EU-Gipfel: Merz irritiert in Brüssel mit Mercosur-Äußerungen

Bundesumweltminister Carsten Schneider (SPD) sieht in den Beschlüssen der EU-Staats- und -Regierungschefs zum Klimaschutz in der Gipfelnacht von Donnerstag auf Freitag ein „wichtiges Signal“ für das außerordentliche Treffen der Umweltminister am 4. November. Die Umweltorganisation Germanwatch sprach am Freitag von einem „hinreichend starken Mandat, um vor dem Weltklimagipfel in Brasilien Nägel mit Köpfen zu machen und ein 90-Prozent-Klimaziel für 2040 zu beschließen“.
Allerdings gibt es weiter Streit um die Frage, wie viele Klimaprojekte in Drittstaaten auf das Ziel angerechnet werden können sollen. Ländern wie Frankreich reichen die von der EU-Kommission vorgeschlagenen drei Prozentpunkte „Flexibilität“ nicht. Die Kommission gesteht zwar ein, dass Klimaschutz solcher Art außerhalb Europas deutlich günstiger wäre, argumentiert aber, es gebe nicht genügend geeignete Projekte, weshalb der Anteil möglichst niedrig gehalten werden müsse.
Verbrenner-Aus wird nur kurz erwähnt
Konkrete Zahlen oder Minderungsziele finden sich in der Abschlusserklärung weder für das Jahr 2040 noch für das Jahr 2035. Die EU hätte ein Zwischenziel für 2035 (NDC) eigentlich schon vor Monaten beim Klimasekretariat der Vereinten Nationen einreichen sollen. Knapp drei Wochen vor der 30. UN-Klimakonferenz im brasilianischen Belém steht die EU nun immer noch mit leeren Händen da. Polen schaffte es auf dem EU-Gipfel zudem überraschend, eine Forderung nach einer Überprüfungsklausel in die Abschlusserklärung hineinzuverhandeln.
Das von Bundeskanzler Friedrich Merz immer wieder lautstark geforderte „Aus vom Verbrenner-Aus“ wird in der Abschlusserklärung nur in einem Satz erwähnt. Darin begrüßen die Staats- und Regierungschefs die Ankündigung der Kommission, bis zum Jahresende Vorschläge zur Überarbeitung der Flottengrenzwerte vorzulegen, und weisen auf die Rolle von Technologieneutralität und europäischen Komponenten hin. Der slowakische Regierungschef Robert Fico hatte zu Beginn des Gipfels erklärt, er sei sich nach einem bilateralen Treffen mit Merz einig gewesen, dass „dieses Verbot“ überarbeitet werden solle. Frankreich und Spanien warnen hingegen davor, es aufzuweichen.
Die Vorschläge der Kommission zur Senkung der Preise im europäischen Emissionshandel für Verkehr und Gebäude, der 2027 eingeführt werden soll, begrüßte Merz ausdrücklich. Der Europaabgeordnete Michael Bloss (Grüne) sagte, der Beschluss der Mitgliedstaaten „verhindert das Schlimmste, aber er macht es dem Klimaschutz unnötig schwer“. Statt den wirtschaftlichen Umbau mutig voranzutreiben, werde an zentralen Klimainstrumenten geschraubt.
Sondergipfel im Februar
Merz sagte weiter, auf seinen Vorschlag sei beschlossen worden, einen Sondergipfel im Februar ausschließlich der Wettbewerbsfähigkeit zu widmen. Freilich spielte diese am Ende eine nachgeordnete Rolle. Schon früh am Abend billigten die Staats- und Regierungschefs die vorformulierte Schlusserklärung, in der es unter anderem hieß, die EU müsse Verwaltungs-, Regulierungs- und Berichtspflichten für Unternehmen und öffentliche Verwaltungen dringend drastisch reduzieren.
Eine europäische Reaktion auf die chinesischen Exportkontrollen kritischer Rohstoffe spielte auf dem Gipfel nur am Rande eine Rolle. Die Staats- und Regierungschefs forderten die Kommission auf, „alle wirtschaftlichen Instrumente der EU“ einzusetzen, um „unlautere Handelspraktiken zu verhindern und ihnen entgegenzuwirken“. Sie betonten zudem die Notwendigkeit, europäische Technologiekapazitäten aufzubauen und die Bezugsquellen für kritische Rohstoffe zu diversifizieren, um weniger abhängig von China zu werden.
Für Verwirrung sorgte Merz mit der Behauptung, die Staats- und Regierungschefs hätten auch die Verabschiedung des Freihandelsabkommens mit den Mercosur-Staaten beschlossen. „Wir haben darüber abgestimmt“, sagte er. „Alle waren dafür.“ Das Abkommen, über das seit 25 Jahren verhandelt wird, müsse jetzt nur noch vom Europaparlament „ratifiziert“ werden. Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron äußerte sich anders. Zwar sagte auch er, man sei in den Verhandlungen über „Vorkehrungen“ für die Landwirtschaft gut vorangekommen, diese seien aber noch nicht beendet. Die nationalen Parlamente, die den Vertrag alle ratifizieren müssen, haben das noch nicht alle getan. Ratspräsident António Costa stellte später klar, er habe lediglich die Regierungschefs gebeten, mit ihren Botschaftern zu sprechen, um die technischen Probleme mit den Übersetzungen zu lösen, damit das Abkommen noch in diesem Jahr unterzeichnet werden könne. „Aber das war es. Wir haben darüber nicht diskutiert. Wir haben keine Entscheidungen getroffen.“ Ein Sprecher der Bundesregierung bestätigte diese Darstellung.