EU-Parlament: Welche Probleme trotz welcher EU-Asylreform bleiben

Die umstrittene Neuordnung des EU-Asylrechts ist im Rat der Europäischen Union final beschlossen worden. Im Dezember hatten sich die Mitgliedsstaaten nach jahrelangem Streit grundsätzlich geeinigt, Anfang April folgte die Abstimmung im Europaparlament. Die nun erfolgte Zustimmung des Ministerrats galt als Formalie. Geplant sind einheitliche Verfahren an den Außengrenzen und ein verbesserter Verteilungsmechanismus. Wem nützt die Reform? Und was bedeutet sie für die menschenrechtliche Lage von Geflüchteten?

Warum will die EU ihre Asylpolitik reformieren?

Seit der großen Flüchtlingsbewegung in den Jahren 2015 und 2016
wird an einer Reform des EU-Asylrechts gearbeitet. Damals waren
südeuropäische Länder wie Griechenland und Italien überfordert mit der
großen Zahl Menschen, die unter anderem aus Syrien flohen. Unregistriert
reisten sie weiter in andere EU Staaten, obwohl sie nach der
sogenannten Dublin-Verordnung dort registriert werden sollten, wo sie
die EU zuerst betreten hatten.

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Welche Änderungen sieht die Asylreform vor?

Die
EU will mit der Reform die Migration nach Europa besser steuern.
Künftig sollen an den EU-Außengrenzen einheitliche Grenzverfahren erfolgen. Vom Bundesinnenministerium heißt es dazu, „jeder“
werde „strikt kontrolliert und registriert“.

Dabei ist insbesondere ein härterer Umgang mit Menschen aus Ländern geplant, die als relativ sicher gelten: Migrantinnen und Migranten mit geringer Bleibeperspektive sollen daran gehindert werden, weiterzureisen. Sie sollen an den Außengrenzen
unter haftähnlichen Bedingungen drei Monate untergebracht werden
können. Im Krisenfall könnte dieser Zeitraum noch verlängert werden.
Regulär soll dann binnen drei Monaten über ihren Asylantrag entschieden
sein. Im Fall eines negativen Bescheids werden die Menschen abgeschoben.
Die Abschiebung erfolgt dabei nicht zwangsläufig in das jeweilige
Heimatland, sondern auch in ein mögliches sicheres Drittland, über das
die Einreise in die EU erfolgte.

Über den sogenannten Solidaritätsmechanismus
soll zudem künftig die Verteilung von bis zu 30.000 Schutzsuchenden pro
Jahr innerhalb der EU neu geregelt werden. Länder, die keine dieser
Geflüchteten aufnehmen wollen, müssen im Gegenzug andere Staaten vor
allem finanziell unterstützen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte, die Reform stehe für „die Solidarität unter den europäischen Staaten“. Sie begrenze die irreguläre Migration und entlaste die Länder, die besonders stark betroffen seien.

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Was bedeutet die EU-Asylreform für geflüchtete Familien?

Die
Bundesregierung hatte in den Verhandlungen gefordert, Familien mit
Kindern aus humanitären Gründen von den Grenzverfahren auszunehmen.
Geschehen ist das nicht, auch Kinder könnten also unter haftähnlichen Bedingungen ausharren müssen. Ausgenommen sind
unbegleitete Minderjährige.

Die Bundesregierung steht dennoch hinter der Reform.
Bei der Umsetzung des neuen Asylsystems müsse nun umso mehr darauf
geachtet werden, „dass es fair, geordnet und solidarisch zugeht“, sagte
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne). Vor allem in ihrer Partei ist
die Reform heftig umstritten: Im Dezember verließen aus Protest sechs Mitglieder mit Fluchterfahrungen die Grünen.

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Welche Kritik gibt es an der Asylreform?

Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl
führt an, dass trotz der Reform „vieles beim Alten“ bleiben werde.
Grundprobleme des europäischen Asylsystems würden nicht gelöst. „Denn
weiterhin sind es die Außengrenzstaaten, die primär für die Durchführung
der Asyl(grenz)verfahren zuständig sind“, schreibt Pro Asyl.

Zudem würde durch die Reform die Möglichkeit eröffnet, dass Mitgliedstaaten
sich weitgehend aus dem Flüchtlingsschutz zurückzögen, indem sie
Nachbarländer oder andere Staaten entlang der Fluchtrouten als „sicher“
einstuften. „Das wird dazu führen, dass Menschen, die nach Europa
geflohen sind, ohne Prüfung ihrer tatsächlichen Fluchtgründe in diese
Länder abgeschoben werden“, schreibt Pro Asyl.

Die Deutsche Polizeigewerkschaft hält die neuen Vorschriften für „längst überfällig“ – erwartet für die Arbeit der Bundespolizei aber kaum Entlastungen. Der „Migrationsdruck nach Europa und insbesondere nach Deutschland“ werde hoch bleiben, sagte der Vorsitzende der Gewerkschaft, Heiko Teggatz. Es brauche „konsequente Zurückweisungen an den EU-Außengrenzen“. Die Bundespolizei müsse diese Kontrollen sonst an den deutschen Grenzen nachholen.

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Wie geht es nun weiter?

Die Umsetzungsfrist für die Reform soll zwei
Jahre betragen. In dieser Zeit sollen die Staaten an den Außengrenzen
die entsprechenden Einrichtungen aufbauen. Laut EU-Innenkommissarin
Ylva Johansson haben einige Mitgliedsstaaten bereits mehr oder weniger
mit der Umsetzung begonnen.

In Deutschland
werden laut Bundesinnenministerium voraussichtlich Anpassungen des
Asylgesetzes und des Aufenthaltsgesetzes notwendig. Gespräche mit den
anderen betroffenen Bundesressorts und den Ländern seien geplant.
Langfristig könnte die Asylreform dazu führen, dass in Deutschland weniger Asylanträge
gestellt werden. Auch, weil die strengeren Kontrollen an den
Außengrenzen abschreckend wirken könnten. Darauf hoffen neben den
Verhandlern auch CDU und CSU sowie Länder und Kommunen.

Im Europawahlkampf dürfte das Thema Migration nicht nur wegen parteiinterner Debatten weiter präsent sein: Zusätzlich zu der Reform wird in der EU über die Auslagerung von Asylverfahren diskutiert, wie von Italien und Albanien bilateral beschlossen. Das Abkommen sieht vor, aus dem Mittelmeer gerettete Migranten in neuen Aufnahmezentren in Albanien unterzubringen. Die Menschen würden also außerhalb der EU auf eine Entscheidung in ihrem Asylverfahren warten, ein Vorgehen, das international heftig umstritten ist. EU-Kommissionspräsidentin unterstützt solche Partnerschaften mit Nicht-EU-Staaten.

Mit Material der Nachrichtenagentur dpa

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