Flugstreit: Lufthansa setzt Condor eine knappe Frist

Die Vorweihnachtszeit hätte für die Fluggesellschaft Condor besinnlicher sein können: Ein Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) im Eilverfahren bedeutet für den Urlaubsfluganbieter für den Moment eine Niederlage in einem jahrelangen Streit mit der Deutschen Lufthansa.

Ergangen ist der Beschluss schon 3. Dezember, veröffentlicht wurde er unmittelbar vor dem vierten Advent. Lufthansa kann daraus für sich ableiten, nicht länger zu günstigen Sonderkonditionen Condor-Kunden mit Lufthansa-Kurzstreckenflügen zu den Condor-Langstreckenflügen ab Frankfurt bringen zu müssen.

Im Verfahren hatte Condor geradezu dramatische Folgen skizziert, sollte das Abkommen komplett wegfallen. Schlimmstenfalls wären diverse Condor-Langstreckenflüge ohne die Lufthansa-Zubringerdienste nur schwer zu betreiben. Ein Geschäftsführer hatte eine eidesstattliche Versicherung abgegeben, dass die mindestens teilweise Einstellung von Langstreckenverbindungen „erhebliche Auswirkungen auf das Gesamtgeschäft“ hätte. Das Fernfluggeschäft mache mehr als 50 Prozent des Gesamtumsatzes aus.

Noch ein Haken

Lufthansa will das sogenannte Special Prorate Agreement (SPA) nun nicht mehr zu bisherigen Konditionen fortführen. Gekündigt hatte man es schon im November 2020. Der lange Rechtsstreit verhinderte bis jetzt, dass es außer Kraft trat. Ganz verzichten will man auf Condor-Passagiere, die Lufthansa-Inlandsflüge nach Frankfurt mit füllen, aber nicht. Ein Konzernsprecher erklärte, Lufthansa habe Condor ein neues Angebot unterbreitet.

Zu den Konditionen machte er keine Angaben. Es lässt sich vermuten: Für Condor würde es teurer – zwar nicht für Passagiere, die schon eingebucht sind, aber doch für künftige Buchungen.

Und noch ein Haken: Condor solle sich schnell entscheiden – bis Weihnachten. Denn sonst wolle Lufthansa das SPA tatsächlich auslaufen lassen. Noch im Sommer hatte der neue Condor-Chef Peter Gerber, der zuvor lange Lufthansa-Manager war, sich zuversichtlich gezeigt, in Gesprächen mit seinem vorherigen Arbeitgeber doch eine gütliche Einigung zu finden. Ganz freiwillig streckte er nicht die Hand aus, denn – wie danach herauskam – hatte schon das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) die Lufthansa-Position gestärkt.

Condor hofft auf „kurzfristige“ Einigung

Eine Condor-Sprecherin bestätigt nun, von Lufthansa „einen Vorschlag erhalten“ zu haben. Man sei dazu „bereits in guten Gesprächen“. Condor gehe davon aus, dass „kurzfristig“ eine Einigung erreicht und „ein partnerschaftliches Fundament“ gefunden werde. Gleichzeitig verweist Condor drauf, dass der BGH nur „im vorläufigen Verfahren“ – das Eilverfahren zog sich Jahre über die Instanzen – entschieden habe. „Dabei handelt es sich nicht um ein finales Urteil, sondern das Hauptsacheverfahren des OLG Düsseldorf wird im April 2025 fortgesetzt“, sagt die Condor-Sprecherin. Die Hoffnung, das SPA-Abkommen zu den bisherigen Bedingungen zu retten, hat man nicht aufgegeben.

