ETF-Geldanlage: In diesen turbulenten Zeiten zu tun sein Anleger ihre Risiken besser streuen

Viele Jahre ging für ETF-Anleger die Rechnung gut auf, Geld in den MSCI World zu investieren und die Anlage einfach laufen zu lassen. Sie profitierten überproportional von der steilen Wertentwicklung in Amerika, ohne speziell in amerikanische Unternehmenstitel investiert zu haben. Im vergangenen Jahr galt das in der Form nicht mehr. Zollankündigungen des US-Präsidenten Donald Trump sorgten im Frühjahr für Börsenturbulenzen, der schwache Dollar schmälerte für hiesige Anleger die Rendite. Angesichts der Marktdominanz einzelner Konzerne wie Nvidia wird es manchem Investor zusehends mulmig. Wie also in 2026 anlegen? Marktbeobachter und Branchenfachleute raten zu einer breiteren Diversifizierung – regional wie auch produktseitig.
„Die USA bleiben das Rückgrat vieler Depots, aber die extreme Konzentration auf einige wenige Mega-Caps ist ein Klumpenrisiko“, warnt Marcus Weyerer, ETF-Investment-Stratege für Franklin Templeton in Europa. Denn allein im bekannten MSCI World ist der Anleger mittlerweile zu gut 70 Prozent in amerikanische Titel investiert, vor zehn Jahren waren es noch rund 60 Prozent. Hinzu kommt, dass mittlerweile nur eine Handvoll großer Tech-US-Konzerne das Börsen- und Wirtschaftsgeschehen bestimmen. Die Marktbreite hat also zusehends abgenommen.
Es werden immer wieder Zweifel laut, wie lange die KI-Hausse dieser Konzerne noch gut geht oder angesichts astronomischer Unternehmensbewertungen und massiver Investitionen eine Blase zu platzen droht. „Die USA bleiben ein Hopp-oder-top-Markt, denn sehr viel hängt am Thema KI. Gibt es dort positive Nachrichten, wird massiv investiert. Mehren sich Zweifel, geht es in die andere Richtung“, sagt Stefan Kuhn, Europa-Verantwortlicher für den ETF-Vertrieb des Vermögensverwalters Fidelity.
Der US-Markt bleibe volatil. Der November sei der fünfte Monat des Jahres mit negativen Nettozuflüssen gewesen. Dennoch stehe auf Jahressicht ein Plus von mehr als 40 Milliarden Dollar, die Anleger in US-ETF investierten. Mit Blick auf 2026 sei das Vertrauen in die KI-Rally eine der zentralen Fragen für Anleger. „Wir sind konstruktiv, was die Entwicklung des US-Marktes 2026 angeht – zumindest für die erste Jahreshälfte. Insofern spricht viel dafür, dass wir heute in einem Jahr mehr grüne als rote Monatszahlen auf US-ETF sehen werden“, sagt Kuhn in seiner aktuellen ETF-Einschätzung.
Reform- und Technologieländer in den Blick nehmen
Zwar lieferten die Tech-Konzerne robuste Gewinne ab, gleichzeitig sei die Bewertung des amerikanischen Marktes im historischen wie internationalen Vergleich ambitioniert, heißt es hingegen beim Vermögensverwalter Franklin Templeton. „Bewertungsseitig sprechen gute Argumente dafür, einen Teil des US-Gewichts in Regionen wie die Schwellenländer umzuschichten“, rät Investment-Stratege Weyerer. Denn die seien nach Jahren im Schatten der USA wieder im Rampenlicht aufgetaucht und lagen in diesem Jahr teilweise mehr als 30 Prozent im Plus.
Besonders im Fokus stehen für den Manager Reform- und Technologieländer wie Indien, Korea oder Taiwan, aber auch rohstoffreiche Staaten wie Brasilien. Dort träfen moderates Bewertungsniveau, strukturelles Wachstum und Rückenwind durch die Geldpolitik aufeinander. „ETF sind längst nicht mehr nur das Vehikel für den breiten MSCI World. Gerade in den Schwellenländern nutzen viele Investoren sie, um ein Kerninvestment mit klaren Länderakzenten zu kombinieren“, sagt Franklin-Templeton-Manager Martin Bechtloff, verantwortlich für das ETF-Geschäft in Deutschland und Österreich. Zu der großen Unsicherheit kam in diesem Jahr die Dollar-Schwäche, die hiesige Anleger, die in amerikanische Aktien und Anleihen investiert waren, ebenfalls betraf. Denn der schwächere Dollar wirkte sich unmittelbar auf die in Euro gerechnete Rendite aus. Das Thema Währungsabsicherung bekam für viele Anleger – gerade auch solche des MSCI World – damit einen neuen Stellenwert.
