Fleisch bleibt beliebt: Die gewünschte „Ernährungswende“ bleibt aus

Trotz der wachsenden Diskussion über weniger Fleisch, pflanzliche Produkte und mehr Tierwohl essen die meisten Deutschen weiterhin regelmäßig Fleisch. Der Anteil der Vegetarier und Veganer stagniert, während die Zahl derjenigen, die täglich oder mehrmals täglich Fleisch konsumieren, von 20 auf 23 Prozent gestiegen ist. Das geht aus dem Ernährungsreport hervor, den Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) am Dienstag vorstellte. Das Meinungsforschungsinstitut Forsa befragte im Mai 2024 rund 1.000 Bundesbürger zu ihren Ess- und Einkaufsgewohnheiten.

Besonders auffällig ist der hohe Fleischkonsum bei jungen Erwachsenen: 26 Prozent der 14- bis 29-Jährigen geben an, täglich Fleisch zu essen. Das ist eine deutliche Steigerung im Vergleich zum Vorjahr, da waren es nur 17 Prozent. Bei den 45- bis 59-Jährigen ist es knapp jeder Fünfte. Die „flexitarische“ Ernährung verliert an Beliebtheit: 41 Prozent der Befragten essen nur selten und bewusst Fleisch, im Vorjahr waren es 46 Prozent. Die Zahl der Vegetarier und Veganer bleibt mit acht beziehungsweise zwei Prozent unverändert. Damit entfallen insgesamt 90 Prozent auf Personen, die gelegentlich oder häufiger Fleisch essen. Auch Milchprodukte werden beliebter: 62 Prozent der Befragten essen sie täglich, im Vorjahr waren es noch 58 Prozent.

74 Prozent der Befragten gehen mindestens einmal im Monat in ein Gasthaus, eine Gaststätte oder ein Restaurant. Für 58 Prozent ist dabei Fleisch auf der Speisekarte wichtig. Immer wichtiger wird auch die schnelle Zubereitung der Speisen: Darauf achten 56 Prozent aller Befragten, vier Prozentpunkte mehr als im Vorjahr und elf Prozentpunkte mehr als zu Beginn der Befragung im Jahr 2015.

„Ich bin kein Freund davon, den Menschen zu sagen, was sie essen sollen“, sagte Minister Özdemir bei der Vorstellung des Reports. Das Thema Ernährung sei „sehr kulturkämpferisch aufgeladen“, „die Carnivoren gegen die Veganer“, so Özdemir. „Feldzüge“ der Politiker dazu seien der falsche Weg, sagte Özdemir, und nannte den Hashtag „#söderisst“ des bayrischen Ministerpräsidenten in den sozialen Medien.

Pflanzliche Alternativen vor allem aus Neugier gekauft

Der Fleischkonsum in Deutschland sinkt seit Jahren langsam und betrug 2023 51,6 Kilogramm pro Kopf – ein Rückgang um 430 Gramm zum Vorjahr. Die Gründe dafür sind nicht eindeutig auszumachen. Die Studie zeigt allerdings auch, dass Menschen, die auf Fleisch verzichten, nicht unbedingt häufiger zu pflanzlichen Alternativen greifen. 96 Prozent der Befragten kennen Alternativprodukte auf Sojabasis. Etwas mehr als die Hälfte hat solche Produkte mindestens einmal (14 Prozent) oder häufiger (39 Prozent) gekauft. Täglich landen sie allerdings nur bei zehn Prozent der Bürger auf dem Teller. Die Umfrage zeigt, dass die meisten aus Neugier (69 Prozent) und weniger wegen des Geschmacks (64 Prozent) zu diesen Produkten greifen. Der Geschmack bleibt insgesamt aber der entscheidende Faktor für die Wahl der Speisen: 99 Prozent der Bürger nennen ihn als ausschlaggebend.

Allerdings stimmen die Angaben der Verbraucher nicht immer mit ihrem tatsächlichen Einkaufsverhalten überein. Besonders deutlich wird dies beim Thema Tierwohl: 79 Prozent der Verbraucher geben an, bei der Auswahl von Produkten auf die Haltung der Tiere zu achten. Laut Umfrage ist dies sogar der wichtigste Aspekt beim Blick auf die Produktverpackung, noch vor dem Mindesthaltbarkeitsdatum oder der Zutatenliste.

In den Ladentheken findet sich mittlerweile viel Fleisch aus höheren Haltungsformen, besonders die relativ preisgünstige und vergleichsweise einfach umzusetzende Haltungsform 2. Aus Branchenkreisen ist jedoch zu hören, dass etwa die teureren Schnitzel aus Haltungsform 3 oft Ladenhüter sind. Verbraucher wünschen sich dennoch mehr Informationen über die Haltungsform der Tiere.

Ähnlich verhält es sich bei Bioprodukten: 70 Prozent der Verbraucher geben an, Wert auf fair gehandelte oder ökologisch erzeugte Lebensmittel zu legen. Die Umsatzzahlen zeigen aber ein anderes Bild: Nach Angaben des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft machten Bioprodukte 2023 rund 6,3 Prozent des gesamten Lebensmittelumsatzes in Deutschland aus. Damit bleibt Bio eine Nische. Noch geringer ist der Anteil bei Biofleisch: 2022 stammten 3,9 Prozent des gekauften Fleisches aus ökologischer Haltung. Beliebter sind Bioprodukte wie Eier, Obst und Gemüse.

Bioziele werden EU-weit verfehlt

Viele Verbraucher wünschen sich offenbar mehr Tierwohl und Bio, greifen aber größtenteils weiterhin zu den günstigen Produkten. Neu ist diese Diskrepanz nicht. Deutschland, als Ursprungsland der Discounter, ist für seine Angebote bekannt und Verbraucher für ihre Sparsamkeit, erst recht im Zuge der Inflation. 64 Prozent der Bürger nennen den Preis als wichtiges Kriterium beim Einkauf. Die jüngste Altersgruppe ist im Vergleich preisbewusster: 71 Prozent achten beim Einkauf auf den Preis, während es bei den über 60-Jährigen 51 Prozent sind. 68 Prozent der Befragten achten auf Sonderangebote. 42 Prozent sind der Auffassung, dass Obst und Gemüse zu teuer sind, bei Fleisch- und Wurstprodukten sind es 25 Prozent.

Nicht nur beim Preis klaffen Anspruch und Wirklichkeit auseinander. Auch bei der Biostrategie gibt es Nachholbedarf. Die EU wird ihre selbst gesteckten Ziele beim Ausbau des Ökolandbaus trotz milliardenschwerer Subventionen krachend verfehlen. Ein am Montag veröffentlichter Bericht des EU-Rechnungshofes zeigt, dass Brüssel seit 2014 rund 12 Milliarden Euro an Landwirte für die Umstellung oder Beibehaltung des Ökolandbaus gezahlt hat. Bis 2027 sollen weitere 15 Milliarden Euro fließen. Doch um bis 2030 ein Viertel der landwirtschaftlichen Fläche ökologisch zu bewirtschaften, müsste sich die Bio-Fläche verdoppeln. Das gilt als ziemlich unrealistisch.