Festakt in Münchner Synagoge: Merz, welcher Mensch
Es war die Wiedereröffnung einer Synagoge in Deutschland und zugleich ein tiefer Blick in die Seele des Landes. Was bedeuten die Tränen von Bundeskanzler Friedrich Merz? Steht ihm ein solcher Ausbruch zu? Es ging ja um einen Ort, der, wie jede jüdische Einrichtung, untrennbar verbunden ist mit dem Leid, das Deutsche Jüdinnen und Juden zugefügt haben.
Viele Menschen, die die Synagoge in der Münchner Reichenbachstraße aufsuchen werden, sind Überlebende oder Nachfahren von Überlebenden der Schoah. Und noch 1970 hatte es hier einen bis heute nicht aufgeklärten Brandanschlag gegeben, bei dem sieben Menschen starben. Der jüdischen Gemeinde allein gehört dieses Haus, fürwahr!
Aber bei der Wiedereröffnung waren der Bundeskanzler und andere Repräsentanten ausdrücklich erwünscht. Wie kann man – wie es vereinzelt geschehen ist – Merz Sentimentalität vorhalten, wenn er sich bewegt zeigt? Wer kann das eigentlich beurteilen? Merz zeichnet aus, dass er vergleichsweise offen redet, manchmal nicht gerade zu seinem Vorteil. Auch in München war es eine authentisch wirkende Rede, sicher eine seiner besten. Es schien eine direkte Linie zu geben zwischen Denken, Reden und Fühlen. Bezeichnend war, an welcher Stelle er die Fassung verlor. Es war, als er eine Frage zitierte, die die Literaturwissenschaftlerin Rachel Salamander, die Initiatorin der Restaurierung, als Kind immer wieder ihren Eltern gestellt hatte: Ob denn den Juden niemand geholfen habe? Diese Kinderfrage weckt viele Gefühle: Empathie, Scham, auch das Bewusstsein dafür, wie viel Schuld so viele Deutsche während der Nazizeit auf sich geladen haben. Menschen, die als Deutsche unter Deutschen lebten, wurden erst verfemt, dann isoliert, dann verfolgt und schließlich vernichtet.
Für Nachgeborene hatte dies alles etwas Unerklärliches, etwas, das unwiederholbar schien. Heute erleben wir, wie Israelis, aber auch Jüdinnen und Juden in anderen Ländern in Haftung genommen werden für das, was die Regierung Netanjahus in Gaza Schreckliches anrichtet. Allein weil sie Juden sind. Man kann sich nur schämen. Deshalb war der Auftritt von Friedrich Merz ein wichtiges und richtiges Zeichen. Wegen seiner Rede und seiner Rührung. Es sprach Merz, der Kanzler, und Merz, der Mensch.