„Es ist ein Männerproblem, verfickt nochmal!“ – Jan Fleischhauer feiert Zweites Deutsches Fernsehen-Einstand

Mit „Keine Talkshow – Eingesperrt mit Jan Fleischhauer“ will das ZDF dem konservativen Teil des Publikums eine Stimme geben. Zur Premiere erschien die Linguistin Reyhan Şahin, die den Gastgeber immer wieder als Rassisten schmähte.

Das ZDF möchte sich breiter aufstellen. Schon im vergangenen Jahr hatten Branchendienste spekuliert, dass ein Format mit dem konservativen Kopf Jan Fleischhauer in Planung sei. „In Zeiten polarisierter Positionen ist es wichtig, dass wir im Gespräch bleiben. Deshalb wollen wir neue Formate erproben“, erklärte nun ZDF-Chefredakteurin Bettina Schausten zur Produktion „Keine Talkshow – Eingesperrt mit Jan Fleischhauer“, deren erste Ausgabe am Freitag in der Mediathek des Senders online gegangen ist. Ziel sei es, zu zeigen, „dass Debattieren Spaß machen kann – auch wenn die Meinungen weit auseinanderliegen“.

Das Gespräch zwischen Fleischhauer und seinem Gast – oder besser Kontrahenten – findet in einem betongrauen Studioset mit rechteckigem Grundriss statt. Wie zum Duell betreten beide dieses von gegenüberliegenden Seiten. „Sie können die Türen nicht öffnen und haben keinen Kontakt zur Außenwelt“, behauptet die ZDF-Produktion in einer Einblendung. Das ganze Prozedere spielt ein wenig mit dem Bild des auch beim US-Präsidenten beliebten Vollkontakt-Kampfsports im Oktagon. Fleischhauer zeigt sich jedenfalls im MMA-Modus: „Wenn du irgendwann im Fight bist, dann denkst du nicht daran: Da ist eine Kamera und da ist eine Kamera. Dann siehst du nur noch dein Gegenüber.“

Für seinen ersten verbalen Ringkampf zum Thema Integration und Kulturclash hat sich Fleischhauer die Linguistin Reyhan Şahin ausgesucht. Einst bekannt geworden als Rapperin mit pornografischer Schlagseite hat sie später unter dem Titel „Die Bedeutung des muslimischen Kopftuchs in Deutschland“ ihre Promotion absolviert. Sie freue sich darauf, „Fleischi“ zu sehen, sagt sie im Vorgespräch. „Jan Fleichhauer ist für mich der Inbegriff des alten weißen Mannes und der Vater der Boomer-Generation“, fügt sie weniger schmeichelhaft an.

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Bereits im Einzelgespräch erklärt Şahin, sich häufiger an seinen „rassistischen Aussagen“ zu stören. Jan Fleischhauer antizipiert das korrekt. Da er sich relativ kritisch zum Verhalten türkischer und arabischer Jugendlichen äußere, könne er sich vorstellen, dass die Linguistin die Ansicht vertrete, dass er „alles verkörpere“, was sie ablehne. „Also die ganze vorurteilsbehaftete, rassistische Mehrheitsgesellschaft.“

Es entbehrt nicht einer gewissen Komik, wenn von den vorab geführten Interviews im Trashtalk-Stil von Boxkämpfen in den metaphorischen Ring geschnitten wird – und beide zögerlich, beinahe schüchtern aufeinandertreffen. „Ich hatte das Gefühl, er wollte gar nicht so schnell zum Thema kommen“, kommentiert Şahin in einem weiteren, später geführten Einzelgespräch die erste Begegnung. „Keine Talkshow“ erinnert nun beinahe an ein Dating-Format. „Wir kommen nicht mehr raus“, erklärt Fleischhauer belustigt. „Du kommst nicht mehr raus“, korrigiert ihn die Linguistin. „Für mich ist das kein Problem. Du entkommst mir nicht.“ Beide lachen.

