Europawahl in Spanien: Die Sozialisten sind mit einem blauen Auge davongekommen

Über den Großangriff der spanischen Rechtspartei Partido Popular (PP), der Faschisten, der Medien, der Justiz und – nicht zu vergessen – der Kirche gegen die Linksregierung des sozialistische Premierminister Pedro Sánchez ist bereits berichtet worden. Wie das Ergebnis der Europawahlen in Spanien zeigt, hat diese Front durchaus Wirkung hinterlassen. Die extreme Rechte hat an Boden gewonnen. Zählt man die Mandate der faschistischen Partei Vox und eine kurzfristig angetretene neue rechtsextreme Partei mit dem Namen „Das Fest ist vorbei“ (Se Acabó la Fiesta, sie erreicht 4,6 Prozent) zusammen, schickt dieses Lager jetzt neun Abgeordnete ins Straßburger bzw. Brüsseler Parlament.

Sánchez ist bei Weitem nicht so geschwächt worden wie die SPD und Olaf Scholz

PP-Vorsitzender Alberto Núnez Feijóo hatte die Europawahlen zum Plebiszit gegen den sozialistischen Regierungschef Pedro Sánchez erklärt, den er als „Vaterlandsverräter“ denunzierte, weil er das Amnestiegesetz für die katalanischen Separatisten verantwortet. Das Ziel war, Sánchez aus dem Regierungssitz Moncloa zu vertreiben und sich dort selbst einzurichten. Nur hat das nicht funktioniert. Die Sozialistische Partei PSOE fiel zwar leicht von 32,8 auf 30,2 Prozent, zieht aber mit exakt der gleichen Zahl von 20 Abgeordneten ins neue EU-Parlament ein. Die Zeitung El Salto spricht von einer „süßen Niederlage“. Die Rechtspartei Partido Popular wuchs zwar deutlich von 20,1 auf 34,2 Prozent an. Dieses Plus erklärt sich aber zum großen Teil damit, dass sie ihren rechten Rivalen, die Partei „Ciudadanos“, die bei den Europawahlen von 2019 noch 12,1 Prozent „eingefahren“ hatte, praktisch „geschluckt“ hat: Die Partei ist von der Bildfläche verschwunden.

Schlechter erging es den beiden Parteien Sumar und Podemos von der alternativen Linken. Aber das liegt weniger am besagten Großangriff, sondern an deren trauriger, weil öffentlich zu besichtigender Selbstzerstörung. Die von der Vize-Regierungschefin Yolando Díaz organisierte linke Sammlungsbewegung Sumar erwies sich paradoxerweise am Ende nicht als Sammlungs-, sondern als Spaltungsprojekt: Von den sechs Abgeordneten von Podemos im letzten Europaparlament fiel die linke Sammlungsbewegung Sumar jetzt auf drei, verlor also die Hälfte. Immerhin hat Yolando Díaz, die Initiatorin dieser gescheiterten Politik, am Tag nach den Wahlen die Verantwortung übernommen und ihr Amt als Koordinatorin von Sumar niedergelegt. Sie gehört der Linksregierung allerdings weiterhin als Vize-Regierungschefin an.

Wie ist diese Resilienz von Pedro Sánchez, im Unterschied zum politischen „Eindampfen“ der Sozialdemokraten unter Olaf Scholz zu erklären? Der entscheidende Punkt ist wohl, dass der PSOE in Spanien über ein klares gesellschafts- und sozialpolitisches Profil verfügt, auch wenn ihm das von seinen linken Koalitionspartnern aufgezwungen ist und von nicht wenigen seiner Parteigenossen abgelehnt wird. So ist der Regierungschef nicht davor zurückgeschreckt, mit „Übergewinnsteuern“ soziale Maßnahmen zu finanzieren, Mieten „einzufrieren“ oder Grundnahrungsmittel zu verbilligen.

Auch außenpolitisch ist ihm Kontur nicht abzusprechen. So hat er sich zum Thema Palästina klar positioniert und einen palästinensischen Staat zusammen mit den EU-Ländern Irland und Slowenien sowie dem NATO-Staat Norwegen anerkannt. Zudem besteht er unbeirrt auf einer Aufklärung des Verdachts, wonach im Gaza-Krieg Völkermord verübt, wurde, und hat sich der Klage Südafrikas am Internationalen Gerichtshof (IGH) angeschlossen. Es blieb bei dieser Position, auch wenn er als „Antisemit“ beschimpft wurde. Der rechte Partido Popular hingegen verhält sich in dieser Angelegenheit opportunistisch. Sánchez jedenfalls hat bei dieser Frage die große Mehrheit der Spanier hinter sich.

Viele Spanier halten wenig von einer neuen Regierung, die am Tropf der Faschisten hängt

Es gelang dem Premierminister offensichtlich auch, als Reaktion auf den Großangriff gegen ihn und seine Ehefrau Gefühle der Solidarität auszulösen und so bei den Europawahlen zahlreiche Wähler für sich und seine Partei zu mobilisieren.

Auf der anderen Seite hat sein Rivale Alberto Núnez Feijóo, der noch nie eine ausgeprägte strategische Intelligenz erkennen ließ, nicht verstanden, dass für viele Spanier die Demontage demokratischer Institutionen – ein Beispiel ist die seit vielen Jahren überfällige Erneuerung der rechtslastigen Obersten Justizbehörde CGPJ – viele Spanier an einer Mitte-Links-Regierung festhalten lässt. Sie halten wenig von einer neuen Regierung, die am Tropf der Faschisten hängt.