Dübelhersteller Fischer verkauft Autosparte: Notbremse noch ohne Not

Die Nachricht, die Klaus Fischer den Mitarbeitern seiner Automobilsparte am Mittwoch im Betriebsrestaurant in Horb am Neckar überbrachte, hat Applaus ausgelöst, auch wenn es eine Vollbremsung gewesen ist. Gewissermaßen eine Notbremse ohne Not. Denn der Unternehmer, dessen Name in aller Welt vor allem für Dübel bekannt ist, verkauft den Geschäftsbereich an die Beteiligungsgesellschaft Mutares mit Sitz in München – und zwar bevor die Sparte in Schwierigkeiten gerät, womit das Unternehmen mittelfristig rechnet.

Die Überlegung, die hinter dem Deal steckt, ist klar: In einer Branche, in der die Absatzzahlen sinken und der Wettbewerb vor allem zwischen den Zulieferern mehr und mehr zunimmt, ist der Geschäftsbereich von Fischer, der Lüftungsdüsen, Ablagefächer, Cupholder und Ladeklappen aus Kunststoff für Elektro- und Verbrennerautos herstellt, zu klein, um langfristig profitabel zu bleiben. Vor den Beschäftigten erläuterte der Unternehmer, dass in der neuen Konstellation die Chancen besser stünden.

„Politische Entscheidungen machen sich bei uns bemerkbar“

„Die Größe ist entscheidend, und die 2,5 Milliarden Euro Umsatz von Mutares im Vergleich zu unseren 166 Millionen machen einen großen Unterschied aus“, erläuterte ein Sprecher. „Und auch die politischen Entscheidungen mit dem Verbrenner und der Konzentration auf die Elektromobilität in Verbindung mit dem Wegfall der Kaufprämie machen sich bei uns bemerkbar.“ Dabei sei die Sparte mit ihren rund 1200 Mitarbeitern keinesfalls ein Sanierungsfall, sondern „wir haben zum richtigen Zeitpunkt eine Entscheidung getroffen, die die Zukunft des Bereichs langfristig sichert“, sagte der Sprecher weiter. Zum Ergebnis der Sparte und zum Verkaufspreis äußerten sich weder Käufer noch Verkäufer.

Beide betonen allerdings das „Wachstumspotential des Unternehmens“, wenn die notwendige Marktmacht, sprich Größe, dahinter steht. Mutares ist darauf spezialisiert, Unternehmen oder Konzernteile in Umbruchsituationen zu kaufen, um sie nach einer Restrukturierung wieder zu verkaufen. Derzeit hält die börsennotierte Beteiligungsgesellschaft mit Sitz in München Mehrheitsbeteiligungen an gut zwei Dutzend mittelständischen Unternehmen. Der Autobereich von Mutares kommt auf einen Umsatz von rund 2,5 Milliarden Euro, davon entfällt die Hälfte auf den Kunststoffbereich, den der Kauf nun weiter stärken soll.

Mit den weiteren Sparten „Engineering & Technology“, „Goods & Services“ und „Retail & Food“ erwirtschaftet Mutares einen Umsatz von insgesamt 4,7 Milliarden Euro und beschäftigt 27.000 Mitarbeiter. Vor drei Monaten hat Mutares das Ulmer Traditionsunternehmen Magirus übernommen. Seit Mitte der Siebzigerjahre befand sich der Hersteller von Feuerwehrwagen im Besitz von Iveco, das zu Fiat gehörte. Das 1864 gegründete Unternehmen war einst für die erste fahrbare und freistehende Leiter bekannt geworden.

Deal soll Schlagkraft von Mutares stärken

Mutares setzt auf den direkten Zugang zum Kundenstamm von Fischer, zu dem unter anderem Autohersteller wie Audi , BMW und Tesla sowie Zulieferer wie Faurecia und Magna gehören. Die Beteiligungsgesellschaft will aus dem Geschäftsbereich mit anderen Anbietern einen Verbund formen, der dann gegenüber Kunden wie Mercedes schlagkräftiger auftreten kann. „Mit der Übernahme stärken wir unser Auto-Segment im Bereich der Kunststoffverarbeitung und bauen unsere weltweite Präsenz in Europa, in den USA und in China weiter aus“, sagt Mutares-Chef Robin Laik laut einer Mitteilung des Unternehmens. „Die Expansion der Mutares-Gruppe zahlt sich hier deutlich aus. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir das Wachstumspotenzial des Unternehmens nutzen und durch unser umfassendes Know-how im Automobilsektor und die engen Beziehungen zu den wichtigsten Akteuren in diesem Bereich strategische Verbesserungen erreichen können.“

Fischer will sich nach eigenen Angaben verstärkt auf das Kerngeschäft konzentrieren. Die Gebäude des Geschäftsbereichs in Horb am Neckar bleiben im Eigentum des Unternehmens und sollen künftig für den Ausbau des zentralen Unternehmensbereichs Befestigungssysteme genutzt werden. Dort wird das Unternehmen nach eigenen Angaben in den nächsten zwei Jahren mehr als zehn Millionen Euro in den Auf- und Ausbau von Wachstumsthemen wie die Bauwerksanierung und den Brandschutz investieren. Auch der Sondermaschinenbau in Horb am Neckar soll weiter ausgebaut werden. Ziel sei es, die 120 Produktions- und Logistikmitarbeiter der Autosparte nach und nach in den Bereich Befestigungssysteme zu übernehmen. Die rund 1.200 Mitarbeiter aus dem Akquise- und Projektbereich sowie aus den Landesgesellschaften Tschechien, Serbien, USA und China wird Mutares weiterbeschäftigen.

Als Klaus Fischer mit seiner Ansprache am Ende war, klatschten nach Angaben des Unternehmens viele Mitarbeiter. Die Aussicht, mit einem größeren Partner an der Seite den Herausforderungen in der Autobranche besser gewachsen zu sein, die ihr langjähriger Chef skizzierte, kam bei den Anwesenden an.