Ende des Bürgergelds: Harte Sanktionen zu Gunsten von Terminverweigerer

Eine Woche später als geplant hat die Bundesregierung das Ende des Bürgergelds offiziell eingeleitet. An seine Stelle soll eine neue Grundsicherung treten, die Bürger, die solche Leistungen beziehen, stärker zur Mitwirkung verpflichtet – sonst drohen Kürzungen. „Ein langfristig starker Sozialstaat braucht klare, durchsetzbare Regeln und die Mitwirkungsbereitschaft aller erwerbsfähigen Menschen. Er wird getragen vom gemeinsamen Verständnis, dass es gerecht zugeht und nur diejenigen Unterstützung erhalten, die diese wirklich benötigen“, heißt es in dem Gesetzentwurf. Daher sei das Verhältnis zwischen Unterstützung und Mitwirkung, zwischen Solidarität und Eigenverantwortung immer wieder zu überprüfen und neu auszubalancieren.
Die Union hatte schon im Wahlkampf auf härtere Regeln gedrungen, um Missbrauch auszuschließen und die mit dem Bürgergeld verbundenen Kosten zu drücken. Sie hatte auf Einsparungen in der Größenordnung von zehn Milliarden Euro gehofft. Das Bürgergeld gibt es erst seit Anfang 2023. Die Ampelkoalition löste damit das frühere Arbeitslosengeld II („Hartz IV“) ab, das in der SPD heftig umstritten war. Die neue Grundsicherung ist manchen in Partei nun zu restriktiv. Doch das Mitgliederbegehren gegen die schärferen Mitwirkungsregeln stößt offenbar auf wenig Resonanz.
Die Neuregelung stellt stärker heraus, dass nach dem Grundsatz des Forderns erwerbsfähige Leistungsberechtigte verpflichtet sind, ihre Arbeitskraft im maximal zumutbaren Umfang einzusetzen. „Insbesondere alleinstehende Leistungsberechtigte sind demnach zur Aufnahme einer Vollzeittätigkeit verpflichtet, sofern dies für die Überwindung der Hilfebedürftigkeit erforderlich und individuell zumutbar ist“, heißt es. Um zu vermeiden, dass Selbständige langfristig auf Hilfe angewiesen sind, wird klargestellt, „dass in der Regel nach einem Jahr im Leistungsbezug zu prüfen ist, ob ein Verweis auf eine andere Tätigkeit zumutbar ist“.
Dobrindt und Reiche als Bremse
Anders als von der Union erhofft, sind mit der Abkehr vom Bürgergeld zunächst keine großen Einsparungen verbunden: Im Gesetzentwurf werden für die beiden kommenden Jahre Minderausgaben von gerade einmal 86 Millionen Euro beziehungsweise 70 Millionen Euro genannt. Für die Folgejahre werden sogar Mehrausgaben eingeplant (elf und neun Millionen Euro). Nur wenn es tatsächlich gelingen sollte, mehr Menschen in Arbeit zu bringen, sind nennenswerte Einsparungen zu erwarten. Als Faustregel gilt: Wenn die Zahl der Leistungsbezieher um 100.000 sinkt, drückt das die Leistungen zum Lebensunterhalt, die Leistungen für Unterkunft und Heizung sowie die Sozialversicherungsbeiträge um rund 850 Millionen Euro. Davon entfielen rund 100 Millionen Euro auf die Kommunen und der Rest auf den Bund.
In der vergangenen Woche hatten Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) und Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) die ursprüngliche Kabinettsvorlage von Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) ausgebremst. Grund war der Umgang mit Bürgergeldempfängern, die auch auf die dritte Einladung des Jobcenters nicht reagieren und denen dann künftig die Leistung komplett gestrichen werden soll. Nach dem Plan von Bas sollte dies erst nach einer persönlichen Anhörung geschehen. Es gebe Menschen, „die Post nicht aufmachen, die sich nicht zurückmelden, auch Angst vor Behörden haben“, argumentierte die SPD-Politikerin.
Reiche und Dobrindt legten einen „Leitungsvorbehalt“ ein, weil sie Sorge hatten, dass sich Terminverweigerer auch einer persönlichen Anhörung und somit dem Leistungsentzug entziehen würden. Sie erreichten, dass der Gesetzestext geändert wurde. „Eine Gelegenheit zur persönlichen Anhörung soll erfolgen, wenn ein drittes aufeinanderfolgendes Meldeversäumnis geprüft wird“, heißt es nun. Sprich: Es muss nicht zwingend eine Anhörung stattfinden, die Gelegenheit dazu reicht.
Kürzung um 30 Prozent möglich
Das ganze Verfahren, das zu Leistungskürzungen führt, wird nun so beschrieben: Beim zweiten unentschuldigt verpassten Termin im Jobcenter werden die Leistungen für einen Monat um 30 Prozent gekürzt. Wenn Betroffene drei Termine ohne wichtigen Grund nicht wahrnehmen, entfällt der Leistungsanspruch mit Beginn des Folgemonats. Nur die Kosten für Unterkunft und Heizung würden weiterhin übernommen, dann aber direkt an den Vermieter.
Weiter heißt es im Gesetzentwurf, die sogenannte Arbeitsverweigerer-Regelung werde wirkungsvoller und praxistauglicher ausgestaltet. „Es wird eine Mindestdauer für den Entzug des Regelbedarfes von einem Monat festgelegt.“ Zudem sei eine vorausgegangene Pflichtverletzung nicht mehr erforderlich. Auch die Arbeitgeber werden in die Pflicht genommen. Wenn sie eine Beschäftigung nicht richtig bei den Sozialversicherungen anmelden, haften sie künftig für etwaige zu Unrecht bezogene Leistungen des Beschäftigten.
Die Regeln zum Schonvermögen, das Bürgergeldbezieher nicht aufbrauchen müssen, werden nachgeschärft und nach Altersstufen gestaffelt. Änderungen gibt es auch bei den Wohnkosten, die das Jobcenter übernimmt. Derzeit werden in den ersten zwölf Monaten auch Mieten übernommen, die über den erlaubten Höchstwerten nach dem Mietspiegel und der Haushaltsgröße liegen. Nun heißt es im Gesetzesentwurf, nur Wohnkosten bis zum 1,5-Fachen der „Angemessenheitsgrenze“ würden anerkannt. Der Deutsche Mieterbund kritisiert das. „Das Risiko für Wohnungsverlust steigt – besonders auf angespannten Wohnungsmärkten, wo bezahlbare Alternativen fehlen“, sagte Präsidentin Melanie Weber-Moritz. Im Gesetzentwurf steht allerdings auch, dass in der Karenzzeit „im Einzelfall“ auch höhere Kosten übernommen werden, sofern sie „unabweisbar“ sind.