Europäer setzen mit Iran-Sanktionen erneut ausschließlich hinaus die Peitsche
Teheran will als Reaktion auf die Sanktionen aus dem Kernwaffensperrvertrag aussteigen. Das birgt erst recht Gefahren und lässt eine neue Runde des nuklearen Rüstens erwarten
Straßenszene in Teheran: Im Hintergrund ein riesiges Banner, das Rostam, den berühmten Sagenheld der persischen Mythologie, im Kampf gegen einen Drachen zeigt, der die Vereinigten Staaten symbolisiert
Foto: Fatemeh Bahrami/Anadolu/picture alliance
Die Europäer wussten, was sie taten, als sie Iran mit dem sogenannten Snap-back-Mechanismus im August ein Ultimatum setzten: Entweder Rückkehr zu Geist und Buchstaben des Atomabkommens von 2015 mit seinen Grenzwerten für Urananreicherung und Kontrollen. Oder aber die Wiederauflage all jener UN-Sanktionen, die mit dem Abkommen ausgesetzt worden waren.
Teheran hatte anderes angeboten: Schrittweise Rückkehr zu Kontrollen und begrenzter Urananreicherung bei gelockerten Wirtschaftssanktionen. Und das aus nachvollziehbaren Gründen, weil die iranische Ökonomie in großen Schwierigkeiten steckt und die politische Basis des Regimes weiter zu erodieren droht.
Die EU-Vertreter haben in dieser Lage allein auf ihre Peitsche gesetzt und das angebotene Zuckerbrot verschmäht. Davon zeugt das Timing des Ultimatums. Für verschärfte Sanktionen braucht es in der Laufzeit des Abkommens keine neuerlichen Beschlüsse des UN-Sicherheitsrats. Die wären, das war klar, gegen Russland und China nicht zu haben gewesen.
Nächste Runde im nuklearen Wettlauf
Also hat man gehandelt, bevor der vertraglich vereinbarte Snap-back-Mechanismus im Oktober ausgelaufen wäre. Das aber konnten allein die Europäer tun, denn die USA als wichtigster Partner des Atomvertrages sind bereits 2018, während der ersten Trump-Regentschaft, ausgestiegen. Damit legte Washington die Axt an einen mühsam gefundenen Konsens, der sehr wohl geeignet schien, der Region nach Israel eine weitere Atommacht zu ersparen.
Es braucht keinen Funken Sympathie für Teheran, um zu verstehen, dass man sich dort nach dem Ausstieg der USA an die Vereinbarungen nicht mehr gebunden fühlte. Und dass es viel verlangt ist, jemandem zu vertrauen, der im Juni wie Donald Trump inmitten laufender Verhandlungen seine Bomber geschickt hat. Fast scheint es, als wollte man in Paris, London und Berlin keine Kompromisse mit Teheran mehr schließen. Erwartet wurde der Kotau des Regimes. Dass der ausblieb, war absehbar.
Die Mullahs haben nach 45 Jahren Islamischer Republik nichts mehr zu verlieren – außer ihrer Macht. Wenn Iran jetzt aus dem Kernwaffensperrvertrag aussteigt, geht der nukleare Wettlauf in die nächste Runde. Und damit wohl auch der bisher wenig erfolgreiche Abrüstungskrieg, den Israel und die USA gegen Teheran führen.