Finanzlobby | Lars Klingbeil will Steuerbetrug bekämpfen. Kann er die Finanzlobby zähmen?

Finanzminister Lars Klingbeil will mit einem neuen Gesetz Steuerbetrug und Schwarzarbeit härter bekämpfen. Doch ob die Reform kommt, ist ungewiss – zu stark ist die Finanzlobby, die schon viele Gesetze rechtzeitig zu Fall gebracht hat

Collage: der Freitag, Material: Midjourney



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Lars Klingbeil hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem sowohl Steuerhinterziehung als auch Schwarzarbeit „aufs Schärfste“ bekämpft werden sollen. Die Botschaft: Der Staat nimmt Steuerkriminalität ernst! Klingt erst mal gut.

Doch bei genauem Hinsehen handelt es sich weniger um einen Neuanfang als um die Rückkehr zum Status quo ante. Denn Klingbeil korrigiert bloß die Fehlentscheidung seines Vorgängers Christian Lindner (FDP), der die Aufbewahrungspflicht von Buchungsbelegen von zehn auf acht Jahre abgesenkt hatte. Dadurch liefen Ermittlungsbehörden bei Cum-Cum- und Cum-Ex-Geschäften ins Leere. Klingbeil stellt also nur wieder her, was schon einmal galt.

Noch wichtiger ist aber ein anderer Punkt: Dass sein „Gesetz zur Modernisierung und Digitalisierung der Schwarzarbeitsbekämpfung“ wirklich verabschiedet wird, ist längst nicht klar. Denn aller Erfahrung nach wird die Finanzlobby dagegen Sturm laufen. Womit genau müssen wir also rechnen?

Mächtige Interessen blockieren die Reformen

Wer sich mit Cum-Ex, Wirecard oder Cum-Cum beschäftigt, weiß: Die Macht der Finanzlobby war das Haupthindernis für Aufklärung. Bankenverbände, Sparkassenlobby und spezialisierte Kanzleien sind bestens vernetzt und ausgestattet mit Millionenbudgets. Ihre Methoden reichen von Formulierungshilfen für Gesetzentwürfe bis zur Einflussnahme auf Schulen. Zivilgesellschaftliche Initiativen haben dem kaum etwas entgegenzusetzen.

Die Bürgerbewegung Finanzwende beziffert den Gesamtschaden aus Finanzskandalen wie Cum-Ex, Cum-Cum oder Wirecard seit den frühen 2000er Jahren auf 341 Milliarden Euro. Dass Klingbeil die Lindner-Reform zurücknimmt, ist richtig und notwendig. Die Verkürzung durch Lindner war, wie Anne Brorhilker, ehemalige Cum-Ex-Ermittlerin, sagt, eine „katastrophale Fehlentscheidung“. Auch Klingbeils Plan, Finanzkontrolle, Zoll, Länder und die neue EU-Anti-Geldwäsche-Behörde enger zu vernetzen, klingt gut.

Doch solange Steuerfahnder überlastet, Korruptionsregeln löchrig und Lobbyregister zahnlos bleiben, ist das Risiko groß, dass seine Offensive im Klein-Klein versandet. Darüber hinaus zeigt die Erfahrung: Mächtige Interessen verhindern nicht nur Strafen – sie blockieren die Reformen, die überhaupt zu Strafen führen könnten. Wird Klingbeil mit seinem Gesetz diesen Teufelskreis durchbrechen?

Klingbeils wahres Ziel: Bürgergeldempfänger, Niedriglohnsektor

Während er bei den großen Steuertricks der Finanzindustrie lediglich den alten Rechtszustand wiederherstellt, richtet sich ein Großteil seiner übrigen Maßnahmen auffällig gegen sozial Unterprivilegierte: Bürgergeldempfänger, die schwarzarbeiten, oder Kleingewerbe im Niedriglohnsektor. Das lenkt den Blick weg von den eigentlichen Profiteuren eines ohnehin ungerechten Steuersystems, das Reiche und Finanzmärkte systematisch begünstigt.

Noch gravierender: Formen professioneller Ausplünderung, etwa der Sozialversicherungen durch den weitgehend geduldeten, systematischen Abrechnungsbetrug, insbesondere durch profitorientierte Akteure in Altenpflege und Gesundheitswesen, geraten gar nicht erst in den Fokus.

Finanzwende hat im Jahresbericht 2024 eindrücklich gezeigt, wie tief diese Schieflage reicht. Milliardenschwere Cum-Ex- und Cum-Cum-Geschäfte konnten über Jahre ungestört florieren, während die Politik sogar Beweisvernichtung erleichterte. Erbschaftsprivilegien sichern Superreichen zuverlässig Steuererleichterungen von jährlich über fünf Milliarden Euro – obwohl Gerichte ihre Verfassungswidrigkeit mehrfach festgestellt haben. Und während die öffentliche Hand nach der Finanzkrise auf über 21 Milliarden Euro Bankschulden sitzenblieb, will Schwarz-Rot trotz allem „Bankengeschenke“ verteilen.

Gleichzeitig treiben Private-Equity-Fonds mit ihren Renditelogiken die Mieten hoch und machen Wohnen, Gesundheit oder Pflege zu Finanzprodukten. All das zeigt: Das System schützt nicht die Schwachen, sondern privilegiert die Starken. Klingbeils Gesetz wird daran nichts ändern.

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Wie viel Einfluss haben Business-Interessen auf die Politik? Diese Frage ist seit der Übernahme der Regierungsgeschäfte von Schwarz-Rot noch virulenter. Immerhin war Bundeskanzler Friedrich Merz bis 2020 als Blackrock-Lobbyist tätig – und in den USA sitzt gleich ein Milliardär im Weißen Haus.

In unserer mehrteiligen Serie „Regiert uns die Wirtschaft? schauen wir auf die Situation in Deutschland, den Vereinigten Staaten und anderen Teilen der Welt. Was hilft wirklich gegen die „stille Übermacht“ des Lobbyismus?