So amüsant der Wechsel von den Studioaufnahmen zum Reality-TV-Element der Einzelinterviews mitunter wirkt, so dient er doch auch dazu, jene Punches zu setzen, die den Teilnehmern im Debatten-Boxring misslungen sind. Fleischhauer skizziert etwa das Problem mangelnder Sprachkenntnisse. 40 Prozent der Kinder wiesen einen Migrationshintergrund auf, erklärt er Şahin. Ein Großteil dieser könnten zum Schulbeginn kaum Deutsch sprechen. Sie setzt dem ihre eigene Biografie entgegen und verweist auf ihr akademisches Umfeld. „Du hast gar keinen Bezug zu der Lebenswelt von solchen Menschen“, wirft sie ihm vor. „Oder kennst du jemanden, der hier geboren und aufgewachsen ist mit Migrationsgeschichte, mit dem du eng befreundet bist?“

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Statt einer Antwort erfolgt der Schnitt zum anschließend geführten Einzelgespräch, in dem er nachliefert, was ihm in der direkten Konfrontation offensichtlich nicht eingefallen ist: „Um zu beurteilen, wie der Bildungserfolg bestimmter ethnischer Gruppen in Deutschland ist, reicht es halt nicht, dass ich sie kenne und noch drei andere, sondern entscheidend ist: Was sagt die Bildungsforschung?“, führt der Journalist aus. Im Eins-gegen-eins verteidigt er sich hingegen, indem er auf Kolleginnen verweist, die es trotz ähnlicher Startbedingungen „geschafft haben“. Die Reality-TV-Komponente fungiert quasi als der fehlende Schlüssel, um sich aus dem Set zu stehlen und regelwidrig Treffer zu setzen.

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Fleischhauer konfrontiert sie auch mit dem Umgang von Migranten mit Frauen. Während Deutsch-Chinesen oder Deutsch-Vietnamesen ihre Finger bei sich behielten, fänden Übergriffe in der Regel durch Menschen mit arabischem Hintergrund statt. Şahin kontert mit dem Verweis auf eine Umfrage unter Kellnerinnen des Oktoberfestes, die zu 76 Prozent angegeben haben, auf dem Volksfest sexuelle Belästigung erfahren zu haben. „Du willst mir doch nicht sagen, dass das Ahmed, Davud und Mehmet waren? Das sind weiße Bayern, besoffene Weiße sind das“, hielt sie dem Journalisten lautstark vor. „Sexismus, sexuelle Übergriffe oder Patriarchat ist kein Ausländerproblem. Es ist ein Männerproblem, verfickt nochmal!“

Wahrhaftige Momente produziert das Format nur selten, etwa wenn Şahin jegliche Chancengleichheit negiert oder die Stationen ihrer Bildungskarriere auflistet und sich trotzdem frustriert zeigt. „Denkst du, ich fühle mich, als ob ich dazugehöre?“, fragt sie den Journalisten. „Ich fühle mich nicht integriert.“ Das liege ihrer Ansicht nach auch an Fleischhauer, den sie für seine als AfD-nah empfunden Aussagen rügte. Wiederholt attackiert sie ihn wenig zielführend mit Ad-hominem-Argumenten. Er sei ein „alter weißer Mann“, der „verwirrt“ sei, nicht mehr mitkomme und mit seinen „rassistischen Aussagen“ nur Öl ins Feuer gieße.

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Gegen Ende der ersten Ausgabe verlassen beide das Set durch getrennte Türen. „Wie? Müssen wir jetzt getrennt wieder raus, oder was? Das ist ja wie bei den Islamisten hier!“, ruft sie mit gespielter Empörung aus. In der abschließenden Bewertung zeigen sich beide überaus versöhnlich. „Bisschen Herz habe ich auch gespürt bei dem“, resümiert Şahin, als hätte die Begegnung eher als Blind Date fungiert, statt zur politischen Debatte. „Ich finde sie sympathisch“, lässt Fleischhauer die Zuschauerschaft wissen. „Auf einer persönlichen Ebene habe ich gleich gemerkt, ich würde mich auch sofort wieder mit der hinsetzen und ein Bier trinken.“

Source: welt.de