Einladungen an die AfD: Leute kennenlernen, uff Ideen kommen, sich zeigen

In der Debatte darüber, ob Verbände AfD-Politiker zu Veranstaltungen einladen sollten, lohnt sich ein Blick auf die umstrittenen Teilnehmer selbst. Welche Erwartungen verbinden sie mit dem Besuch solcher Netzwerktreffen, und wie verändern sie diese? Das lässt sich auch bei Treffen beobachten, zu denen die Bundesregierung oder Landesregierungen einladen. Da werden Gäste oft nach Funktion ausgewählt, etwa nach Ämtern in Partei oder Fraktion. AfD-Politiker werden nicht ausgeklammert.

Ein AfD-Bundestagsabgeordneter berichtete der F.A.Z. kürzlich, er meide solche Veranstaltungen trotzdem. „Ich habe bis vor ungefähr anderthalb Jahren versucht, da hinzugehen, gut klarzukommen mit den Leuten. Aber du gehst hin und wirst behandelt wie’n Arsch.“ Er werde nur gemieden und wolle sich damit „nicht den Abend versauen“. Andere halten es anders, etwa der stellvertretende AfD-Vorsitzende Stephan Brandner. „Wenn ich eingeladen werde und es einrichten kann, gehe ich hin“, sagte er der F.A.Z.

Brandner zählt zu den prominentesten, aber auch umstrittensten Figuren seiner Partei. Im Oktober hob der Bundestag seine Immunität auf, um strafrechtliche Ermittlungen wegen Beleidigung zu ermöglichen. Als Vorsitzender des Rechtsausschusses wurde der Jurist 2019 abgewählt, mit den Stimmen aller Fraktionen außer der AfD. Ihm fehle sowohl menschlich als auch politisch die Eignung, hieß er zur Begründung. Im Bundestag fällt der Rechtsextremist aus Gera durch pene­trante Zwischenrufe auf; unlängst rügte ihn Bundestagspräsidentin Julia Klöckner für beleidigende Worte, wobei er auch sie immer wieder unterbrach.

Er beschimpft die Öffentlich-Rechtlichen, ist aber bei deren Empfängen

Der F.A.Z. sagte Brandner, er sei zuletzt zu Veranstaltungen von ARD und ZDF eingeladen worden und auch hingegangen. Eine Sprecherin des ARD-Hauptstadtstudios bestätigte gegenüber der F.A.Z., dass bei der jährlich stattfindenden Veranstaltung „Hauptstadttreff“ Funktionsträger aller Parteien, also auch der AfD, eingeladen seien. Dort sollten „Politik und Medien“ ins Gespräch miteinander kommen, wobei Politik mehr umfasse als nur Politiker. Das ZDF äußerte sich bis Redaktionsschluss nicht dazu.

Respekt vor den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bringt Brandner in seiner Arbeit nicht zum Ausdruck; den Hashtag „#staatsfunk“ kombinierte er zuletzt etwa mit dem Pinocchio-Emoji, dem Symbol für Lügen. Der „Staatsfunk“ sei ein „Propagandainstrument der Regierenden“, die Bürger brauchten keine „zwangsfinanzierten Regierungstrompeten“.

Ansonsten werde er eher von staatlichen Stellen oder Landesvertretungen eingeladen. So besuchte er im November das Feierliche Gelöbnis zum 70. Geburtstag der Bundeswehr. Im Sommer war er auf mehreren Festen von Landesvertretungen anzutreffen. Diese sind beliebte Netzwerktreffen, bei denen neben Vertretern der Bundesregierung – Ministern oder sogar dem Bundeskanzler – auch Politiker der Landesregierungen, Verbandsvertreter und Journalisten teilnehmen.

Beim Thüringer Fest, das Brandner ebenfalls besuchte, kam neben Ministerpräsident Mario Voigt (CDU) auch Bundestagspräsidentin Klöckner. Brandner beschreibt solche Feste als nützlich für seine Arbeit. „Man lernt Leute und auch neue Themen kennen. Oft ergeben sich auch Kontakte, ich bekomme dann Tage später E-Mails, die sich auf etwas beziehen, das wir an dem Abend besprochen haben. Oder ich kriege Ideen, zum Beispiel für Fragen an die Bundesregierung.“

Brandner kann kumpelhaft-jovial auftreten

Dass er nicht beklagt, gemieden zu werden, dürfte auch mit seinem Naturell zu tun haben – Brandner kann kumpelhaft-jovial auftreten, was dazu beiträgt, dass er auf solchen Anlässen mit verschiedenen Gästen im Gespräch zu beobachten ist. Dazu kommt, dass er nach eigenem Bekunden taktisch an die Sache herangeht, zum Beispiel mit Blick auf die Wirkung des Alkohols, der an solchen Abenden unentgeltlich ausgeschenkt wird. „Mit Fortschreiten des Abends ergeben sich meist mehr Gespräche. Manchmal gehe ich tatsächlich erst gegen 21 Uhr hin, obwohl es schon um 19 Uhr losging. Manche Gäste sind dann entspannter.“ Von Verbänden werde er kaum eingeladen, fügte Brandner hinzu. Von Verbandsvertretern, auch Geschäftsführern höre er, es gebe eine „Übereinkunft“, dass man uns nicht einlade. „Das finden die Leute, die uns das sagen, manchmal selbst schwierig, auch wenn die uns nicht wählen würden.“

Umgekehrt sagen aber auch viele Gäste, die Empfänge, parlamentarische Abende oder Sommerfeste besuchen, dass sie das Erscheinen von AfD-Politikern schwierig finden oder fänden. Schon 2019 kam es auf dem Jahresempfang des Deutschen Anwaltvereins zum Eklat, als dessen Präsident in seiner Rede Brandner, der da noch Ausschussvorsitzender war, und Parteifreunde von diesem kritisierte. Brandner wollte Gelegenheit zur Gegenrede, bekam sie aber nicht. Richtig entspannt wurde der Abend nicht mehr. Auch wenn so etwas ausbleibt, fühlen viele Gäste sich unwohl mit AfD-Politikern.

Als Gründe wurden der F.A.Z. in den vergangenen Monaten genannt, dass die Personen nicht zu trennen seien von ihrer Politik und ihren politischen Zielen, die gefährlich seien; dass man nicht wisse, inwieweit AfD-Politiker solche Abende oder Gespräche dort instrumentalisierten, etwa durch Fotos und Videos, die anschließend in den sozialen Netzwerken Einvernehmen mit anderen Gästen oder gar das Einreißen der „Brandmauer“ belegen sollten; dass es beruflich schaden könne, dort im Gespräch mit AfD-Politikern gesehen zu werden, unabhängig davon, worüber man spreche.

Source: faz.net