Der SPA-Streit ist eine Geschichte, wie aus mit ehemaligen Mitgliedern einer Familie Kontrahenten wurden. Das Abkommen stammt aus einer Zeit, als die große Lufthansa und die kleinere Condor rechtlich verbunden waren. 2009 gab Lufthansa die letzten Anteile ab. Das Abkommen sicherte weiter, dass Condor-Passagiere mit Lufthansa-Hilfe von Hamburg oder Berlin mit Umstieg in Frankfurt so in den Urlaub fliegen, als wären sie nur mit einer Airline unterwegs. Das ging so lange gut, bis der große Konzern selbst Urlauber als Kunden wiederentdeckte und mit der neuen Discover Airlines eigene Flüge gegen die Condor-Flüge setzte, die mitunter nahezu zeitgleich abheben sollten.

Condor ging wegen des Doppelangriffs aus SPA-Ankündigung und Discover-Konkurrenz zum Bundeskartellamt. Das gab dem Ferienflieger 2022 Recht. Der Lufthansa-Konzern als Nahezumonopolist auf Zubringerstrecken nach Frankfurt missbrauche seine Marktmacht und müsse Condor weiter ein SPA anbieten. Lufthansa klagte. Richter sahen es dann – im langen Eilverfahren – anders als das Kartellamt.

Eine kleine Notiz spielt eine große Rolle

Dabei spielt ein sonderlicher Aktenvermerk des Kartellamts eine Rolle. In dem Vermerk vom 18. Dezember 2020 geht es um eine Telefonkonferenz zwischen Kartellamt und Bundeswirtschaftsministerium. Die fand statt, als das formelle Kartellverfahren noch gar nicht eröffnet war. Dennoch gelangte in das Dokument der Satz zur für Condor entstandenen Lage: „Das Ziel müsse sein, diesen Zustand rasch zu beenden.“ Lufthansa wurde als „bekannt schwieriger Ansprechpartner“ klassifiziert.

Der Lufthansa las daraus, dass – vereinfacht gesagt – Prüfungen nach dem Austausch mit Berlin nicht zugunsten des großen Konzerns ausgehen sollten, und formulierte einen Befangenheitsverdacht. Bestärkt sah man sich, da der Vermerk Lufthansa bei einer ersten Akteneinsicht in einer anderen – teils geschwärzten – Variante gezeigt wurde und erst später die letzte Version bekannt wurde. Das Kartellamt erklärte das sowohl mit einem „Büroversehen“ als auch damit, dass der Vermerk nur Teil einer – gar nicht zur Einsicht vorgesehenen – Beiakte gewesen wäre.

Das OLG sah im Mai dann Gründe, die die „Besorgnis der Befangenheit begründet“ hätten. Kartellamtspräsident Andreas Mundt entgegnete auf F.A.Z.-Anfrage damals: „Erst recht weisen wir den von Lufthansa erhobenen Vorwurf, dass es tatsächlich eine politische Einflussnahme gab, in aller Entschiedenheit zurück.“ Der BGH entschied nun, das OLG habe „zu Recht“ Gründe für die Annahme bejaht, dass man wegen einer möglichen Befangenheit besorgt sei.

Bei Condor dürfte man äußerst unglücklich darüber sein, dass es in weiten Teilen der BGH-Entscheidung nun nur um den Aktenvermerk geht. Ob Condor angesichts der mächtigen Stellung von Lufthansa einen Anspruch auf eine kommerzielle Vereinbarung mit Lufthansa habe, sei „nicht entschieden“ worden, sagt die Condor-Sprecherin.

Egal wie der Streit letztlich ausgeht: Condor baut inzwischen vor für den Fall, dass der Friede mit Lufthansa ausbleibt und Lufthansa nicht mehr Zubringerdienste übernimmt. Zum Sommer 2025 kommen erste Inlandsflüge von Hamburg, Berlin und München nach Frankfurt ins Programm. Angekündigt hat man das als Ergänzung des Flugplans „um aufregende City-Ziele, in denen man eine fantastische Zeit verbringen kann“. Um Frankfurter, die in Berlin ausspannen wollen, dürfte es dabei aber nicht gehen. Die Flüge sollen in Frankfurt nämlich immer rechtzeitig für einen Umstieg auf die Condor-Fernflüge gen Karibik und USA ankommen.