Echt? | Trumps Kritzelei und Dylans Schwindelanfall: 10 Fakten zur Unterschrift

A

wie Autogrammjäger

Als Kind war ich auf der Jagd: Nach den Spielen in der Max-Schmeling-Halle rannten wir bis zur ersten Reihe, um die Handballer lautstark beim Vornamen zu rufen und um ein Autogramm zu bitten. Lars Christiansen, Oliver Roggisch, Christian Schwarzer: die VIPs in meinem kleinen Büchlein. Peinlich, wenn der Stift nicht funktioniert – Ersatz mitnehmen! Neben Fans jeden Alters gibt es aber auch Jäger aus Prinzip, die obsessiv Autogramme von Personen des öffentlichen Lebens sammeln. Radiomoderatorinnen, D-Promis aus dem Privatfernsehen oder verurteilte Politiker wie Sebastian Kurz. Manche sammeln zwanghaft, andere nur, um zu verkaufen: Von so einem konnte ich eine alte Autogrammkarte meines Mitbewohners ergattern, der mit 18 Autorennen gefahren ist – ich habe sie ihm dann geschenkt. Wer nicht selbst nach Autogrammen jagen will, kann sie bestellen, oft für unter fünf Euro. Auch wenn das natürlich nicht mit dem Gefühl mithalten kann, das Autogramm selbst ergattert zu haben. Ben Mendelson

D

wie Dylan

Klingt hochtrabend, doch The Philosophy of Modern Song von Bob Dylan ist eher ein persönlicher Kanon von 60 Lieblingssongs des Literaturnobelpreisträgers. Das Buch (2022) zeigt, was er schätzt, dylanesk eben. Doch das pop-philosophische Lesevergnügen trübte sich zumindest bei jenen, welche die 600-Dollar-Luxus-Edition erworben haben. Nur 900 Stück gibt es davon. Diese, vom Meister vorgeblich handsigniert, wurden in Wahrheit von einer Signiermaschine (→ Walther Leisler Kiep) unterzeichnet. Verlag und Dylan entschuldigten sich bei allen Fans. Dylan teilte mit, er habe einen „schlimmen Schwindelanfall“ gehabt (echt jetzt?) und auch die Einschränkungen durch Corona hätten die geplante authentische Signier-Session verunmöglicht. Und so eine Maschine zur Erstellung künstlicher Unterschriften sei in der Literaturszene normal. Marc Peschke

E

wie Ehe

Wer in den 1980er Jahren ein bayerisches Gymnasium besuchte, bekam jedes Jahr einen „Erhebungsbogen“ mit nach Hause, ein Blatt, mit dem die Personalien für die Statistik erhoben und aktualisiert wurden. Er musste von den Erziehungsberechtigten unterschrieben werden. Als ich ihn meiner Mutter vorlegte, die in der traditionellen Rolle der Hausfrau meine erste Ansprechperson war, während mein Vater das Geld für die Familie verdiente, sagte sie nach dem Setzen der eigenen Unterschrift: „Ach, ich könnte das eigentlich gleich miterledigen.“ Und setzte auf den Rand einer Zeitung die perfekte Unterschrift meines Vaters. In diesem Moment wurde klar, dass meine Mutter sich in ihrer damals erst rund 20 Jahre lang bestehenden Ehe in vielerlei Hinsicht angeglichen hatte. Auch ihre Handschrift. Natürlich unterschreiben meine Eltern bis heute, nach inzwischen 60 Jahren Ehe, noch immer jede und jeder für sich, aber eigentlich … ja, eigentlich könnte die eine es für den anderen miterledigen (→ Fälschen). Beate Tröger

F

wie Fälschen

Mein Vater, Jahrgang 1928, hat mich sehr geprägt. Mit 14 verließ er die Volksschule, besuchte wohl noch kurz eine Landwirtschaftsschule, danach war er sein Leben lang selbstständig und legte sich für uns vier Kinder krumm. Leider ist er schon fast 25 Jahre tot, ich kann schon lange nicht mehr mit ihm über Gott und die Welt debattieren. Kurios, dass ich seine Unterschrift in einer Art Sütterlin, sie wirkte rührend unbeholfen, immer noch vor Augen habe. Meine große Schwester beherrscht sie noch heute perfekt. Ich übte damals lange am Küchentisch, besonders das schwungvolle Z, bis ich sie auch fälschen könnte. Einmal am Küchentisch, ich hatte wieder geübt, lobte mein Vater die Fälschung, lächelte sein schelmisches Lächeln. Meine Unterschrift wiederum sieht so verdächtig aus, dass Lehrer meiner Kinder sie oft für eine Fälschung hielten. Katharina Schmitz

K

wie Kapitulation

Wer wann und wo ein historisches Dokument unterzeichnete, kann später bei der Auslegung von Geschichte eine Rolle spielen. Die erste Kapitulationserklärung der deutschen Wehrmacht von Reims am 7. Mai 1945 unterschrieb der Nazi-General Jodl. Hitlers Nachfolger Dönitz schickte ihn nach Reims, um einen Separatfrieden mit den Westalliierten auszuhandeln. Eisenhower bestand jedoch auf einer sofortigen bedingungslosen Kapitulation. Da Jodl keine Befehlsgewalt über die Wehrmacht hatte, vereinbarte man, dass eine endgültige Kapitulation vom Oberkommando der Wehrmacht mit Keitel an der Spitze zu ratifizieren war. Und traf sich am Folgetag in Berlin-Karlshorst. Die Kapitulationsurkunde wurde in drei Sprachen ausgeführt und auf den 8. Mai 1945 datiert. Sie trägt die Signaturen der Oberkommandierenden Schukow (UdSSR), Tedder (USA) und Keitel. Gesetzt wurden sie am 9. Mai 1945 um 0 Uhr 45 Uhr. Die Daten und die Unterschriften sind seither ideologisch oft unterschiedlich interpretiert worden. Michael Suckow

