Explodierende Pager: War dies welcher Mossad? Und wie wird die Hisbollah reagieren?

Israel hat sich zwar noch nicht zu dem aufsehenerregenden, koordinierten Angriff auf die Hisbollah bekannt, bei dem am Dienstag dieser Woche um 15 Uhr Tausende von Pagern – Personenrufempfängern, die von Mitgliedern der libanesischen paramilitärischen Organisation benutzt wurden – explodierten, aber es handelt sich mit ziemlicher Sicherheit um eine Operation des Mossad. Denn der israelische Geheimdienst verfolgt schon seit Jahrzehnten eine Strategie der Ermordung von Hamas- und Hisbollah-Führern. Trotzdem wären die Pager-Explosionen – sollte sich eine Beteiligung des israelischen Staates bestätigen – eine erhebliche Eskalation.

Noch gibt es keine endgültigen Zahlen, aber Berichte über mindestens neun Tote und etwa 3.000 Verletzte belegen das Ausmaß des Angriffs, bei dem die Hisbollah offenbar großflächig und wahllos ins Visier genommen wurde. Die schiitische Miliz hatte seit einiger Zeit Pager als Alternative zu Mobiltelefonen verwendet, weil sie befürchten musste, dass Handys leicht geortet und für tödliche Raketenangriffe auf ihre Kommandeure genutzt werden konnten.

Es ist unklar, wie die Explosionen genau ausgelöst wurden. Anfangs gab es Spekulationen über einen Hackerangriff, der dazu führte, dass die Batterien der Geräte explodierten; aber tatsächlich ist es viel wahrscheinlicher, dass die Geräte selbst sabotiert waren. Ersten Berichten zufolge handelte es sich bei den explodierten Pagern um ein Modell der Taiwanesischen Firma Gold Apollo, was zur Vermutung führte, dass die Lieferketten des Unternehmens unterwandert worden sein mussten; später aber präzisierte Gold Apollo, dass es die Geräte nicht selber produziert hatte, sondern dass von einer Firma in Europa hergestellt worden waren, die die Lizenz von Gold Apollo nutzte.

Taktisch spektakulär, strategisch sinnlos?

Yossi Melman, Mitverfasser von Spies Against Armageddon und anderen Büchern über den israelischen Geheimdienst, sagt, dass die explodierenden Pager offenbar „vor kurzem geliefert“ worden seien, und fügte hinzu: „Wir wissen, dass der Mossad in der Lage ist, die Hisbollah immer wieder zu durchdringen und zu infiltrieren“. Er bezweifelt jedoch die strategische Sinnhaftigkeit des Anschlags, bei dem auch ein 10-jähriges Mädchen ums Leben kam.

„Der Angriff erhöht die Wahrscheinlichkeit einer Eskalation der Grenzkrise (zwischen Israel und der Hisbollah) zu einem Krieg“, warnt Melman. In seinen Augen ist der Anschlag ‚eher ein Zeichen von Panik‘, da er zwar auf noch nie dagewesene Weise die Hisbollah getroffen hat, aber weder sehr gezielt sei, noch das allgemeine strategische Bild verändere. „Ich kann nicht sehen, wen das weiterbringt“, sagt Melman.

Auf jeden Fall, so Melman, sei eine Reaktion der Hisbollah wahrscheinlich. Zuvor war am Dienstag bekannt geworden, dass die mit dem Iran verbündete libanesische Gruppe, die sich seit Monaten einen gewaltsamen Schlagabtausch mit Israel liefert, nach Angaben des israelischen Inlandsgeheimdienstes Shin Bet geplant hatte, einen ehemaligen israelischen Sicherheitsbeamten durch die Fernzündung eines Sprengsatzes vom Libanon aus zu töten.

Wie reagiert die Hisbollah, wie der Iran?

Das könnte darauf hindeuten, dass der Pager-Angriff eine düstere Warnung nach dem Motto „Alles, was ihr könnt, können wir besser“ war. Es wäre aber auch nicht das erste Mal, dass Israel ein Attentat oder einen anderen spektakulären Anschlag verübt, der nach hinten losgeht – oder sich die Situation nicht wie beabsichtigt entwickelt.

Bereits im Januar 1996 wurde ein sabotiertes Mobiltelefon benutzt, um Yahya Ayyash, den damaligen Bombenbauer der Hamas, in Gaza-Stadt in die Luft zu jagen. Ayyash, bekannt als „der Ingenieur“, wurde für die Einführung der Strategie der Selbstmordattentate auf israelische Passagierbusse verantwortlich gemacht – seine Ermordung löste jedoch eine neue Welle von Busbombenanschlägen aus und trug wenig zur Beruhigung der damaligen Krise bei.

Khaled Meshal, ein weiterer Hamas-Führer, überlebte 1997 einen Attentatsversuch. Meshal, damals politischer Führer der Hamas, wurde in einer von Israels Premierminister Benjamin Netanjahu genehmigten Operation während eines Aufenthalts in Jordanien Gift ins Ohr injiziert. Meshal überlebte, während einige der beteiligten israelischen Agenten verhaftet wurden – was den jordanischen König Hussein dazu veranlasste, zu drohen, das Friedensabkommen mit Israel aufzukündigen und die Verschwörer zu hängen, falls kein Gegengift geliefert würde. Israel war blamiert und gezwungen, Meshal ein Gegengift zu liefern.

Im Februar 2010 wurde Mahmoud al-Mabhouh, ein für Waffenbeschaffung zuständiger Hamas-Kader, fünf Stunden nach seiner Ankunft in Dubai in seinem Hotelzimmer von einem Team von elf Attentätern getötet, die zur Verschleierung ihrer Identität gefälschte europäische Pässe verwendeten. Die Hamas beschuldigte Israel, hinter dem Komplott zu stecken, von dem einige Momente auf den von den Behörden in Dubai veröffentlichten Überwachungskameraaufnahmen zu sehen waren.

Seit dem Beginn des jüngsten Krieges Israels gegen die Hamas gab es zahlreiche weitere Versuche, Anführer der militanten Palästinensergruppe auszuschalten. So Ismail Haniyeh, der politische Chef der Gruppe, der im August in Teheran durch einen zuvor platzierten Sprengsatz getötet wurde – was den Iran zu Drohungen veranlasste, er werde mit direkten militärischen Maßnahmen gegen Israel reagieren.

Obwohl der Iran in den Wochen danach von einem Angriff Abstand genommen hat, haben die Pager-Angriffe die Lage erkennbar weiter verschärft. Die Gefahr eines Kriegs zwischen Israel und der iranischen Stellvertretermiliz Hisbollah war wohl seit Langem nicht mehr so groß.

Dan Sabbagh ist Guardian-Redakteur für Verteidigungs- und Sicherheitspolitik