„Es ist Habeck, dieser die Wirtschaft in dieser Rezession gefangen hält“

Politiker preisen Familienunternehmen als „Rückgrat der deutschen Wirtschaft“. Einer Umfrage zufolge drosseln sie nun wegen „Unberechenbarkeit“ der Politik die Investitionen. Die Stimmung ist auf einem Tiefpunkt – noch düsterer als in Corona-Zeiten.

Fünf Tage vor dem Industriegipfel kommt ein Aufschrei jener Unternehmen, die beim Kanzler nicht mit am Tisch sitzen. Die Lage unter Deutschlands Familienunternehmen ist noch düsterer als zum Zeitraum der Corona-Schließungen. Eine Hauptklage der Unternehmen, die Politiker gerne als „Rückgrat der deutschen Wirtschaft“ bezeichnen, ist ausgerechnet die Politik selbst.

Das geht aus der aktuellen Quartalsumfrage der Familienunternehmer und der Jungen Unternehmer unter 820 Firmenchefinnen und Firmenchefs in Deutschlands Anfang Oktober hervor. Darin nennt jeder Zweite die „Unberechenbarkeit der Wirtschafts- und Finanzpolitik“ als Investitionshemmnis. Die überbordende Bürokratie halten sogar 60 Prozent für einen Hemmschuh.

Das hat konkrete Auswirkungen auf Investitionen und Arbeitsplätze im Land. 49 Prozent der Unternehmen wollen der Umfrage zufolge gar keine Investitionen mehr tätigen, nicht einmal mehr Ersatzinvestitionen. Nur noch 18 Prozent planen, ihr Unternehmen durch Investitionen zu erweitern. Lediglich 16 Prozent wollen die Anzahl ihrer Arbeitsplätze erhöhen. Das sind die niedrigsten Werte seit Beginn der Quartalsumfragen im Jahr 2010.

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„Die Unternehmer, die in diesem Jahr nicht investieren, werden im kommenden Jahr auch nichts Zusätzliches produzieren – jedenfalls nicht in Deutschland. Mit der bisherigen Wirtschaftspolitik wird das noch schlimmer statt besser“, sagte die Präsidentin der Familienunternehmer, Marie-Christine Ostermann. Sie macht Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) für das mangelnde Wirtschaftswachstum verantwortlich: „Es ist Habeck, der die Wirtschaft nun schon im zweiten Jahr in der Rezession gefangen hält.“

Was die „Unberechenbarkeit der Wirtschafts- und Finanzpolitik“ betrifft, die die Unternehmer beklagen, scheint so schnell keine Abhilfe in Sicht. Im Gegenteil: In den vergangenen Tagen stellten Regierungsmitglieder aus unterschiedlichen Parteien unterschiedliche und offensichtlich unabgesprochene Vorschläge vor, um die Wachstumsschwäche der deutschen Wirtschaft zu bekämpfen.

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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) lädt am kommenden Dienstag zum „Industriegipfel“ ins Kanzleramt. Er will mit Industrie- und Gewerkschaftsvertretern einen „Pakt für Industriearbeitsplätze“ schließen. Handwerker, kleinere Familienunternehmen oder Start-ups sitzen bei dem Gipfel nicht mit am Tisch.

„Robert Habeck fordert eine fundamental andere Wirtschaftspolitik für Deutschland“

Am Mittwoch dieser Woche stellte Wirtschaftsminister Habeck (Grüne) eine „Modernisierungsagenda“ für Deutschland vor. Darin ist auch ein schuldenfinanzierter Fonds für Investitionen und Infrastruktur vorgesehen.

Der wiederum war offensichtlich nicht mit dem Bundesfinanzminister abgesprochen. Christian Lindner (FDP) kritisierte noch am selben Abend vor seinem Flug zur Herbsttagung des Internationalen Währungsfonds (IWF): „Der Bundeswirtschaftsminister hat nicht einfach einen Vorschlag in die Debatte eingebracht, Robert Habeck fordert eine fundamental andere Wirtschaftspolitik für Deutschland. Das ist schon ein Hammer.“ Es seien unter anderem europäisches Beihilferecht und Fiskalregeln zu beachten. „Wir können schlicht nicht einfach so viel Geld ausgeben, wie manche wollen.“

Im Gespräch mit WELT hatte der Konjunkturchef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Stefan Kooths, nicht zuletzt die Politik der Bundesregierung für die aktuelle Wirtschaftsschwäche in Deutschland verantwortlich gemacht. „Die grassierende Unsicherheit führt bei Unternehmen zu Investitionsattentismus“, wie er dies nennt. Auch private Verbraucher hielten ihr Geld stärker zusammen. Die Politik müsse sich grundsätzlich ändern, forderte der Ökonom: „Weg vom interventionistischen Klein-klein mit Subventionen für einzelne Branchen und Unternehmen, hin zu einer Politik, die insgesamt den Standort stärkt“.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hatte am Dienstag dieser Woche seine Erwartungen an das deutsche Wirtschaftswachstum gesenkt. Er traut Deutschland in diesem Jahr nur noch eine Stagnation zu, im Jahr 2025 dann ein schwaches Wachstum von 0,8 Prozent. Damit ist Deutschland im kommenden Jahr zusammen mit Italien Schlusslicht unter den sieben führenden Industrienationen.

Inga Michler ist Wirtschaftsreporterin bei WELT und moderiert Wirtschaftskongresse. Die promovierte Volkswirtin berichtet über ökonomische Transformation, künstliche Intelligenz, Nachhaltigkeit, Familienunternehmen, Philanthropie und Leadership.

Source: welt.de