Film „Furiosa: A Mad Max Saga“: Ein Monster, dasjenige weiß, welches es ist

Statt des wahnsinnig männlichen Max nun eine wütende weibliche Heldin im Zentrum: So etwas interpretiert man gern als bloßes Zugeständnis an den Zeitgeist. Dabei hat Regisseur George Miller seine hypermaskuline Dystopie schon öfter dazu benutzt, Frauenfiguren herauszustellen, die wenig mit den Klischees zu tun haben, die man sonst im Genre antrifft, von „damsel in distress“ über „taff & sexy“ bis hin zu „die Handlung schmückendes Objekt der Begierde“. Man muss den 79-jährigen Australier vielleicht nicht gleich zum Feministen erklären, aber wie er in seinem neuen Film mit seiner zentralen Figur umgeht, verblüfft tatsächlich durch das, was er konsequent vermeidet: Furiosa, von Charlize Theron in Mad Max: Fury Road schon mit einer inneren Härte gespielt, die man schönen Frauen selten zugesteht, ist auch in ihrer „origin story“ nie bloßer Augenschmaus. Was nicht heißt, dass ihr Geschlecht für die Geschichte gar keine Rolle spielt; nur ist ihre Weiblichkeit eben nicht das Erste und Einzige, was sie ausmacht.

Wie für eine Dystopie angemessen, beginnt Furiosa: A Mad Max Saga mit einem Einblick in ein Paradies. Ein junges Mädchen (Alyla Browne) pflückt einen roten Pfirsich, wird aber kurz darauf von wildernden Bikern entführt. Die wüsten Kerle wollen das Mädchen zu ihrem Anführer bringen – nicht als Sexobjekt, wie man befürchtet, sondern als Beweis dafür, dass sie das „Land der Üppigkeit“ gefunden hätten, einen offenbar sagenhaften Fleck, wo man Kinder noch mit Milch und Obst ernährt.

Die Unerbittlichkeit der einsetzenden Verfolgungsjagd lässt keinen Zweifel daran, dass man sich erneut in jenem postapokalyptischen „Wasteland“ befindet, das Miller schon 1979 für seinen ersten Mad Max erfand: eine staubige Wüste, in der sich eine in Horden zerfallene Menschheit um letzte Ressourcen bekriegt. Dass die wenigen Fixpunkte in der Landschaft Namen tragen wie „Gas Town“, „Bullet Farm“ oder „Citadel“, verrät, um welche Rohstoffe es geht und warum ein „Tal der Üppigkeit“ vor so depravierten Gestalten wie den Bikern geheim gehalten werden muss. Furiosa wird an Dementus (ein hinter falscher Nase und Bart nicht wiederzuerkennender Chris Hemsworth) übergeben, schweigt von nun an aber eisern.

Mit Ölschmiere und Overall

Dieser Dementus wiederum ist ein Warlord, wie man ihn im Genre noch selten gesehen hat. Sein Mysterium besteht darin, dass er eine gewisse Selbsterkenntnis besitzt, seiner irren Aufmachung zum Trotz. Er trägt einen ans Römertum gemahnenden Umhang aus Ballonseide und kutschiert einen Wagen wie aus Ben Hur, nur sind statt Pferden Motorräder vorgespannt. Zwar handelt er mindestens so sadistisch wie seine Konkurrenten in diesem Universum des Irrsinns, aber von den polymorph perversen Anführern um „Immortan Joe“ hebt er sich dadurch ab, dass er weiß, was er ist: ein Traumatisierter und Beschädigter. Ein kleiner Teddybär an seiner „Uniform“ bezeugt, dass dieses Monster mal ein Familienvater war. In der jungen Furiosa sieht er fast so etwas wie eine Tochter. Aber bevor es zu versöhnlich wird, flüchtet Furiosa in die Citadel, wo sie über lange Jahre ihre Rache an Dementus plant.

Dass der Film seine Hauptfigur nicht sexistisch behandelt, heißt nicht, dass die Mad-Max-Welt davon frei wäre. Die Biker um Dementus sind ein verrohter Männerhaufen, in der Citadel regiert eine atavistische Geschlechterteilung, bei der ein Harem eingeschlossener Frauen Kinder zur Welt bringen muss, während Horden von „War Boys“ ins sinnlose Sterben geschickt werden. Furiosa, nun von Anya Taylor-Joy (Das Damengambit) gespielt, kann sich hier den sexuellen Übergriffen nur durch Verkleidung als junger Mechaniker entziehen. Aber aus der Not erwachsen ihr neue Möglichkeiten: Das Geschlecht hinter Ölschmiere und Overall unkenntlich, wird Furiosa Teil der Mechaniker-Crew von „Praetorian Jack“ (Tom Burke), der seinen Truck im Piratenstil durch die Wüste bugsiert. Er entpuppt sich als eine Art Rockstar mit Herz, was für kurze Momente von Romantik sorgt, die in diesem Universum der Gewalt fast destabilisierend wirken.

Das einmalig packende Zuschauer-Erlebnis, das Fury Road bereitete, kann Furiosa nicht noch einmal herstellen. Die Reize des neuen Films sind subtiler, sie liegen in den melancholischen Schwingungen, mit denen die rastlose Handlung unterlegt ist. Sie suggerieren dem Zuschauer wie ein Sirenengesang: Das könnte auch deine Zukunft sein.

Eingebetteter Medieninhalt

Furiosa: A Mad Max Saga George Miller Australien/USA 2024, 148 Minuten