FC Internationale Berlin lanciert Cradle-to-Cradle-Jersey: Ist welches zählt schon uff’m Platz?

„Das Trikot“. So nennt der FC Internationale sei neues Jersey, das deutlich höhere Nachhaltigkeits-Standards erfüllen will, als es bisher im Sport üblich ist.

Im Fußball geht es um Höchstleitungen. Und große Emotionen. Und Nachhaltigkeit? Ausbaufähig. Der Berliner FC Internationale hat sich auf die Fahne geschrieben, hier Vorschub zu leisten. Und hat mit zwei deutschen Unternehmen ein Trikot entwickelt, das Cradle-to-Cradle zertifiziert ist − um ein Signal in die Branche zu senden. Was Performance Wear-Profis und Blokecore-Fans darüber wissen sollten.

Dass Fußball-Jerseys mit High Fashion mithalten können, hat zuletzt Mirko Borsche mit seinen Kreationen u.a. für den FC Venedig und Kallithea FC eindrucksvoll bewiesen. Dass fast jeder eine Meinung zu Look & Feel von Trikots hat, zeigte wiederum die Debatte ums pinke Auswärts-Shirt der Deutschen Herren-Fußball-Nationalmannschaft. Dass diese emotionale Kraft auch mit hohen Standards in Sachen Nachhaltigkeit und einer klaren Haltung gehen kann, will jetzt ein Berliner Fußballverein zeigen.

Der 1980 gegründete Amateur-Club FC Internationale Berlin präsentiert am Montagabend, 8. Juli, im Rahmen des Nachhaltigkeitstages „Future Day“ auf der UEFA Fanzone vor dem Reichstag sein „Das Trikot“ genanntes Design. Rund ein Jahr lang hat das Team um Anton Klischewski, Koordinator Nachhaltigkeit und Inklusion beim FC Internationale, und Lukas Weber, als Kreativchef verantwortlich für Gestaltung und Design, an dem Projekt gearbeitet. Beide heben im Gespräch mit der TextilWirtschaft das Teamplay bei dem beschrittenen Weg hervor, ohne den die Realisierung nicht möglich gewesen wäre. Weber hat das Trikot gemeinsam mit seiner Kollegin Anne Toppius mit und für Runamics entworfen.

Der FC Internationale ist nicht der erste Player, der mehr Nachhaltigkeit in den Sport bringen will. On hat sich schon 2021 auf den Weg zum kreislauffähigen Schuh gemacht. Und das Unternehmen Brands Fashion ist jüngst mit dem Deutschen Award für Nachhaltigkeitsprojekte 2024 in der Kategorie Lieferkette ausgezeichnet worden. Und zwar für die Initiative „Vom Feld in den Fan-Shop“, die das Unternehmen gemeinsam mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie Clubs der 1. und 2. Fußballbundesliga umgesetzt hat.

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Initiative „Vom Feld in den Fan-Shop“

Brands Fashion gewinnt Deutschen Award für Nachhaltigkeitsprojekte

Die Initiative „Vom Feld in den Fanshop“, die Brands Fashion gemeinsam mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie den Clubs der 1. und 2. Fußballbundesliga umsetzt, hat den Deutschen Award für Nachhaltigkeitsprojekte 2024 in der Kategorie Lieferkette gewonnen. Inzwischen wird so viel Bio-Baumwolle durch das Projekt generiert, dass die Workwear-Anbieter weitere Partner suchen.

Zwei Partner aus Deutschland

Doch zurück nach Berlin. Was steckt alles in dem Jersey-Projekt? Ende 2023 hatte sich der Verein entschieden, einen neuen Ausrüster-Vertrag mit klaren Anforderungen zu verknüpfen. „Wer wie wir offensiv mit Fairplay und No Racism im Sport wirbt, muss auch dafür Sorge tragen, dass das für alle Beteiligten gilt – von den Arbeiter:innen in der Wertschöpfungskette am anderen Ende der Welt bis zu den Spieler:innen, die schadstofffreie Trikots auf dem Platz tragen“, hieß es schon damals von Klischewski.