M

wie Marx

Heute geht es darum, Straßen umzubenennen, wenn ihre Namen rassistisches Überbleibsel der Kolonialzeit sind. Damals wurden Schwarze als „Mohr“ bezeichnet. Karl Marx wiederum soll in seiner Jugend einen dunkleren Teint und schwarzen Bart gehabt haben und wurde deshalb von seiner Familie und Freunden „Mohr“ genannt, für die rassistische Konnotation fehlte seinerzeit das Bewusstsein. „Mein lieber Mohr …“, so schrieb etwa seine Frau Jenny Marx liebevoll. Was seine Unterschrift angeht, da trennte der Verfasser des Kapitals: Wenn er Briefe an seinen Bruder im Geiste, Friedrich Engels, schrieb, unterzeichnete er sie mit „Mohr“, wandte er sich an die Gründerväter der Sozialdemokratie, dann signierte er förmlicher als Karl Marx. Seine gleichmäßige Unterschrift ist mittlerweile linke Popkultur – es gibt sie als Poster und auf Tassen. Jens Siebers

Q

wie Quorum

Ein Quorum bezeichnet die Mindestbeteiligung an einer Abstimmung, damit sie gültig ist. In Berlin (→ Kapitulation) etwa muss für den Erfolg eines Volksentscheids mindestens ein Viertel der Stimmberechtigten dafür stimmen. Das gelang im 26. September 2021 beim Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“. Mehr als eine Million Berliner gaben dafür ihre Zustimmung. Umgesetzt wurde die Entscheidung bisher nicht, die Regierung scheint nicht an die Bindung zu glauben. Das Zeitalter der Online-Petitionen wurde 2005 eingeleitet: Diese Form direkter Demokratie führte der Bundestag mit Reform des Petitionsrechts ein. Laut dem Petitions-Quorum muss eine schriftliche Bitte öffentlich behandelt werden, erreicht sie in vier Wochen 50.000 Mitzeichner. Sie muss über die Bundestagsseite gestellt werden. Hier war eine Petition zur hausärztlichen Versorgung mit über 600.000 Unterschriften die bisher größte. Am meisten Stimmen in Deutschland erreichte mit 1,67 Millionen Unterschriften die Forderung „Höcke stoppen“ auf der Plattform Campact. Tobias Prüwer

S

wie Siegel

Für Geschichtsstudierende sind Hilfswissenschaften zähe Mühe. Handschriften entziffern zu können, Münzen zuzuordnen und gar nicht zu reden von Aktenkunde. Gähn, dachten wir, als wir erstmals ins Generallandesarchiv Karlsruhe eintauchten. Doch Sphragistik ist ein spannendes Terrain, denn mit Siegeln bescheinigten sich die Herrschenden seit dem Mittelalter ihre Authentizität (→ Bob Dylan). Kein Schwein konnte damals lesen, und wer zum Beispiel für einen Fürsten als Fuhrmann unterwegs war, führte einen – oftmals gefälschten – gesiegelten Frachtbrief mit sich. Das älteste staufische Drei-Löwen-Siegel, das bis heute als Wappen für Baden-Württemberg dient, stammt von einer Urkunde aus dem Jahre 1216, angeblich zum Schutz des Frauenklosters Wald. Frau will gar nicht wissen, welche üble Geschichte sich dahinter verbirgt! Ulrike Baureithel

W

wie Walther Leisler Kiep

Während die elektronische Signatur als Kind der Digitalisierung gilt, wird der erheblich ältere Unterschriftenautomat gerne als popkulturelles Phänomen angesehen. Schließlich diente die analog funktionierende Maschine vor allem zur massenhaften Fertigung von Autogrammkarten (→ Autogrammjäger). Doch so einfach ist die Sache nicht. Schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurden rechtsgültige Unterschriften automatisch generiert, aber nicht unbedingt überall akzeptiert. Das galt vor allem in der Kommunikation mit Finanzämtern, wie der Vater des Tennisstars Steffi Graf schmerzlich erfahren musste. Der hatte den Unterschriftenautomaten seiner Tochter steuerlich relevante Dokumente abzeichnen lassen. Am Ende saß er wegen Betrug im Gefängnis. Eher zur Lachnummer hingegen taugte die sprichwörtlich gewordene Erklärung des CDU-Politikers Walther Leisler Kiep (1926 – 2016), mit der er sich in einem der vielen Spendenskandale der Union herauszureden versuchte: „Ich war es nicht, es war mein Unterschriftenautomat!“ Genutzt hat es ihm rein gar nichts.Joachim Feldmann

Z

wie Zeichnung

Berichte über die Existenz der anzüglichen Zeichnung, die von US-Präsident Donald Trump stammen soll, kursierten schon länger. Nun wurde Trumps mutmaßlicher Geburtstagsgruß an den Sexualstraftäter Jeffrey Epstein veröffentlicht – in Kopie. Sie zeigt den Umriss eines nackten Frauentorsos mit angedeuteten Brüsten. Unterzeichnet ist sie mit einem schwungvollen Linien-Auf-und-Ab. Das erinnert stark an Trumps markantes Signet, das er unter unzählige Dekrete setzte und diese stolz in alle Kamera hielt. Bezeichnenderweise prangt die Unterschrift an exakt der Stelle, wo die stilisierte Frau ihr Schamhaar hätte. Das Krickelkrakel wirkt, als ob es den Intimflaum darstellen soll. Trump bestreitet, der Urheber dieses 22 Jahre alten Dokuments zu sein. Das Weiße Haus hat deshalb nun eine forensische Analyse der Unterschrift in Auftrag gegeben. TP