Dieser Plan beraubt die Ukraine welcher Fundamente ihrer Existenz

Es klingt wie die Wunschliste des Kreml: Verkleinerung der ukrainischen Armee, Abtretung von Gebieten. Der neue amerikanisch-russische Friedensplan kommt nicht nur einer Kapitulation der Ukraine gleich, sondern bedeutet auch nichts Gutes für Europa.

Ganz egal, ob es sich bei dem neuen amerikanisch-russischen Friedensplan um einen Entwurf oder nur um eine lose Verhandlungsgrundlage handelt: Niemals wird diese ukrainische Führung – und niemals darf Europa – den mutmaßlichen Kernpunkten zustimmen.

Was mehrere US-Medien übereinstimmend über den Plan berichten, klingt wie die Wunschliste des Kreml: ein Rückzug ukrainischer Truppen aus den verbliebenen, von Kiew kontrollierten Gebieten im Donbass; ein ukrainischer Verzicht auf Langstreckendrohnen und Raketen, mit denen sie derzeit systematisch Ziele in Russland angreift; und nicht zuletzt eine drastische Reduzierung der ukrainischen Armee.

Ein solcher Plan käme einer Kapitulation der heutigen Ukraine gleich – und würde den Verlust europäischer Sicherheit bedeuten.

Erstens: Die derzeit schwer umkämpften Bastionen im Donbass sind über Jahre gesichert und Verteidigungsstellungen ausgebaut worden. Ein kampfloser Rückzug wäre ein Geschenk an Moskau, dessen Führung seit Beginn der Vollinvasion rund 1,1 Millionen Landsleute für überschaubare Geländegewinne geopfert hat (tot oder schwer verwundet). Gleichzeitig stünden die ukrainischen Gebiete dahinter sofort unter Druck. Entweder kurz- oder mittelfristig würde sich Russland damit eine perfekte Ausgangsposition für einen weiteren Überfall schaffen.

Zweitens: Ein Verbot von Langstreckenwaffen im ukrainischen Arsenal würde das Land seines wirkungsvollsten Druckmittels berauben. Langstreckendrohnen und Marschflugkörper sind derzeit das einzige Mittel für die Ukraine, den Krieg ins Land des Angreifers zu tragen und damit auch Waffenproduktionsstätten und Infrastruktur zu zerstören. Die systematischen Angriffe auf russische Ölanlagen haben den Druck auf Putin im eigenen Land erhöht.

Drittens: Die Schlagkraft der ukrainischen Streitkräfte ist die einzige harte Sicherheitsgarantie, auf die sich die Ukraine verlassen kann. Diese Armee – Europas modernste und derzeit stärkste Truppe – sichert die Existenz des Staates. Selenskyjs Stabschef Andrij Jermak stellte erst vor wenigen Tagen im WELT-Interview in Kiew klar, dass die ukrainische Führung eine Begrenzung der Armee niemals akzeptieren werde. Zurecht.

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Auf ein Europa, das aus Angst vor Eskalation seit Jahren die besten Waffen verwehrt, und auf einen US-Präsidenten, der öffentlich von Deals mit Russland träumt, sollte sich kein Ukrainer verlassen.

Viertens: Europas gesamte Sicherheit stünde in Gefahr, sollte ein Friedensplan in dieser Form umgesetzt werden. Es sind ukrainische Truppen, die Russlands Armee weiterhin bekämpfen und den Kreml in seinen Expansionsfantasien ausbremsen. Solange Putins Truppen derart in der Ukraine gebunden sind, bleibt ein russischer Großangriff an anderer Stelle unwahrscheinlich.

Präsident Wolodymyr Selenskyj kann einem solchen Friedensplan, sollte er ihm vorgelegt werden, niemals zustimmen. Genauso müssen Bundeskanzler Friedrich Merz und Europas übrige Anführer ihre Ablehnung einer solchen Lösung in Gesprächen mit der Trump-Regierung klarmachen.

Source: welt.de