EU-Gipfel: Friedrich Merz hat sich wieder einmal zu weit aus dem Fenster gelehnt

Der Europäische Rat schreckt dann doch davor zurück, sich zur Ukraine-Hilfe bei russischen Staatsgeldern zu bedienen. Wie sich zeigt, sind die USA mit ihrem Part in diesem Konflikt nicht zu ersetzen


Am 18. Dezember ging Friedrich Merz noch davon aus, dass die EU russisches Staatsvermögen zur Ukraine-Finanzierung nutzen würde

Foto: Thierry Monasse/Getty Images


Friedrich Merz wie Ursula von der Leyen haben mit dem Feuer gespielt und sich die Finger verbrannt, ohne dass Russland viel tun musste. Am eigenen Lager und an den eigenen Leuten sind sie gescheitert. Da lässt sich mit rhetorischem Balsam nicht zukleistern. Man denke an Friedrich Schiller: „Ich merkt es wohl, vor Tische las man’s anders.“

Belgien als das maßgebende Depotland russischer Auslandsvermögen hat Merz und von der Leyen genauso auflaufen lassen, wie das Frankreich und Italien taten, indem sie sich weigerten, Risikobürgschaften einzugehen. Bulgarien, Malta, Ungarn, die Slowakei und Tschechien wollten sich von vornherein nicht dafür vereinnahmen lassen, Recht zu brechen, indem Eigentumsgarantien für Kapitaldepots eklatant missachtet werden.

Schon ein wenig vorausschauendes Denken und ein Blick auf die Frontlage hätten hilfreich sein können

So bleibt es dem deutschen Kanzler vorerst verwehrt, sich an russischem Geld zu bedienen, um der Ukraine die Kriegsfähigkeit zu erhalten. Schon ein wenig vorausschauendes Denken, das diesem Regierungschef – wie sich zum wiederholten Male erneut zeigt – fremd oder suspekt zu sein scheint, oder ein Blick auf die Frontlage hätten zur Vorsicht gemahnt.

Nicht nur in rechtlicher, auch in politischer Hinsicht waren Warnzeichen gesetzt. Das Europa der Ukraine-Willigen hätte mit dem Griff nach fremdem Geld dieser Herkunft zu verstehen gegeben, dass es nicht mehr darauf ankommt, ob die Beziehungen mit Russland schwer zerrüttetet oder weitgehend zerstört sind. Und das soll dem Frieden dienen?

Dass nun die EU-Kommission einspringen muss, um der Ukraine Kredite von 90 Milliarden Euro für zwei Jahre zu garantieren, ist weniger ein Kompromiss als eine Notlösung, die klar hinter den Erwartungen von Wolodymyr Selenskyj zurückbleibt. Ein Staatsbankrott lässt sich hinausschieben, nicht aber mit der erhofften Intensität weiter Krieg führen. Merz hat erreicht, was er garantiert nicht wollte: Sein Debakel führt der EU vor Augen, dass sie die USA im Ukraine-Konflikt weder ersetzen, geschweige übertreffen kann.

Es war von vornherein ein Zeichen von Schwäche, der Idee zu verfallen, sich russischer Gelder zu versichern und dadurch zu offenbaren, wie eng doch die finanziellen Spielräume geworden sind. Man kann sich den Krieg in Wirklichkeit nicht mehr leisten. Fürchtet aber das Eingeständnis, dass die EU, als geopolitisches Schwergewicht gefordert, eben doch überfordert ist.

Die Trump-Regierung will Kiew die Kriegsfähigkeit beschneiden und so Konzessionen erzwingen

Insofern kann sich der letzte Europäische Rat des Jahres 2025 wenigstens eines zugutehalten: Der Dissens mit den USA über den Umgang mit der Ukraine wird nicht weiter angeheizt. Vor dem Gipfel war klar zu erkennen, dass sich zwei Konzeptionen gegenüberstehen.

Die Trump-Regierung will Kiew die Kriegsfähigkeit beschneiden und so Konzessionen erzwingen, die zu einem Friedensschluss mit Russland führen können. Der Teil Europas, dem sich Friedrich Merz als Anführer aufdrängt, will das Gegenteil, nämlich den Erhalt ukrainischer Kriegsfähigkeit – und zwar in einem solchen Maße, dass Russland früher oder später Zugeständnissen machen muss, die seine derzeitigen Positionen abschwächen.

Wie realistisch das ist, sei dahingestellt. Aber es muss ja wohl von Merz als denkbares, vor allem machbares Szenario gesehen werden. Worin sollte sonst der Sinn bestehen, Selenskyj weiterkämpfen zu lassen, wenn nicht in der Annahme eines solchen Ausgangs?

Wer kann die Ukraine allen Ernstes darin bestärken, den Krieg fortzusetzen, damit sie noch mehr verliert, als sie schon verloren hat. Augenscheinlich sind in der EU, besonders in der deutschen Politik, Leute am Werk, die das Eingeständnis einer Niederlage und des eigenen Versagens hinauszögern und andere dafür bluten zu lassen. Ihnen ein zynisches Kalkül zu bescheinigen, ist nicht übertrieben. Bei einem Politiker wie Friedrich Merz kommt erschwerend hinzu, auch handwerklich ein grotesker Ausfall zu sein.