EU-Richtlinie: Bundesregierung beschließt Gesetzentwurf gegen Einschüchterungsklagen
Die Bundesregierung möchte Menschen besser vor Klagen schützen, die vor allem der Einschüchterung dienen. Das Kabinett hat einen Gesetzentwurf beschlossen, der eine entsprechende EU-Richtlinie in deutsches Recht umsetzt.
Dabei geht es um Klagen, die etwa Journalisten, Wissenschaftler und Aktivisten zum Schweigen bringen sollen, die sich über sensible Themen wie Korruption oder Umweltschäden äußern. Derlei Einschüchterungsklagen sollen deutsche Gerichte schnell abweisen dürfen. Auf diese Weise will das Justizministerium
gewährleisten, dass missbräuchliche Klagen zum frühestmöglichen
Zeitpunkt abgewiesen werden können.
Was als Einschüchterungsklage gelten soll
Stellt sich
heraus, dass jemand nur geklagt hat, um bestimmte Beiträge zur
öffentlichen Meinungsbildung zu unterbinden, soll er darüber hinaus verpflichtet werden können, die voraussichtlichen Prozesskosten zu tragen, inklusive der Kosten für die Rechtsverteidigung der Beklagten. Auch hohe Gebühren sollen die Gerichte verhängen dürfen. Die Beklagten wiederum sollen es leichter haben, Kosten erstattet zu bekommen, die ihnen durch solche Klagen entstehen.
Von einer Einschüchterungsklage ist demnach auszugehen, wenn der Hauptzweck des Rechtsstreits darin
besteht, die Beteiligung des Beklagten am öffentlichen Meinungsprozess
zu verhindern, einzuschränken oder zu sanktionieren, beispielsweise durch die Teilnahme an Demonstrationen, Veröffentlichung eines Artikels, einer wissenschaftlichen Studie oder eines Beitrags in sozialen Netzwerken. Nicht gelten soll das Gesetz, wenn es um Rechtsstreitigkeiten zwischen Parteien geht,
die ihren Wohnsitz im Inland haben und sich „alle den Sachverhalt
betreffenden Umstände im Inland befinden“. Was das für Fälle bedeutet,
in denen Informationen im Internet veröffentlicht werden, erweist sich
womöglich erst in der Praxis.
In Deutschland recht selten – noch
„Einschüchterungsklagen sind in manchen
europäischen Ländern in den letzten Jahren zu einem echten Problem
geworden“, sagte Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD). Das
deutsche Zivilprozessrecht sei schon gut aufgestellt, um
solchen Klagen zu begegnen. Mit den neuen Regeln erhielten die Gerichte dafür nun weitere Instrumente. „Es gibt keine Demokratie ohne freie Presse,
ohne kontroverse öffentliche Debatte, ohne Menschen, die den Mund
aufmachen und sich engagieren“, sagte Hubig. „Deshalb dürfen wir es nicht zulassen, dass kritische
Stimmen mundtot gemacht werden.“
Typisch für solche Einschüchterungsklagen, international auch SLAPP-Klagen genannt (Strategic Lawsuits Against Public Participation, zu Deutsch: strategische Klagen
gegen Bürgerbeteiligung) ist das Machtungleichgewicht zwischen Klägern, etwa Lobbygruppen oder vermögende Geschäftsleute, und Beklagten. Oft geht
es weniger darum, mit der Klage Erfolg zu haben, als darum, die
Betroffenen abzuschrecken, etwa durch die Kosten, die während des Klageverfahrens entstehen.