Erschwinglichkeit: Erschwinglichkeit wird zur neuen sozialen Frage

Die Frage, ob Menschen sich ihr
Leben noch leisten können, ist längst zu einer der wichtigsten politischen und
gesellschaftlichen Fragen in vielen westlichen Demokratien geworden. Dass diese
Frage auch bei Wahlen entscheidend sein kann, haben wir Anfang November in New
York City gesehen, als Zohran Mamdani mit diesem Thema zum Bürgermeister der
US-Metropole gewählt wurde.

In den USA prägt das Thema affordability,
also die Erschwinglichkeit des Lebens, die politische Debatte. Die rasant gestiegenen
Lebenshaltungskosten spalten auch unser Land – ökonomisch und politisch. Die
Kombination aus hohen Mieten, stark gestiegenen Energiepreisen und teuren
Lebensmitteln trifft vor allem die Mitte der Gesellschaft und die ärmeren
Haushalte. Sie nagt an der ökonomischen Sicherheit und am gesellschaftlichen
Vertrauen. Doch es geht um weit mehr als Preise an der Supermarktkasse oder
Heizkostenabrechnungen. Es geht um das Gefühl, dass Leistung sich nicht mehr
lohnt, dass der eigene Lebensstandard bedroht ist und dass die Politik die
Sorgen vieler Menschen nicht mehr wahrnimmt.

Inflation trifft die Schwächsten am härtesten

Die wirtschaftliche Entwicklung
der letzten vier Jahre hat tiefe Spuren hinterlassen. Zwar sind die
Inflationsraten inzwischen gesunken, doch die Preise bleiben auf einem hohen
Niveau. Der entscheidende Punkt ist: Menschen mit geringem Einkommen haben
eine viel höhere persönliche Inflationsrate erlebt – teilweise
das Drei- bis Vierfache der offiziellen Rate
.
Denn sie geben einen großen Teil ihres Einkommens für Grundbedürfnisse aus –
für Lebensmittel, Energie, Miete und Mobilität –, und genau hier sind die
Preise besonders gestiegen.

Wir wissen aus Befragungen, dass bis
zu 40 Prozent der Haushalte kaum Ersparnisse haben. Sie können steigende Kosten
nicht durch Rücklagen abfedern. Für sie bedeutet jeder Preisschub eine
unmittelbare Bedrohung ihrer Existenz. Die Folge: Immer mehr Menschen müssen
jeden Euro zweimal umdrehen, verzichten auf Kultur, Freizeit, gesunde Ernährung
– und verlieren Vertrauen in Politik und Institutionen.

Die Inflation ist damit auch ein
verteilungspolitisches Problem. Sie wirkt wie eine versteckte Steuer, die vor
allem jene trifft, die ohnehin wenig haben. Der Staat profitiert hingegen von
steigenden Steuereinnahmen, weil höhere Preise auch höhere
Mehrwertsteuereinnahmen bedeuten. Auch viele große Konzerne konnten ihre
Gewinne in der Inflationsphase deutlich steigern, während kleine Unternehmen
und Verbraucher unter den Preissteigerungen litten. 

Diese Entwicklung ist gefährlich.
Es entsteht Frust – und dieser Frust sucht sich politische Ventile. In den
unteren Einkommensgruppen und in der Mittelschicht wächst das Gefühl, abgehängt
zu werden, während andere profitieren. Genau dieser Vertrauensverlust hat in
vielen westlichen Demokratien zu einem Rechtsruck beigetragen. So war der Vertrauensverlust in den Staat – gekoppelt mit massiv
gestiegenen Lebenshaltungskosten – einer der zentralen Gründe für die Wiederwahl
von US-Präsident Donald Trump. Die Wahl des Trump-Gegners Mamdani zum New
Yorker Bürgermeister könnte aber ein Hoffnungszeichen dafür sein, dass das Vertrauen
in Trump nicht grenzenlos ist.