Finanz-App Wahed: Islamische „Geld-Revolution“ in London

„Mach mit bei der Geld-Revolution – Wahed“. Das rät ein Mann mit dunklem Vollbart und weißem Kopftuch, wie es arabische Scheichs tragen. Um ihn schweben brennende Dollarscheine. Die flammende Botschaft klebt seit einigen Wochen als Plakat in Londoner U-Bahnen sowie riesengroß an Bussen der britischen Hauptstadt – und sie hat einige Londoner irritiert.

Die Plakate bewerben eine App namens Wahed, eine Finanzplattform, die angeblich Scharia-konforme Finanzprodukte ohne Zinsen anbietet. Zinsen bedeuteten Ausbeutung, erklärt der bärtige Mann mit dem stechenden Blick, der den Zeigefinger zum islamischen „Tauhid“-Gruß in die Höhe hält. Auf anderen Plakaten ist ein jüngerer, sportlicher Typ mit kurzen Haaren zu sehen – auch er mit „Tauhid“-Finger, der besonders bei Salafisten beliebt ist.

Wer die beiden Männer auf den Plakaten sind, wird nicht gesagt. Der TV-Sender GB News hat es vergangene Woche aufgedeckt: zwei bekannte Figuren mit Bezügen in die Islamistenszene. Der Bärtige heißt Ismail ibn Musa Menk genannt „Mufti Menk“. Der Jüngere ist der russische Kampfsport-Star Chabib Nurmagomedow, der enge Verbindungen zum tschetschenischen Warlord und Putin-Helfer Ramsan Kadyrow unterhält.

Werbung mit Islamisten geduldet

Mufti Menk, auf der Welt als islamischer Prediger unterwegs, fällt seit Jahren wegen hetzerischer Reden auf. Homosexuelle nannte Menk einst „schlimmer als Tiere“. Deshalb bekam er ein Auftrittsverbot an britischen Universitäten. Singapur hat eine Einreisesperre gegen ihn verhängt, zwischenzeitlich durfte er auch nicht nach Dänemark. Nurmagomedow, ein früherer Weltmeister der Ultimate Fighting Championship (UFC), bekam von Kadyrow die Ehrenbürgerschaft in dessen Tschetschenischer Republik verliehen. Zuvor hatte er wegen der französischen Mohammed-Karikaturen Gewaltdrohungen gegen Frankreichs Präsidenten Macron ausgesprochen.

Dass diese beiden Gestalten nun als prominente Werbebotschafter in der Londoner U-Bahn auftreten, hat viele doch überrascht. Verantwortlich für die Vergabe der Werbeflächen ist die Behörde Transport for London, die Bürgermeister Sadiq Khan von der Labour-Partei untersteht. Die konservative Stadträtin und Ex-Bürgermeisterkandidatin Susan Hall kritisierte das gegenüber GB News. Transport for London habe schon aus nichtigen Gründen Plakate verboten, etwa eine Werbung eines Comedian, weil dieser einen Hotdog in der Hand hielt, und Hotdogs machen bekanntlich dick. Aber Werbung mit Islamisten, kritisierte Hall, dulde die Behörde in den öffentlichen Transportmitteln.

Zunächst sagte die Behörde von Bürgermeister Khan, die Plakate seien in Ordnung und entsprächen den Regeln. Doch als die Kritik lauter wurde, dreht Khan schnell bei. Nun will das Labour-Stadtoberhaupt schnellstens überprüfen lassen, ob die umstrittenen „Wahed“-Werbebanner abgehängt werden müssen. „Hass hat keinen Platz in London“, sagte seine Sprecherin.

Die Richtlinien für Werbeplakate in der Londoner U-Bahn sind durchaus strikt, besonders wenn es um Gesundheit und Nahrungsmittel geht. Der erwähnte Comedian musste seinen Hotdog durch eine Gurke ersetzen, um eine Genehmigung für das Plakat zu erhalten. In einem anderen Fall verbot Transport for London die Werbung eines Käseunternehmens, weil die Käse zu fett und gesundheitsschädlich seien. Auch politische Werbung ist nach den Richtlinien von Transport for London tabu.

Die Wahed-Finanz-App hat 2019 ein New Yorker Fintech-Start-up auf den Markt gebracht. Zu den finanziellen Unterstützern zählen so bedeutende Konzerne wie der saudische Ölförderer Saudi Aramco. In einer Finanzierungsrunde für das Start-up hat der Konzern einige Millionen beigesteuert. Wahed ist von der britischen Finanzaufsicht Financial Conduct Authority zugelassen worden. Nutzer können mit der App in Anlagen und Aktien investieren, doch ein „Halal Stock Screener“ verhindert, dass sie Papiere aus nicht Scharia-konformen Bereichen wie Alkohol, Glücksspiel oder Pornographie kaufen. Auf Einlagen zahlt Wahed keine Zinsen, es gibt aber andere Formen der Gewinnbeteiligung. Kampfsportler Nurmagomedow ist seit zwei Jahren Markenbotschafter der Finanz-App.

Source: faz.net