Echt oder unecht ist egal: Wichtig ist, dass Jimmy Kimmel wieder publik weinen darf

Latenight-Talker Jimmy Kimmel darf wieder Witze reißen und zum Kampf für die Meinungsfreiheit aufrufen. „Wir müssen uns wehren“, ruft er – und kämpft erstmal mit den Tränen. Alles nur Show?


Jimmy Kimmel zurück in seinem Studio am 23. September 2025

Foto: Randy Holmes/Disney


„Der Typ in Deutschland hat mir einen Job angeboten, könnt ihr euch das vorstellen?“ Gelächter. Ausgerechnet Deutschland soll einen Künstler vorm Faschismus retten, haha! Doch der Witz von Kimmels erster Show am Dienstagabend nach seiner durch die US-Regierung erzwungenen Pause vor knapp einer Woche geht dann so weiter: „Dieses Land ist so autoritär geworden, dass die Deutschen sagen, komm zu uns!“

Hunderte Prominente wie Schauspieler und Musiker hatten einen offenen Brief zur Unterstützung des Late-Night-Moderators unterzeichnet, darunter Tom Hanks, Meryl Streep und Ben Stiller. Komikerin Rosie O’Donnell sprach von einer „faschistischen Regierung“. Der Sender ABC, der zum Disney-Imperium gehört, hatte Kimmels Sendung abgesetzt, weil dessen Bemerkungen zur Ermordung des ultrarechten Charly Kirk „unangebracht“ gewesen seien.

Wenn es danach ginge, müsste man jede Pressekonferenz mit Donald Trump absetzen. Kirks Tod werde von Trump-Anhängern instrumentalisiert, hatte Kimmel gesagt, „um daraus politisches Kapital zu schlagen“. So weit, so richtig. Allerdings suggerierte er eben auch, dass der Kirk-Attentäter „einer von ihnen“, also der Maga-Leute, sei.

„Herrn Kimmels Kommentare zum Tod von Herrn Kirk sind in einer kritischen Phase unseres nationalen politischen Diskurses beleidigend und unsensibel“, teilte ABC über lokale TV-Sender mit, und zwar auf Druck der US-Medienaufsichtsbehörde Federal Communications Commission of the United States (FCC). Der von Trump eingesetzte FCC-Chef Brendan Carr fand, Kimmel habe „konzertierte Anstrengungen unternommen, um das amerikanische Volk zu belügen“. Es wäre lustig, wenn es nicht so traurig wäre.

Der eigentliche Grund war Majestätsbeleidigung: Kimmel spottete über Trump als „kleinen Petzer“ und forderte ihn auf, sich zu entscheiden: „Willst du ein Diktator sein oder einfach nur ein Arschloch?“

Jimmy Kimmel kämpft sichtlich mit den Tränen

Dass beides möglich ist, beweist der US-Präsident täglich. Zur Wiedereinsetzung der „Jimmy Kimmel Live!“-Show wurde nun erwartet, dass der Comedian sich entschuldigt. „Mir ist es als Mensch wichtig, dass ihr versteht: Ich hatte nie die Absicht, den Mord an einem jungen Mann zu verharmlosen.“ Dabei schwankt seine Stimme, Kimmel kämpft sichtlich mit den Tränen.

Noch am Tag des Mordes habe er dessen Familie sein Beileid ausgesprochen. Er habe keiner Gruppe die Schuld für die Taten „dieses offensichtlich zutiefst verstörten Individuums“ geben wollen. Dass seine Worte für einige „entweder unpassend oder unklar oder vielleicht beides“ gewesen seien, könne er verstehen.

Dass Trump über Kirk „trauert wie ein Vierjähriger über seinen Goldfisch“, nahm Kimmel nicht zurück. Auch das Wort „Entschuldigung“ fiel nicht, aber: „Gewalt ist nie eine Lösung“. Er glaube an die Lehren Jesu und sei tief berührt von Erika Kirks Worten. Die Witwe hatte auf der Beerdigung dem Mörder ihres Mannes vergeben. Trump bezeichnete Kimmel derweil als „glasierten Schinken mit tiefer Venenthrombose“. Er feiere „Amerikaner, die ihren Job verlieren, nur weil er keinen Spaß versteht.“

Seit fast 23 Jahren geht Kimmel, der viermal die Oscarverleihung moderierte, fünfmal pro Woche aus Los Angeles auf Sendung, das sind bald 4000 Auftritte, live gesehen von über 1,5 Millionen, auf Youtube hat die Show 20 Millionen Abonnenten.

Laut ABC gab es „intensive Gespräche mit Kimmel“, die zur Wiederaufnahme der Show geführt hätten. Vermutlich haben Boykottdrohungen von Disney-Kunden und die Unterstützung der Hollywood-Prominenz ihren Teil zum Sinneswandel der Traumfabrik beigetragen. Disney habe Bedingungen gestellt, scherzt Kimmel. Er habe eine Erklärung verlesen müssen. Die kramt er dann aus seiner Jacketttasche: „Um Ihr Disney plus und Hulu-Konto zu reaktivieren, öffnen Sie die App auf ihrem Smartphone“. Der zarte Seitenhieb erntet Gelächter. Er sei „nur ein winziger Teil der Disney Corporation“ und „diese Show ist nicht wichtig“.

Wichtig ist auch nicht, ob seine Tränen echt, gespielt oder beides waren. Wichtig ist, dass er sie öffentlich weinen und weiter Witze gegen die Regierung machen kann. Alles andere wäre „antiamerikanisch“: „Wichtig ist, dass wir in einem Land leben dürfen, das uns erlaubt, so eine Show zu haben.“ Noch funktioniert die amerikanische Meinungsfreiheit – zumindest für diejenigen, die prominent genug sind, um Schlagzeilen zu machen.