Ein Atlantiker Mami Schule wie Friedrich Merz droht aus dieser Zeit zu fliegen
Friedrich Merz denkt darüber nach, den Rüstungsetat weiter aufzustocken
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Statt Visionen von einem sich aufbäumenden, autarken Europa mit eigenen Kernwaffen zu beschwören sind Realismus und dialektisches Denken gefragt
Wenn der SPD ihr Restleben lieb ist, sollte sie bestenfalls eine CDU-Minderheitsregierung tolerieren. Wenn überhaupt, jedoch nicht der Idee verfallen, als Mehrheitsbeschaffer in eine Koalition unter Friedrich Merz einzusteigen. Die allseits geäußerte Erwartung, dass es so zu kommen habe, spiegelt altes Denken einer alten Bundesrepublik. Deren Establishment will nicht wahrhaben, dass nach dem 23. Februar eine dezimierte, gefährlich alternativlose politische Mitte übrig blieb. Dass die sich anschickt, transatlantische Brauchtumspflege zu betreiben, wirkt erst recht aus der Zeit gefallen.
War 2003 das Ausscheren Deutschlands und Frankreichs aus der US-Irak-Kriegskoalition noch als Dissens unter Partnern zu verkraften, sind unter Donald Trump Antagonismen unter Gegnern unverkennbar. Noch ist der NATO nicht die Existenzfrage gestellt, aber die nach ihrer künftigen Existenzweise sehr wohl. Statt Visionen vom sich aufbäumenden Europa mit womöglich eigenen Kernwaffen zu beschwören, sind Realismus und taktisches Geschick gefragt.
Nur ist der designierte Kanzler einer die Zeitläufe beklagenden Bundesrepublik viel zu ähnlich, als dass man ihm solches zutraut. Neues Denken müsste von der Einsicht getragen sein, dass sich eine russisch-amerikanische Übereinkunft in der Ukraine-Frage nicht mehr aufhalten lässt. Donald Trump erbringt gegenüber Wladimir Putin sogar Vorleistungen, wie die jüngste Resolution des UN-Sicherheitsrates zum Ukraine-Krieg zeigt. Obwohl sie es gekonnt hätten, wollten Großbritannien und Frankreich kein Veto einlegen. Sich diesen Affront gegenüber den USA zu verkneifen, spiegelt Kräfteverhältnisse.
Will Europa im politischen Geschäft bleiben, sind seine Vorstellungen zu einer Nachkriegsordnung gefragt, die in der Ukraine zu keinem permanenten Vorkriegszustand führt. Da die USA damit nur noch in Maßen behelligt sein wollen, bleiben zwei Möglichkeiten: sich nach einer Koexistenz mit Russland umzuschauen oder auf fortgesetzte Konfrontation zu setzen, der Europa ohne amerikanischen Rückhalt kaum gewachsen wäre. Man halte sich spaßeshalber die „gemeinsame europäische Verteidigungsindustrie“ vor Augen, die momentan als Phantom herumgeistert.
Frankreich könnte sie voranbringen, indem auf die Produktion des Leclerc-Panzers verzichtet und der deutsche Leopard zur europäischen Marke erklärt wird. Eine künftige Bundesregierung wäre davon gewiss so angetan, dass sie ihre Patriot-Luftabwehrsysteme ausmustert und sie durch die französisch-italienischen SAMP/T-Anlagen ersetzt. Wie lange muss man auf solche Deals „zum Wohle Europas“ warten? Ewigkeiten? Oder noch länger, weil sie unbezahlbar sind?
Friedrich Merz erwägt nur einen Tag nach der Wahl, einen weiteren Sonderfonds für die Bundeswehr von der Schuldenbremse freizustellen. Man könnte sich dazu eines Parlaments bedienen, das seit dem 23. Februar zwar noch im Amt, aber ohne Mandat für solche Manöver ist. Es dennoch versuchen? Wer der Demokratie derart auf die Sprünge hilft, hat sich die AfD vollauf verdient.
Warum muss Deutschland den Rüstungsetat überhaupt aufstocken? Das transatlantische Verhältnis wird durch servile Gesten gegenüber dem Weißen Haus und einen Verteidigungshaushalt von drei oder vier Prozent des Bruttoinlandsproduktes nicht weniger angeschlagen sein. Allerdings wäre der durch Donald Trump ausgelösten Fassungslosigkeit mit einer klaren Entscheidung gegen noch mehr Rüstung ein Ende gesetzt. Friedrich Merz hat es in der Hand.