EU-Innenminister: So ringt Europa um Abschiebungen von Straftätern nachdem Afghanistan – WELT

Österreich drückt bei der Abschiebung von Kriminellen aus Syrien und Afghanistan aufs Tempo. „Dieses Thema werden wir beim Rat der Innenminister weiter vorantreiben. Am besten wäre eine europäische Lösung in dieser Frage“, sagte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) WELT. Es gehe darum, rechtliche Möglichkeiten zu finden, Terroristen und Kriminelle in ihr Heimatland zurückzubringen. „Das ist nicht einfach, aber notwendig“, betonte Karner.

Nach der tödlichen Messerattacke eines Afghanen auf einen Polizisten in Mannheim hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) angekündigt, die Abschiebung von Schwerstkriminellen nach Afghanistan und Syrien wieder ermöglichen zu wollen. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) prüft das derzeit. Seit der erneuten Machtübernahme der Taliban in Kabul im August 2021 gilt in Deutschland ein Abschiebestopp für Afghanen.

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Karner sagte zu den Plänen der Ampelkoalition: „Ich begrüße die Initiative der deutschen Bundesregierung, Straftäter und Terroristen nach Afghanistan abzuschieben. Ich habe die Diskussion bereits vor zwei Jahren begonnen.“ Es müssten Möglichkeiten geschaffen werden, wieder nach Syrien und Afghanistan abschieben zu können. „Deshalb ist es gut, dass hier endlich zusätzliche Bewegung in die Sache kommt und wir mit Deutschland einen starken Partner dazu bekommen“, so Karner.

Die in Afghanistan herrschenden islamistischen Taliban zeigen sich angesichts der in Deutschland neu entflammten Debatte um Abschiebungen von afghanischen Straftätern und Gefährdern offen für eine Zusammenarbeit. „Das Islamische Emirat Afghanistan fordert die deutschen Behörden auf, die Angelegenheit im Rahmen der üblichen konsularischen Beziehungen und eines geeigneten Mechanismus auf der Grundlage einer bilateralen Vereinbarung zu regeln“, teilte der Sprecher des Taliban-Außenministeriums, Abdul Kahar Balchi, kürzlich auf der Plattform X mit.

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Das Auswärtige Amt warnt dagegen vor einer Zusammenarbeit mit den Islamisten. „Wie will man mit einem islamischen Terrorregime zusammenarbeiten, mit dem wir gar keine Beziehungen haben?“, fragte Außenministerin Annalena Baebock (Grüne). Wie andere europäische Partner habe Deutschland auch keine Botschaft vor Ort, die Rückführungen begleiten könnte. „Nicht zuletzt schulden wir es den Opfern, dass die Täter für ihre Strafe im Gefängnis büßen und Mörder nicht in Afghanistan auf freien Fuß gesetzt werden“, erklärte die Ministerin.

„Etwaige Rückführungen werden sich die Taliban mindestens durch internationale Anerkennung bezahlen lassen wollen“, betonte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin. „Und es ist nun mal Fakt, dass die Bundesregierung die De-facto-Regierung der Taliban in Afghanistan, genau wie jedes andere Land der Welt, nicht anerkennt und nicht mit ihr zusammenarbeitet“, ergänzte er. Es gebe nur punktuell in Einzelfällen Kontakt „auf technischer Ebene“.

Abschiebung auf Umwegen

Und die Warnungen über eine Zusammenarbeit mit den Islamisten am Hindukusch, die international isoliert sind, kommen nicht nur aus dem Auswärtigen Amt. Die Taliban könnten von Abschiebungen profitieren, indem sie diese als Möglichkeit für eine Zusammenarbeit mit einem westlichen Staat nutzten, meint etwa Afghanistan-Experte Thomas Ruttig. Auch Vertreter der Grünen lehnen Abschiebungen von Afghanen und eine Kooperation dafür mit den Taliban ab oder stehen dem Vorhaben skeptisch gegenüber.

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Ein Umweg über Nachbarländer Afghanistans wie Pakistan wird derzeit ebenfalls von der Bundesregierung erwogen. Diese Möglichkeit schließen die Taliban jedoch offensichtlich aus. Auslieferungen an Drittstaaten seien ein Verstoß gegen geltende Konventionen, hob der Sprecher des afghanischen Außenministeriums in seiner Mitteilung hervor.

Bislang hat kein Land die Taliban-Regierung offiziell anerkannt. Westliche Staaten fordern für eine Anerkennung unter anderem die Einhaltung von Menschen- und vor allem Frauenrechten in dem Land. Andere Staaten, vor allem Nachbarländer, haben sich gleichwohl für einen pragmatischeren Umgang mit den Islamisten ausgesprochen.

Source: welt.de