Einsatz von Chemie gegen Proteste: Georgiens Regierungspartei weist kritischen BBC-Bericht zurück
Georgiens Regierungspartei Georgischer Traum hat rechtliche Schritte gegen die BBC angekündigt. Die Partei wirft der britischen Rundfunkanstalt „zahlreiche absurde und falsche Behauptungen“ vor. Man werde alle rechtlichen Mittel nutzen, damit das „sogenannte Medium“ zur Verantwortung gezogen werde. Hintergrund ist ein Bericht der BBC über den Einsatz einer chemischen Substanz gegen Demonstranten.
Der georgische Inlandsgeheimdienst leitete eigenen Angaben zufolge Ermittlungen in dem Fall ein. So solle überprüft werden, ob eine Straftat begangen worden sei, die Leben und Gesundheit der Bürger gefährdet habe, oder ob es sich bei dem Bericht um eine strafbare Falschmeldung handele, die die nationalen Interessen Georgiens schädige. Der Geheimdienst teilte mit, klären zu wollen, auf welche Informationen sich der BBC-Bericht stützt. So sollen etwa Experteninterviews und Zeugenaussagen überprüft werden, um zu beurteilen, „wie relevant und glaubwürdig diese Informationen sind“.
Laut der BBC gibt es Hinweise darauf, dass die georgischen Behörden im vergangenen Jahr eine chemische Substanz aus der Zeit des Ersten Weltkriegs in Wasserwerfern eingesetzt haben. Es handelt sich um den Kampfstoff Camite – auch als Brombenzylcyanid bekannt –, der Verbrennungen, Husten und Erbrechen verursacht. Ziel sei es gewesen, regierungskritische Proteste zu unterdrücken. Der Bericht basiert auf Aussagen von Experten für chemische Waffen, von Whistleblowern aus den Reihen der georgischen Polizei sowie von Ärzten. Die Folgen des Einsatzes sollen demnach heftiger sein als bei Pfefferspray und Tränengas, das die Polizei sonst bei der Auflösung von Demonstrationen nutzt.
Regierungskritische Proteste nach Parlamentswahl
Georgien befindet sich seit Jahren in einer politischen Krise, die sich mit der umstrittenen Parlamentswahl 2024 deutlich zugespitzt hat. Damals ließ sich der russlandfreundliche Georgische Traum zum Sieger erklären; die Opposition erkannte das Ergebnis nicht an und warf der Regierung Wahlfälschung vor.
Die Wahl sowie die Entscheidung der neuen Regierung, die Beitrittsverhandlungen mit der EU auszusetzen, lösten Massenproteste aus, bei denen es auch zu Ausschreitungen kam. Sicherheitskräfte gingen gewaltsam gegen Protestierende vor, unter anderem mit Wasserwerfern und Tränengas. Hunderte Menschen wurden festgenommen. Die georgische Ombudsstelle und die Menschenrechtsorganisation Amnesty International stuften Misshandlungen von Inhaftierten als Folter ein.
Noch immer gehen in der Hauptstadt Tbilissi nahezu täglich Menschen auf die Straße. Die Regierungspartei verfolgt einen zunehmend autoritären Kurs und geht weiter gegen Oppositionelle und Kritiker vor.