Filmklassiker „Prestige“: Nichts, wie es sieht so aus

Wenn ein Zauberkünstler auf der Bühne steht und das Kaninchen erst verschwinden lässt, um es dann aus seinem Hut hervorzuzaubern, dann geht es ihm nicht darum, mit seinem Trick viel Geld zu verdienen oder gar reich zu werden. In diesem Moment will er nur eines: den Applaus des Publikums. Hier geht es um Prestige.

Im gleichnamigen Science-Fiction-Thriller von Christopher Nolan aus dem Jahr 2006 konkurrieren die zwei jungen Zauberkünstler Robert Angier und Alfred Borden um eben jene Anerkennung. Sie bieten sich einen erbitterten Kampf, in dem sie immer wieder die Aufführungen des anderen sabotieren. Mit perfiden Mitteln, getrieben von ih­ren Rachegelüsten.

Unter Einsatz perfider Mittel

Nolans Werk basiert auf dem Roman „Das Kabinett des Magiers“ des britischen Autors Christopher Priest aus dem Jahr 1995 und überzeugt nicht zuletzt wegen seiner Besetzung. Christian Bale als Borden und Hugh Jackman als Angier treten in den Hauptrollen neben weiteren großen Namen wie Michael Caine als Bühnentechniker John Cutter, Scarlett Johansson als Assistentin Olivia Wenscombe und David Bowie als Erfinder Nikola Tesla auf. Spätestens hier gibt Nolan einen wichtigen Hinweis: „Prestige“ soll an den „Stromkrieg“ in den Vereinigten Staaten Ende des 19. Jahrhunderts erinnern. Die Erfinder Thomas Alva Edison und George Westinghouse – der Patente von Nikola Tesla kaufte – kämpften damals um die Vorherrschaft in der Stromversorgung. Auch unter dem Einsatz perfider Mittel.

Nolan treibt diese Form der Rivalität auf die Spitze und wird dabei selbst zum Zauberer, der sein Publikum hinters Licht führt. Denn nichts, was die Zuschauer anfangs auf der Leinwand präsentiert bekommen, ist so, wie es scheint. Damit erinnert „Prestige“ an andere Werke von Nolan, wie „Memento“ und „Inception“. Filme, die von der Illusion leben. Einen Hinweis darauf bietet bereits der erste Satz des Films, eine Frage aus dem Off: „Schauen Sie genau hin?“ Nolan nutzt dann die Struktur eines Zaubertricks, bestehend aus Pledge, Turn und Prestige. Drei Akte, nach denen auch die Zauberer im Film alle ihre Tricks aufbauen.

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Viele von ihnen verweisen nebenbei auf historische Zauberer, wie etwa den Amerikaner Chung Ling Soo, der 1918 bei der Vorführung seines berühmten „Kugelfang“-Tricks starb, als sich tatsächlich ein Schuss aus seiner Waffe löste. Auch im Film geht dieser Trick schief. Borden verliert zwei Finger – und erfindet so sein Meisterwerk „The Transported Man“. Der geht so: Im ersten Akt des Tricks präsentiert Borden sich in einem Schrank am rechten Bühnenrand. Im zweiten Akt, der Wendung, verschwindet Borden, um dann im dritten Akt innerhalb weniger Sekunden aus dem Schrank am linken Bühnenrand wieder aufzutauchen. Als hätte er sich teleportiert.

Plötzlich kommt Science-Fiction ins Spiel

Der Wettkampf eskaliert. Angier ist besessen davon, den Trick zu entschlüsseln. Er präsentiert schließlich eine Version, in der er einen Doppelgänger nutzt, der für ihn im linken Schrank erscheint. Doch es ist auch der Doppelgänger, der vor dem applaudierenden Publikum steht, während Angier unter der Bühne verschwindet und den für einen Zauberer wichtigsten Moment verpasst. „Niemand interessiert sich für den Mann, der im Schrank verschwindet“, sagt er nach der Aufführung.

Erst recht spät entwickelt sich Nolans Thriller auch noch zu einem wahren Science-Fiction-Erlebnis. Denn als Angier sich Bordens Tagebuch beschafft, führt es ihn zu Tesla. Der Erfinder baut ihm schließlich eine Maschine, mit der sich der Zauberer tatsächlich klonen kann. Das wirkt nur im ersten Moment abgedreht und fügt sich erstaunlich gut in die ansonsten realis­tische Erzählung ein. Nichts könnte Angiers Verbissenheit besser ausdrücken: Für das Prestige ist er nicht nur dazu bereit, Naturgesetze auszuhebeln – sondern auch nach jeder Vorführung seinen Klon (oder sich selbst) zu töten.

Daneben sind die erwähnten Tagebücher für den Film besonders wichtig. Denn es ist nicht nur Angier, der Bordens Tagebuch liest. Auch Borden besitzt das Tagebuch seines Rivalen. Die Er­zählungen daraus sind entscheidend für die Struktur des Films. Nolan wechselt darüber zwischen vier verschiedenen Zeitebenen. Das ist ebenso spannend wie verwirrend, denn die Verfasser der Tagebücher entpuppen sich als unzuverlässige Erzähler, die mit ihren Schriften nicht nur den Ri­valen, sondern auch die Zuschauer in die Falle lo­cken. Alles eine große Illusion. Nur was stimmt?

Wenn das Publikum begeistert ratlos vor den Plotverwicklungen sitzt, führt Nolan im dritten Akt die Stränge zusammen, arbeitet also aufs große Finale hin. Prestige, der wichtigste Moment, entscheidend für den Applaus. Zu diesem Zeitpunkt denkt Borden, Angier sei bei einem seiner Tricks ertrunken. Angier denkt, Borden wurde festgenommen, weil er seines Mordes beschuldigt wird. Dann treffen die Zauberer aufeinander und brechen die wichtigste aller Regeln: Sie erklären ihre Tricks. Anders als Nolan.

Source: faz.net