einen an Jesus. Letzteren hatte er sich nach dem Anschlag auf die Redaktion der französischen Satirezeitung „Charlie Hebdo“ einfallen lassen.
Altersmilde sei er geworden, hieß es vor drei Monaten in der F.A.S. Er wirke, zumal in seiner immer noch aktiven Alterskohorte, geradezu wie die Stimme der Vernunft. Selbst sein machistisches Frauenbild habe sich gemildert. Das könnte, wie man aus dem zu seinem 80. Geburtstag vor zwei Jahren geführten Interview mit der „Zeit“ herauslesen kann, mit der Erinnerung an seine Kindheit, seine Mutter und dem Bewusstsein der eigenen Endlichkeit zu tun gehabt haben.
Worauf er noch warte, lautete die letzte Frage an den Kolumnisten, der seine Post immer mit dem Gruß „Herzlichst. Ihr Franz Josef Wagner“ beschloss. Die Antwort: „Auf den letzten guten Satz.“ Am Dienstag ist er im Alter von 82 Jahren gestorben.
Source: faz.net