F.A.Z. exklusiv: Warken plant Milliardeneinsparungen im Gesundheitswesen

Mit milliardenschweren Einsparungen will Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) dafür sorgen, dass die Sätze zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) im kommenden Jahr nicht weiter steigen. Nach Informationen der F.A.Z. hat sie am Freitag ihre Vorschläge dazu in die Ressortabstimmung mit den anderen Ministerien gegeben. Sie laufen darauf hinaus, dass die Krankenkassen 2026 rund zwei Milliarden Euro weniger ausgeben müssen als bisher befürchtet. Diese Finanzierungslücke hatte die Koalition kürzlich auf Grundlage der neuen Konjunkturerwartungen errechnet; zuvor war von einem Defizit von vier Milliarden Euro die Rede gewesen.
Die größten Einschnitte im Umfang von geschätzt 1,8 Milliarden Euro sind durch Streichungen in den Krankenhäusern geplant. Weitere 100 Millionen Euro sollen dadurch wegfallen, dass die Verwaltungskosten der Krankenkassen begrenzt werden: Die Ausgaben für Sachmittel, Gebühren, Werbung oder für die Vergütung Dritter dürfen 2026 um maximal acht Prozent gegenüber dem Referenzjahr 2024 steigen. Noch einmal 100 Millionen Euro will Warken im Fördervolumen des Innovationsfonds streichen. Das wäre eine Halbierung der bisherigen Summe.
Der Fonds unterstützt Untersuchungen zu neuen medizinischen Versorgungsformen, darunter digitale Gesundheitsanwendungen. Kleinere Beträge, zusammen 12,5 Millionen Euro, entfallen nach Warkens Plänen auf die Senkung des Fördervolumens für die Versorgungsforschung mit kurzer Laufzeit sowie auf das Abschmelzen der Förderung von medizinischen Leitlinien. Die Krankenkassen sollen 2026 vollständig von der Finanzierung des Innovationsfonds befreit werden.
Einsparungen im Krankenhaus bilden Löwenanteil
Die Einsparungen im Krankenhaus bilden den Löwenanteil und sind technisch komplex. Es geht darum, die sogenannte Meistbegünstigungsklausel im kommenden Jahr auszusetzen. Warken plant, die Obergrenze für die Budgets von psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken neu zu definieren und auch die Landesbasisfallwerte auf neue Weise zu deckeln; diese Werte bestimmen die Preise für jede einzelne Krankenhausleistung.
Die bestehende Obergrenze, der sogenannte Veränderungswert, wurde bisher zwischen den Krankenkassen und den Krankenhausverbänden in den Ländern ausgehandelt. Jetzt wird festgelegt, dass er nicht höher sein darf als der sogenannte Orientierungswert. Dieser Wert, der die Kostensteigerung im Krankenhauswesen angibt, wird nicht individuell in den Ländern verhandelt, sondern einmal im Jahr vom Statistischen Bundesamt für ganz Deutschland berechnet. Nach Berechnungen der F.A.Z. könnte das 1,8 Milliarden Euro im Jahr einsparen.
Warkens Änderungsanträge zu den verschiedenen Gesetzen und Verordnungen, darunter das Sozialgesetzbuch 5, das Krankenhausentgeltgesetz und die Bundespflegesatzverordnung, sollen am kommenden Mittwoch, dem 15. Oktober, ins Bundeskabinett gehen und am 1. Januar in Kraft treten. Sie werden im Gesetz zur Befugniserweiterung und Entbürokratisierung in der Pflege untergebracht. Es ist Eile geboten, denn parallel tagt kommende Woche der sogenannte Schätzerkreis, der dem Bundesgesundheitsministerium jedes Jahr Empfehlungen zur künftigen Höhe des Zusatzbeitrags in der GKV unterbreitet.
Kassen nehmen im Schnitt 2,9 Prozent
Bis zum 1. November muss Warkens Haus die durchschnittlichen Sätze dann festlegen. Daran orientieren sich die Krankenkassen, können die Vorgaben je nach finanzieller Notwendigkeit und Genehmigung aber auch unter- oder überschreiten. So beträgt der für 2025 empfohlene durchschnittliche Zusatzbeitrag 2,5 Prozent, tatsächlich nehmen die Kassen aber im Schnitt 2,9 Prozent.
Hinzu kommt der allgemeine Beitragssatz von 14,6 Prozent, sodass Arbeitgeber und Arbeitnehmer derzeit insgesamt 17,5 Prozent des sozialversicherungspflichtigen Einkommens an die Krankenkassen zahlen.
Noch sind Warkens Sparanstrengungen nicht in trockenen Tüchern, es kann sich in den kommenden Wochen vieles ändern. Das liegt auch daran, dass weiterhin unklar ist, wie die Beiträge zur Pflegeversicherung stabilisiert werden sollen. Während die Pläne zur GKV im Koalitionsausschuss zur Wochenmitte schon besprochen wurden und weitgehend geeint waren, konnte man sich nicht auf Maßnahmen zur Pflege einigen. Deshalb wurde der Gesamtkomplex Pflege/Gesundheit bei der Ergebnisvorstellung des Koalitionsausschusses ausgespart.
Als Kompromiss könnte sich abzeichnen, dass ein von Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) im Bundeshaushalt 2026 eingeplantes Darlehen über 2,3 Milliarden Euro für die GKV jetzt an die Pflege gehen könnte. Das wäre in etwa der Betrag, der dort im kommenden Jahr fehlen dürfte. Dann allerdings müssten die Sparanstrengungen in den gesetzlichen Krankenkassen noch einmal verdoppelt werden.
Bisher ist der Bundeshaushalt für das kommende Jahr nicht verabschiedet, GKV und Pflege hoffen, dass es für sie noch Nachbesserungen geben könnte.
Wichtig ist der Koalition, dass sie nicht in den medizinischen und pflegerischen Leistungen kürzt. Erhöhte Zuzahlungen von Patienten in Krankenhäusern und für Medikamente, über die kürzlich berichtet wurde, seien nicht auszuschließen, aber im jetzt vorliegenden ersten Paket nicht vorgesehen. In der Pflege werde über mögliche Mitnahmeeffekte beim Pflegegrad 1 zwar diskutiert, seine vollständige Abschaffung, vor der Sozialverbände warnen, sei aber nicht beabsichtigt.
Vor allem der SPD ist wichtig, dass die Entlastung der Beitragszahler nicht zu einer Belastung der Patienten führt. Nachdem die Partei schon beim Bürgergeld Verschärfungen hinnehmen musste, möchte sie weitere als soziale Rückschritte wahrgenommene Zumutungen vermeiden.