Donald Trumps Lüge verbleibend Katzen und Hunde stürzt Springfield ins Chaos

Donald Trumps Behauptung beim Fernsehduell mit Kamala Harris, dass Migrant:innen in Springfield Katzen und Hunde essen würden, hat die Stadt ins Chaos gestürzt: Wegen Bombendrohungen mussten sogar Hospitäler und Schulen geschlossen werden


Er behauptet über US-Städte Dinge, die republikanische Bürgermeister und Stadträtinnen kurz darauf bestreiten

Foto: Brian Snyder/Reuters/dpa


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Zum offenbar zweiten Versuch eines Anschlags auf Donald Trump in seinem Golfclub in Florida kam es zwei Monate nach einem ersten Attentat bei einer Wahlveranstaltung in Pennsylvania, bei dem der Kandidat verletzt wurde. „Sie sind nicht hinter mir her, sie sind hinter euch her“, rief der Ex-Präsident seinen Anhängern hinterher zu. „Ich stehe nur im Weg.“ „Sie“ sollten hinter niemandem her sein. In einer Demokratie ist kein Platz für Gewalt, auch nicht für die Androhung derselben.

Das führt mich zu Trumps Behauptung beim Rededuell der Präsidentenbewerber am 10. September, als er verkündete, haitianische Immigranten in Springfield, Ohio, würden Hunde und Katzen verzehren. Schnell wurde daraus ein gigantischer Internet-Joke, der zu unzähligen, oft pointierten Memes und Liedern inspirierte. Tatsächlich aber waren Trumps Behauptungen nicht zum Lachen. Sie hatten ein Nachspiel. Nach dem Rededuell mussten in Springfield zwei Hospitäler wegen Bombendrohungen abgeriegelt werden. Die Behörden sahen sich gleichzeitig gezwungen, Regierungsgebäude zu schließen und zwei Grundschulen zu evakuieren. Nachdem Vizepräsidentschaftskandidat JD Vance dann ebenfalls begann, Gerüchte über Haitianer zu verbreiten, marschierten Mitglieder des Neonazi-Vereins „Blood Tribe“ in Schutzwesten und mit Waffen in die Stadt.

Im Augenblick schicken Einwanderer aus Haiti in Springfield ihre Kinder nicht mehr in die Schule und berichten von Belästigungen auf der Straße oder in Geschäften. Eine Familie, deren Sohn im vergangenen Jahr starb, als ein von einem haitianischen Immigranten gefahrenes Auto mit einem Schulbus zusammenstieß, bat Trump und Vance, den Verstorbenen nicht weiter für politische Zwecke zu missbrauchen. Doch Vance legte nach und sagte gegenüber CNN, die Behauptung, dass Haitianer Haustiere zu sich nähmen, „stammt von Leuten in meinem Wahlkreis“. Als Interviewerin Dana Bash anmerkte, dass die Anschuldigungen Bombendrohungen verursacht hätten, wurde sie von Vance „Propagandistin der Demokraten“ genannt.

Das alles entspringt keiner zufälligen Provokation, sondern offenkundigem Kalkül. Trumps letzte Beiträge auf seiner Plattform Truth Social vor der Debatte mit Kamala Harris waren KI-Bilder von Katzen – man sah sie in Kampfmontur mit Gewehren und MAGA-Hüten („Make America Great Again“). Inzwischen spricht Trump davon, ein Wahlmeeting in Springfield abzuhalten. „Wir werden diese Leute rausbekommen“, sagte er auf einer Pressekonferenz. Obwohl sich die Haitianer aus Springfield legal in den USA aufhalten, versprach Trump, „die größte Deportation der Geschichte unseres Landes auf den Weg zu bringen“, sollte er erneut gewählt werden. Es interessierte wenig, dass Ohios republikanischer Gouverneur Mike DeWine am Tag nach dem Fernsehduell Harris/Trump gegenüber CBS News versicherte: „Diese Haitianer sind gekommen, weil es Arbeitsplätze gab, und haben viele Jobs übernommen. Wenn man mit den Arbeitgebern spricht, erfährt man, dass sie einen sehr, sehr guten Job machen.“

Donald Trump und J.D. Vance bedienen sich eines sehr alten Tyrannen-Trick

Ein weiterer von Trumps Vorwürfen bedroht derzeit auch legale Einwanderer in Aurora, einem Vorort von Denver in Colorado. Er wiederholt unablässig, Aurora sei von venezolanischen Kriminellen übernommen worden. „Schlicht nicht wahr“, schrieben Auroras republikanischer Bürgermeister und die Vorsitzende des für Sicherheit zuständigen Stadtratsausschusses in einem Statement. Auch hier schaden die Beschuldigungen unschuldigen Menschen. Einwanderer aus Aurora erzählen, dass sie bei der Suche nach Arbeit oder einer Wohnung mit Verweis auf ihre Nationalität abgewiesen wurden. Zudem hätten sich in der Stadt bewaffnete Gruppen gezeigt, die sich als Bürgerwehr gegen eine angebliche Gefahr anboten.

Was passiert da? Trump und Vance benutzen den ältesten Tyrannen-Trick, den es gibt: Sie befeuern tiefsitzende Ängste, indem sie einen „Anderen“ schaffen, der als Saboteur beschrieben wird, Städte „übernimmt“ und geliebte Wesen „verschlingt“. In Springfield sind die geliebten Wesen die Haustiere. Wie weit entfernt sind derartige Lügen von den bösartigen Denunziationen der Nazis, jüdische Menschen würden notfalls christliche Kinder opfern? Ersetzt man in Springfield „Haitianer“ oder in Aurora „Venezolaner“ mit „Jude“, ist man zurück im Deutschland der 1930er Jahre. Durch das Dämonisieren von Einwanderern versuchen Trump und Vance nicht nur ein paar noch unentschlossene Wähler zu gewinnen. Es gefällt ihnen, Amerika Angst zu machen, damit es zu einer noch rassistischeren Nation wird.

Schon verbreiten Mitarbeiter in Trumps Soziale-Medien-Zentrale, darunter die Trump-Vertraute Laura Loomer, bekannt für sexistische, homophobe, transphobe und antisemitische Posts, emsig KI-generierte Bilder von Hunden und Katzen, die von Trump beschützt werden. Dazu gesellen sich Aussagen, die die Behauptung stützen sollen, dass Haustiere von Haitianern verspeist würden. Um es deutlich zu sagen: Es gibt keinerlei Rechtfertigung für Gewalt oder Gewaltandrohungen. Und doch kann der zutiefst verabscheuenswürdige zweite Versuch, ein Attentat auf Trump zu verüben, auch als Symptom einer hasserfüllten Politik gesehen werden, mit der er und JD Vance hausieren gehen.

Robert Reich war Arbeitsminister unter dem Präsidenten Bill Clinton. Er ist heute Professor an der University of California