Anton Klischewski, Koordinator Nachhaltigkeit und Inklusion beim FC Internationale Berlin 1980 e.V.

Neben den ökonomischen Kriterien wurden bei der Vergabe zu 30% soziale und ökologische Anforderungen an Lieferkette, Material sowie Kreislaufwirtschaft berücksichtigt, berichtet der Verein. Finale Gespräche führte man im Januar dieses Jahres, dann ging der Zuschlag an zwei Unternehmen, „die eine Partnerschaft abseits der üblichen Marktmechanismen anstreben“. Bei den Unternehmen handelt es sich um Runamics und Hakro.

Runamics aus Hamburg ist die nach eigenen Angaben erste Cradle-to-Cradle-zertifizierte Sportmarke der Welt. Hakro aus Schrozberg in Baden-Württemberg ist ein bekannter Anbieter für Unternehmensbekleidung.

Runacis-Gschäftsführer Steffen Otten, Geschäftsführer: „Für Runamics bot sich mit der Ausschreibung vom FC Internationale die einmalige Gelegenheit, unsere für Kreisläufe entwickelten Textilien mit gleichgesinnten Partnern auf den Fußballplatz zu bringen. Wir freuen uns über die Bereitschaft und Konsequenz von Inter, mutig neue Wege zu gehen und auch hier Experimente zuzulassen. Nur so können Konzepte ihren Weg in die breite Umsetzung finden.“

Runamics und Hakro arbeiten bereits seit Sommer 2023 zusammen. Carmen Kroll, geschäftsführende Gesellschafterin von Hakro: „Neben Berufsbekleidung sind wir überall aktiv, wo wir durch Kleidung das Wir-Gefühl eines Teams stärken – so auch im Sport und Vereinswesen. Das gesellschaftspolitische Engagement des FC Internationale beeindruckt uns sehr. Zusammen mit runamics wollen wir den Verein bestmöglich unterstützen, um auch beim Thema Kleidung verantwortungsvoll handeln zu können.“

Ein erster Einblick ins neue Trikot-Design. Enthüllt wird es am Abend des 8. Juli 2024.

Vier entscheidende Faktoren

Verein und Partner stellen vor allem vier Eigenschaften der neuen Kreation in den Mittelpunkt, die den Unterschied zu herkömmlichen Produkten ausmachen würden.

Das Material: Die Textilien seien frei von bedenklicher Chemie, die in herkömmlicher Sportkleidung oft zu finden sei. Konkret werde das im neuen Trikot verwendete Polymer ohne den Einsatz von Antimontrioxid produziert. Dabei handelt es sich um eine Verbindung des Schwermetalls Antimon, die als bedenklich für den Menschen eingestuft wird. Auch Bisphenol-A (BPA) kommt nicht vor − eine chemische Verbindung, die als hormonaktive Substanz und gesundheitsschädlich eingestuft wird.

Die textile Ware ist aus Cradle-to-Cradle-zertifizierten Materialien gefertigt, die auf dem Gold Level eingestuft sind. „Alle im Produktionsprozess verwendeten Materialien entsprechen damit diesem hohen Standard und sind unbedenklich für Mensch und Umwelt“, versprechen die Macher.

Der Kreislauf: Das Prinzip des Cradle to Cradle ist, dass ein produziertes Produkt dem Fertigungskreislauf wieder zugeführt werden kann, um daraus wieder ein neues Produkt herzustellen. Dafür müssen bestimmte Eigenschaften gegeben sein. Unterschieden wird in technischen und biologischen Kreisläufen.

Fokus technischer Kreislauf: Das Trikot wurde aus nur einem Material gefertigt, weshalb man es als Monomaterialprodukt bezeichnen könne. Damit sei es am Ende des Tragezyklus für ein sortenreines Recycling geeignet. Aufgrund der chemischen Konstruktion des Polymers könne es aber auch zusammen mit herkömmlichem Polyester recycelt werden. Das ist wichtig, falls das Shirt zum recyceln nicht wieder direkt beim Verein landet, sondern an anderer stelle. „Das ist zwar nicht das Wunschszenario, lieber würde man es sortenrein halten, aber es ist ein realitätsnahes Szenario“, so die Einschätzung.