Beim Branchenriesen Blackrock zeigte sich das unter anderem in europäischen Aktien-ETF, in denen man stärkere Zuflüsse als in den Vorjahren gesehen habe. „Wir sehen, dass Privatinvestoren beispielsweise in den Euro Stoxx 50 anlegen, um ihr hohes US-Gewicht auszugleichen. Das könnte auch 2026 anhalten“, sagt Blackrock-Manager David Wenicker, der in Deutschland das Geschäft mit Vertriebspartnern leitet.
Alternative Gewichtungsstrategien analysieren
Außerdem machte sich das in Produkten bemerkbar, die eine andere Gewichtungsstrategie verfolgen. „Der klassische, marktkapitalisierte Ansatz bleibt für viele Anleger der Standard – aber wir sehen seit einiger Zeit wachsendes Interesse an alternativen Gewichtungsstrategien wie Equal-Weight- oder Capped-Indizes“, sagt Wenicker. Hintergrund sei die außergewöhnlich starke Konzentration in globalen Leitindizes. Bei einem Equal-Weight-Ansatz werden alle enthaltenen Titel gleich stark gewichtet, die Tech-Konzerne verlieren an Dominanz. „Zyklischere Sektoren dagegen gewinnen an Gewicht. Das führt zu einem deutlich anderen Risikoprofil und eröffnet langfristig potentielle Diversifikationseffekte“, erklärt er. Im Umkehrschluss müssen Anleger dafür aber in Kauf nehmen, gegenüber dem Vergleichsmaßstab im Zweifel weniger Rendite zu erzielen.
Bei ETF mit einem „gekappten Index“ darf kein Einzeltitel einen festgelegten Grenzwert überschreiten. So bietet Blackrock beispielsweise einen ETF auf den amerikanischen Industriewerte-Index S&P 500 an, der zwar den Index grundsätzlich nachbildet, einzelne Aktien sind jedoch bei einem Anteil von drei Prozent gekappt, „Ausreißer“ werden damit in ihrem Einfluss begrenzt.
Beim Wettbewerber Vanguard hat man schon in diesem Jahr beobachtet, dass viele Investoren sich breiter aufgestellt haben. „2025 war ein gutes Jahr, wenn man breit diversifiziert angelegt war“, sagt Fabian Behnke, Leiter strategische Kunden in Deutschland. Die Zollankündigungen im Frühjahr hätten zu Rücksetzern geführt. Vor allem deutsche Privatanleger hätten die extreme Unsicherheit und hohe Volatilität aber genutzt und nachgekauft. „Globale Aktien-ETF wurden damals massiv gekauft. Diese breite Diversifizierung ist zwar relativ langweilig und banal, hat aber sehr gut funktioniert. Das sehen wir auch 2026“, sagt Behnke. Aus Sicht des Vermögensverwalters macht es dabei zunehmend Sinn, sich nicht zu sehr auf aktienbasierte Produkte zu konzentrieren.
Risiken aus dem Portfolio nehmen
„Wir gehen davon aus, dass die Aktienrenditen der Vergangenheit in den kommenden zehn Jahren so nicht mehr zu erzielen sind“, mahnt Behnke. Man rechne mit gut fünf Prozent Rendite für globale Aktien und mit rund drei Prozent Rendite für globale Anleihen. „Für einen risikobewussten Anleger macht eine Beimischung von Anleihen Sinn“, sagt er. Anleihen erzielten eine prognostizierbare Rendite, die über der Inflation liege. „Es ist also ein Sicherheitsanker im Portfolio. Wenn man als Anleger über so viele Jahre eine tolle Aktienrendite hatte, dann ist der Zeitpunkt gekommen, etwas Risiko aus dem Portfolio zu nehmen. Wir werden uns mit entsprechenden Produkten auf der Anleihen-Seite vorbereiten.“ Das gelte auch für Multi-Asset-ETF, in denen Anleihen enthalten seien. Auch Wettbewerber Blackrock hatte im vergangenen Jahr schon einige neue iBonds, so der Markenname der Anleihe-ETF, auf den Markt gebracht. Weitere dürften folgen.
Ob Anleger auf bestimmte Themen, wie aktuell Rüstung, setzen sollten, da gehen die Meinungen seit jeher auseinander. Es kommen immer wieder neue Produkte auf den Markt. „Statistisch ist es erwiesenermaßen so, dass viele solcher Themen-ETF aufgelegt werden, wenn die Themen ihren Zenit erreicht haben“, sagt Vanguard-Manager Behnke. Anleger steigen also zu spät ein. Hinzu kommt, dass üblicherweise vergleichsweise wenig Titel enthalten sind. Vor einigen Jahren war beispielsweise das Thema Clean Energy in aller Munde, bevor es wieder abflaute und mehr oder minder in der Versenkung verschwand. „Grundsätzlich geht es bei Themen-Investments darum, langfristige strukturelle Trends abzubilden. Da muss man als Anleger hier und da eine größere Volatilität einkalkulieren“, sagt Blackrock-Manager Wenicker.
Source: faz.net