Ebrahim Raisi: Politiker, Geistlicher, Hardliner

In der bewaldeten Gebirgsregion zwischen Iran und Aserbaidschan suchen Rettungskräfte nach dem verunglückten Helikopter aus der Delegation des iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi. Unter Regierungsanhängern bestand die Sorge, dass der neunköpfigen Besatzung mit Präsident Ebrahim Raisi und Außenminister Hussein Amir-Abdollahian an Bord etwas zugestoßen sein könnte. Bislang ist die Lage noch unübersichtlich. Doch wer ist der 63 Jahre alte Mann an der Spitze der iranischen Regierung?

Schwarzer Turban, schwarzer Mantel: Schon an der Kleidung ist zu erkennen, dass Ebrahim Raisi
nicht nur Politiker, sondern auch Geistlicher ist. Der 63-jährige
Ultrakonservative ist seit Sommer 2021 Präsident des schiitischen Iran. Er gilt als erzkonservativer
Hardliner. Als Wunschkandidat und Protegé des Religionsführers Ajatollah
Ali Chamenei hatte er die Präsidentenwahl mit knapp 62
Prozent der Stimmen gewonnen. Der Kleriker wurde
damit offiziell Nachfolger des eher moderaten Hassan Ruhani, der nach
zwei Amtsperioden nicht mehr antreten durfte.

Er
pflegt ein enges Verhältnis zu Chamenei. Laut Verfassung ist Raisi
Regierungschef, während die eigentliche Macht auf das Staatsoberhaupt
Chamenei konzentriert ist, der in allen strategischen Belangen das
letzte Wort hat.

Hass auf Israel und Eskalation im Nahostkonflikt

Nach seiner Wahl im Juni 2021 hatte Raisi
angekündigt, den Kampf gegen Armut und Korruption ins Zentrum seiner
Politik zu rücken. Es folgten Jahre starker interner und internationaler
Proteste und Spannungen.

In den vergangenen Monaten trat Raisi
vor allem als Gegner des iranischen Erzfeindes Israel im
Gazakrieg auf. Der islamistischen Hamas im Gazastreifen, die am 7.
Oktober Israel überfallen und damit den Gazakrieg ausgelöst hatte,
sicherte er Irans Unterstützung zu. Kurz vor dem
Verschwinden seines Hubschraubers betonte er erneut, Palästina sei „das
wichtigste Thema der muslimischen Welt“.

Erstmals ging der Iran Mitte April unter Raisis
Führung sogar so weit, direkt von seinem Boden aus hunderte Drohnen und
Raketen auf Israel abzufeuern – fast alle wurden mithilfe der USA und
anderer Verbündeter abgefangen. Die vor dem Gazakrieg erreichte
Annäherung des Iran an den langjährigen Rivalen Saudi-Arabien ist
vorerst gestoppt.

Unterdrückung von Demonstrationen

Im Herbst 2022 löste der
Tod der iranischen Kurdin Jina Mahsa Amini massive Proteste im Iran
aus. Die junge Frau starb im Polizeigewahrsam, nachdem sie von der
Sittenpolizei wegen Verstoßes gegen die islamischen
Kleidungsvorschriften festgenommen worden war. Danach
demonstrierten landesweit Zehntausende gegen den repressiven Kurs der
Regierung sowie das islamische Herrschaftssystem. Die
Sicherheitskräfte reagierten mit Gewalt und harten Strafen. Zehntausende
Demonstranten wurden verhaftet, viele bei den Protesten getötet,
mehrere hingerichtet. Die Proteste stürzten die politische Führung in
die schwerste Krise seit Jahrzehnten.

Die EU beschloss mehrfach
Sanktionen gegen den Iran – wegen Menschenrechtsverletzungen, aber auch
wegen der iranischen Unterstützung des russischen Kriegs gegen die
Ukraine. Zugleich wächst die Sorge, dass der Iran zur Atommacht wird. Unter Raisis Regierung verschlechterte sich auch die Beziehung zum Westen. Auch in den USA steht er auf einer Sanktionsliste.

Raisi wurde 1960 in Maschad im Nordosten des Irans geboren und
gilt innerhalb des islamischen Systems als sehr einflussreich. Im Justizsystem des Landes machte Raisi eine steile Karriere: Mit nur 20 Jahren
wurde er Generalstaatsanwalt von Karadsch bei Teheran, kurz nach der
islamischen Revolution von 1979.

Möglicher Nachfolger des geistlichen Führers

2019 wurde Raisi Justizchef des Landes. Ihm wird nachgesagt, dass er in seiner früheren Funktion als
Staatsanwalt für zahlreiche Verhaftungen und Hinrichtungen politischer
Dissidenten verantwortlich gewesen sei. Für die Exil-Opposition ist sein
Name unauslöschlich mit Massenhinrichtungen von Marxisten und anderen
Linken im Jahr 1988 verbunden, als Raisi
stellvertretender Staatsanwalt des Revolutionsgerichts in Teheran war.
Er bestreitet jegliche Verantwortung dafür.

Raisi, dem wenig
Charisma attestiert wird, studierte Theologie und islamisches Recht. In
iranischen Medien wurde er schon als möglicher Nachfolger des
85-jährigen geistlichen Führers Ajatollah Chamenei gehandelt. Er gehörte
auch dem Expertenrat an, der den geistlichen Führer bestimmt.