Essay | Sehen lernen: Deutsche Theater trainieren Selbstkritik

Neuer Naturalismus und Verdopplung à la Platon: Wie die Theater beginnen, ihre gesellschaftliche Rolle neu zu reflektieren


Bewusst hölzern trotz lässiger Haltung: Samuel Santangelo bekommt in „Die Erziehung des Rudolf Steiner“ den Text eingesagt

Foto: Thomas Aurin


Glaubt nicht, was ihr seht! Ihr alle beschaut nur den Schein des Scheins des Scheins! So ließe sich die Botschaft von Platons Höhlengleichnis zusammenfassen. Dass sich diese Erkenntnistheorie ebenso als Theatertheorie lesen lässt, stellt die Uraufführung des Stücks Die Erziehung des Rudolf Steiner am Schauspiel Stuttgart unter Beweis. Die Hauptfrage: Worin besteht die Wirklichkeit? Oder die Wirklichkeiten? Jenseits der sichtbaren gibt es – so das Credo des Abends – noch eine unsichtbare Welt. Ihrer gewahr zu werden, erfordert eine besondere Form des Sehens, eine, die letzthin nur die Bühne zu vermitteln weiß.

Sehen lernen – so lässt sich beschreiben, was sich derzeit an einigen Theatern als Tendenz abzeichnet. In den vergangenen Jahr