Doppelte Staatsbürgerschaft: Türkische Gemeinde rechnet mit 50.000 Einbürgerungsanträgen pro Jahr

Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, rechnet nach dem Inkrafttreten des neuen Staatsbürgerschaftsrechts am Donnerstag mit einem starken Anstieg der Einbürgerungsanträge. „Die Leute haben inzwischen verinnerlicht, dass es eine doppelte Staatsbürgerschaft geben wird“, sagte er den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. „Und viele stellen jetzt so schnell wie möglich einen Antrag.“

Er rechne „mit 50.000 Anträgen pro Jahr“, sagte Sofuoglu. „Das scheint mir realistisch.“ Die Bearbeitung werde jedoch dauern. In vielen Städten sei es schwierig, überhaupt einen Termin bei den Ausländerämtern zu bekommen.

Viele Antragsteller hätten im Hinterkopf, nach erfolgter Einbürgerung bereits im kommenden Jahr an der Bundestagswahl teilnehmen zu können, sagte Sofuoglu. „Ich appelliere daher an die Parteien, sich klarzumachen, dass die Antragsteller potenzielle Wählerinnen und Wähler sind“, sagte er. „Wenn man die gewinnen will, dann muss man eine entsprechende Politik machen. Dazu gehört, in den Parteien mehr Partizipationsmöglichkeiten zu schaffen – und Rassismus ernsthaft zu bekämpfen.“

Kurdische Gemeinde warnt vor Antisemiten und Islamisten

Kritisch äußerte sich hingegen der Vorsitzende der Kurdischen Gemeinde in Deutschland, Ali Ertan Toprak. „Ich halte das Gesetz in dieser Form für
falsch“, sagte er dem RND. „Denn ich
möchte nicht, dass Antisemiten, türkische Nationalisten und Islamisten
den deutschen Pass bekommen. Wir haben schon genug Nazis in diesem
Land.“

Toprak machte deutlich, dass er „ab der dritten
Gastarbeitergeneration einen Schnitt gemacht“ hätte. Schließlich sollten
sich die in Deutschland geborenen Kinder mit diesem Land
identifizieren. „So, wie das Gesetz jetzt ist, gibt es aber irgendwann
nur noch doppelte Staatsbürger“, sagte Toprak. 

Mit dem Inkrafttreten des neuen Staatsbürgerschaftsrechts wird in Deutschland Mehrstaatigkeit generell zugelassen. Eingebürgerte müssen ihren alten Pass also nicht abgeben. Eine Einbürgerung soll künftig in der Regel nach fünf statt wie bisher nach acht Jahren möglich sein. Für Menschen, die sich besonders gut integriert haben, ist eine Einbürgerung bereits nach drei Jahren möglich.