Wenn es soweit sei, könnte das Material kann sowohl im mechanischen Reißverfahren oder mechanischen Thermo-Recyclingverfahren wieder zu einem neuen Garn verarbeitet werden.

Cradle-to-Cradle. Hangtag, der das Prinzip bei dem Jersey „Das Trikot“ erläutert.

Fokus biologischer Kreislauf: Das Polymer ist (durch Hydrolyse) biologisch abbaubar, und zwar ohne Schadstoffe freizusetzen. Das beim Waschen und Tragen freigesetzte Mikroplastik würde zudem als „nicht-persistent“ klassifiziert, da es sich abbauen kann, heißt es.

Auch Zutaten für Logos, Drucke und das Nähgarn seien für die biologische Kreislaufführung nach Cradle-to-Cradle-Gold-Standard entwickelt. „Sollte das Textil im schlimmsten Fall auf einer Deponie landen, würde es dort keinen langfristigen Schaden anrichten, weil es sich selbst ohne schädliche Rückstände zersetzen kann.“

Die Kontrolle: Papier ist geduldig. Um die getätigten Versprechen auch einhalten zu können, müsse man sicherstellen, jeden Schritt in der Wertschöpfungskette überblicken zu können. In der Textil- und Bekleidungsindustrie bekanntermaßen eines der größten Probleme. Möglich sei es bei dem Projekt, da mit Ankunft des Rohgarns „alle Arbeitsschritte in Portugal im Umkreis von 20 km“ stattfinden, wie es heißt.

Der Stoff werde gestrickt, gefärbt, zugeschnitten, genäht und mit Stick und Druck veredelt und anschließend gelagert − bei Hakro in Baden-Württemberg, im Lager von Runamics in Lüneburg oder beim FC Internationale in Berlin.

Die Rücknahme aufgetragener Teile soll später direkt über Inter Berlin oder auch über Runamics erfolgen, wenn notwendig auch per Versand. Der Recycling-Prozess finde dann abhängig von den gesammelten Mengen mit der Firma Turns Faserkreislauf statt.

Die Haltung: Der FC Internationale nutzt seit jeher die Brust des Trikots – bekanntermaßen die begehrteste Werbefläche im Fußball – um gesellschaftsrelevante Zeichen zu setzen. Mit dem Slogan „No Racism“ stelle man bei dem Trikot klar, „dass Rassismus im Fußball und nirgendwo sonst etwas verloren hat“.

Auf dem Platz, im Verkauf

Das Trikot wird in der Saison 2024/25 von den Vereinsmannschaften während der Spiele getragen, ist aber auch im freien Verkauf erhältlich. Vorbestellungen sollen im Herbst ausgeliefert werde.

Die Macher erhoffen sich dabei nicht nur, die eigenen hohen Standards zu erfüllen, sondern das Thema generell stärker auf die Agenda im Sport zu rücken. „Wir wollen unser erarbeitetes Know-how gerne teilen uns sind sehr offen für Gespräche und Austausch mit anderen Vereinen und natürlich auch Sportartikelherstellern“, betont Klischewski.

Der Hype um Blokecore könnte eine gute Möglichkeit sein, das Thema noch stärker in die Breite zu tragen, auch in Gruppen, denen es nicht in erster Linie um die rein sportliche Leistung einer Mannschaft oder eines Vereins geht, sondern stärker um die Haltung, den Spirit und Style. Kreativchef Lukas Weber: „Ökologische Markenführung beziehungsweise deren konsequente Ausgestaltung sind ein immer wichtiger werdendes Thema, in allen Wirtschaftsbereichen. Mittelfristig wird man als Marke − also auch als Fußballverein − um dieses Thema nicht mehr herumkommen. Für mich als Designer wäre es ein perfektes Match, wenn man es in Zukunft so wäre, dass man ästhetische und nachhaltige Aspekte gemeinsam denken muss. Auch Vereine mit großer Reichweite und Wirtschaftskraft sollten diesen Weg gehen.“