„Emily in Paris“ Staffel 4: Selbst Farbe beim Trocknen zuzusehen ist spannender
Seinfeld ist bekanntlich eine „Serie über nichts“. Sie zeigt, wie man Fernsehen macht, in dem die Kleinigkeiten des täglichen Stadtlebens in faszinierende und unterhaltsame Geschichten verwandelt werden. Nach vier Staffeln Emily in Paris jedoch wird man das Gefühl nicht los, dass es in der Netflix-Serie letztlich um weniger als nichts geht. Sie ist ein schwarzes Loch: ohne Handlung, Charisma und Intrigen.
In der ersten Hälfte der vierten Staffel von Emily in Paris – ich kann es nicht oft genug betonen – passiert nichts. Die namensgebende Emily (Lily Collins) arbeitet in Paris als Marketing-Managerin mit Talent für soziale Medien für ihre strenge Chefin Sylvie (Philippine Leroy-Beaulieu) an der Seite des exzentrischen Luc (Bruno Gouery). Emily lebt in einer winzigen Wohnung mit Mindy (Ashley Park) und wird in ein Liebesdreieck oder auch zwei verwickelt. Letzteres klingt, als könnte es für Drama sorgen, allerdings steht absolut nichts auf dem Spiel. Alle sind in der Lage, durchaus reife Gespräche über ihre romantischen Konflikte zu führen, was darin resultiert, dass alle ohne Reibereien und Zank weiterziehen.
Drama entsteht nur durch Emilys berufliche Kämpfe, denn ähnlich wie bei Buffy – Im Bann der Dämonen oder Akte X muss sie regelmäßig für ihre Marketingagentur ein „Monster der Woche“ besiegen. In jeder Folge setzt sie ihr Talent und sonniges Gemüt ein, um ihre Social-Media-Strategien mit Bravour umzusetzen. Zu behaupten, das sei so spannend wie Farbe beim Trocknen zuzusehen, würde den vielen exzellenten Farbschattierungen des Vorbilds nicht gerecht.
Abgesehen von der schamlosen Produktplatzierung ist Emily in Paris hauptsächlich darauf bedacht, hübsch zu sein. Die Kostümabteilung der legendären Patricia Field hat sichtlich Spaß daran, Emily mit neongelben Mänteln und riesigen schwarzen Hüte auszustaffieren – aber ihrem Styling fehlt es an Charakter. Fields Arbeit an der Figur der Carrie Bradshaw in Sex and the City (die Erfolgsserie von Darren Star, der auch Emily in Paris kreiert hat) spiegelt ihre besondere und eigenständige Persönlichkeit wider, die sich völlig von Mirandas, Samanthas oder Charlottes Charakteren unterscheidet.
Emily, Sylvie, Mindy und Co. haben eine diffusere Ästhetik. Fast alle Kleidungsstücke könnten untereinander ausgetauscht werden, ohne dass es zu charakterlichen Unstimmigkeiten käme. Erschwerend kommt hinzu, dass die High-End-Ensembles das gesamte Budget verschlungen zu haben scheinen, denn die Darstellung von Paris ist dürftig und beschränkt sich auf eine Handvoll sich wiederholender Schauplätze und einen gelegentlichen Blick auf die Lichtshow des Eiffelturms.
Als würde man Welpen treten
Sich über ein so sympathisches Fernsehprogramm wie Emily in Paris zu ärgern, fühlt sich in etwa so an, als würde man einen Welpen treten. Aber haben wir nicht etwas Besseres verdient? Die Serie sucht verzweifelt nach Schärfe und Profil, indem sie Dialoge mit dem einen oder anderen Schimpfwort oder Verweis auf sexuelle Perversionen aufpeppt. Emilys Disney-Prinzessinnen-Getue in Sachen Romantik und unerbittlicher Liebenswürdigkeit fühlt sich heimtückisch an.
Weibliches Empowerment wird mit einer hübschen Schleife verpackt, die Serie hat aber zugleich Angst davor, ihre Protagonistin zu unordentlich, zu geil oder gar fehlerhaft zu machen. Es ist ein Instagram-Filter auf einer mit Vaseline beschmierten Linse, der die Protagonistin und ihre Stadt lieblos erscheinen lässt.
Die vierte Staffel hätte die Gelegenheit gehabt, das Serielle und den Spaß einer Telenovela einzufangen, die die Romantikserie Jane the Virgin zu einem solchen Vergnügen gemacht haben. Handlungsstränge, bei denen es um vermisste Personen, #MeToo und Michelin-Sterne geht, werden angedeutet, um dann im Sande zu verlaufen. Am Ende von fünf Episoden sind die Dinge ziemlich genau da, wo sie angefangen haben, abgesehen von ein oder zwei Gesprächen mit toten Augen und einem angepassten Preis für eine Gesichtscreme. Ein wirklich verrückter Cameo-Auftritt des gefeierten Dramatikers und Schauspielers Jeremy O. Harris sorgt für ein bisschen Energie, unterstreicht aber vor allem die Idiosynkrasie, die anderswo so verzweifelt vermisst wird.
Das Einzige, das immer wieder Spaß macht, ist herauszufinden, was Luc im Schilde führt: Von seiner wunderbar schrägen Romanze mit einem Michelin-Inspektor auf einem Hausboot bis hin zu Marketingideen, die größtenteils Betrug zu sein scheinen – es ist nie langweilig, Zeit mit ihm zu verbringen. Seine Handlungsstränge sind zwar genauso belanglos wie die der anderen, aber er hat ein Händchen für physische Komik, sodass seine Figur besser zur Geltung kommt als die seiner Mitstreiter:innen.
Es ist wohl das Schlimmste, was man über Emily in Paris sagen kann. Das eigentlich Problem ist nicht, dass es um nichts geht und es ist auch nicht unbedingt so, dass es durchgängig fade und langweilig wäre, und es ist auch nicht diese unerträgliche Hyperfixierung auf die leeren Fallen des Reichtums. Es liegt daran, dass die einzige interessante Figur ein weißer Mann mittleren Alters ist, der erfolgreich ist und sich in seinem Job verausgabt. Und das ist nicht umsonst sehr aufschlussreich.