Eurowings will 426 Mal pro Woche nachher Mallorca segeln

Stattliche 426 Mal will die Fluggesellschaft Eurowings im Sommer Urlauber nach Mallorca bringen – und zwar jede Woche auf ein Neues, 426 Mal, von mehr als 20 verschiedenen Startflughäfen aus. Urlaub wird für die Tochtergesellschaft der Deutschen Lufthansa zu einem immer größeren Thema. „Wir haben nicht mehr 16 Mal am Tag Flüge von Köln nach Berlin im Programm“, sagt Eurowings-Chef Jens Bischof. Der vollzogene Strategiewechsel ersetze Inlandsflüge durch längere Distanzen. Begleiteffekt: Die mittlerweile 120 Eurowings-Flugzeuge sind häufiger in der Luft und stehen seltener an einem Flughafen, was den Betrieb effizienter mache. Im vergangenen Jahr war Eurowings nach vielen Verlustjahren in wieder profitabel. Die Gesellschaft trug 241 Millionen Euro zum operativen Konzerngewinn von 2,7 Milliarden Euro bei.

Doch das genügt Bischof noch nicht. Aus dem Geschäft mit Urlaubern, die einst 40 Prozent der Eurowings-Sitze buchten und jetzt mehr als 60 Prozent füllen, will er mehr herausholen. „Wir sehen sehr gute Chancen, im Tourismus noch stärker Fuß fassen zu können“, sagt er. Entscheidend ist der kurze Nachsatz: „Nicht nur mit Flügen.“ Denn Eurowings will nicht mehr nur der Beförderer sein, der Urlauber, die eine Pauschalreise von TUI , Dertour oder Alltours gekauft haben, nach Mallorca oder anderswo an den Strand bringt. Eurowings will selbst ein Anbieter der Reisen werden. Bischof hat den Tourismus als Wachstumsmarkt ausgemacht. „Wir sehen im dritten Jahr in Folge einen Nachholeffekt nach Corona“, sagt er. Die Umsätze auf dem Reisemarkt könnten auch 2024 um eine zweistellige Prozentrate steigen.

Intern wurde das Ziel formuliert, dass Eurowings in die Top-10 der Reiseveranstalter auf dem hiesigen Markt gelangen könnte. Solch einen Platz in der von TUI angeführten Liste ergattert man laut Daten des Reisefachmagazins „FVW“, wenn man im deutschsprachigen Raum spürbar mehr als eine halbe Milliarde Euro mit Reisen umsetzt. 2023 belief sich der Eurowings-Umsatz auf 2,6 Milliarden Euro – allerdings vornehmlich mit Flügen. Als Vorbild gilt die britische Airline Jet2, die ihre Reisemarke Jet2 Holidays zum kundenstärksten Pauschalreiseanbieter im Vereinigten Königreich aufsteigen ließ.

Pauschalreisen auch unter Anbietern beliebter

Auch der Billigflieger Easyjet hat sich unter der Führung des früheren TUI-Managers Johan Lundgren dem Geschäft zugewandt, die eigenen Flugtickets zusammen mit Hotelzimmern als Reisepakete zu vertreiben. Auf dem deutschen Markt ist davon bislang wenig zu spüren. Jet2 tritt vor allem in Großbritannien auf, Easyjet bietet zwar auch hierzulande Reisepakete an, allerdings hat der Billigflieger sein Flugangebot in Deutschland in der Pandemie ausgedünnt und wächst eher in anderen Ländern.

Eurowings sieht darin eine Chance und war auch nicht untätig, was komplette Reisen betrifft. Seit Jahren gibt es die Marke Eurowings Holidays. Dahinter steckt aber, dass das Unternehmen HLX des Reise- und Medienunternehmers Karlheinz Kögel Eurowings-Flüge mit Unterkünften aus eigenem Einkauf zu Pauschalreisen zusammenfügt. Eurowings muss Erfolge also teilen. Kögel hatte dieses Prinzip ersonnen – einst in Partnerschaft mit der untergegangenen Gesellschaft Air Berlin. Das Eurowings-Holidays-Geschäft soll aber längst größer sein, als der Pakt mit Air Berlin jemals war. „Die Urlaubsmarke Eurowings Holidays ist mit mehr als 1000 verkauften Reisen am Tag sehr erfolgreich“, sagt Bischof.

Neues Geschäft mit vielen Hürden verbunden

Viel mehr will er zu seinen Reiseplänen nicht sagen. „Wir schauen uns genau an, wie wir das Geschäft weiterentwickeln können“, erklärt er. „In naher Zukunft“ solle es Antworten geben. Denn es gibt zwei Knackpunkte. Zum einen will man den Partner HLX, mit dem man gemeinsam wuchs, nicht verprellen. Es gebe noch Fragen, die „gemeinsam mit HLX beantwortet werden“, sagt Bischof. Zum anderen bringt das Pauschalreisegeschäft einiges an Regulierung mit sich, mehr Haftung gegenüber Kunden und die Pflicht für eine Absicherung des Kundengelds etwa durch Einzahlungen in den deutschen Reisepreissicherungsfonds. Der Lufthansa-Konzernvorstand muss den Reiseplänen zustimmen, was nach F.A.Z.-Informationen aus Branchenkreisen aussteht.

Eine Herausforderung wird es auch, Reisen anzubieten, ohne als Widersacher der etablierten Reiseveranstalter wahrgenommen zu werden – die mit ihren Urlaubskunden für einen signifikanten Teil der Auslastung der Eurowings-Flüge sorgen. In der Branche gibt es aber viele Befindlichkeiten. Dass ein Pilot in seiner Begrüßung auf einem Flug die Eurowings-Passagiere und die Pauschalreisekunden von Eurowings Holidays erwähnte, soll dem Manager eines etablierten Reiseveranstalters, der ebenfalls an Bord war, aber keine Eurowings-Holidays-Offerte gebucht hatte, sauer aufgestoßen sein.

Sonderkonjunktur durch Fußball-EM

Auf seinem Urlaubskurs ist Eurowings-Chef Bischof daher bemüht, sich als Partner statt als Rivale darzustellen. „Wir versuchen, auf Partnerschaften zu setzen und führen viele sehr interessante Gespräche dazu“, sagt er. Als Beleg, dass daraus Pakte entstehen, führt er eine Vereinbarung mit Dertour aus der Reisesparte des Rewe-Konzerns an. Aus Eurowings-Flügen und Unterkünften aus dem Dertour-Portfolio werden neuerdings für Kurzentschlossene Eurowings-Holidays-Reisen zusammengefügt, die Dertour-Reisebüros vermarkten. Das soll zum beiderseitigen Nutzen sein.

Neben Mallorca-Urlaubern sollen auch Fußfallfans die Eurowings-Flotte füllen. Die bevorstehende Fußball-EM beschere eine kleine Sonderkonjunktur. „Wir haben Top-Buchungen für Juni und Juli“, sagt Bischof. Rund 70 Zusatzflüge habe er aufgelegt. Die bringen zwar nur etwa 13.000 Passagiere mehr. Da vorhandene Flüge stärker gebucht würden, rechnet Bischof aber mit bis zu 70.000 zusätzlichen Ticketverkäufen durch die EM. Abhängig davon, wie die deutsche Elf abschneidet, kalkuliert er den Transport einer Siegertrophäe ein. Vom Champions-League-Finale kehre die Mannschaft von Borussia Dortmund in einem Eurowings-Flugzeug heim – mit Pokal, prognostiziert Bischof.