„Die WHO ist uff die Expertise welcher USA angewiesen“

Kaum im Amt, will US-Präsident Donald Trump nun dafür sorgen, dass sich die USA aus der Weltgesundheitsorganisation zurückziehen. Ein Grund dafür könnte ein alter Streit über den Ursprung des Pandemievirus sein. Experten kritisieren die Entscheidung – aus unterschiedlichen Gründen.
Die Vereinigten Staaten werden die Weltgesundheitsorganisation verlassen, sagte Präsident Donald Trump nur wenige Stunden nach Antritt seiner zweiten Amtszeit. Die globale Gesundheitsbehörde habe die Covid-19-Pandemie und andere internationale Gesundheitskrisen falsch gehandhabt.
Trump führte dabei an, die WHO habe es versäumt, unabhängig von der „unangemessenen politischen Einflussnahme der WHO-Mitgliedstaaten“ zu handeln, und forderte von den USA „unfair belastende Zahlungen“, die in keinem Verhältnis zu den Summen stünden, die von anderen, größeren Ländern wie China bereitgestellt wurden. „Die Weltgesundheit hat uns abgezockt, jeder zockt die Vereinigten Staaten ab. Das wird nicht mehr passieren“, sagte Trump bei der Unterzeichnung einer entsprechenden Verordnung.
Auf die Frage nach Trumps Entscheidung und Äußerungen erklärte das chinesische Außenministerium am Dienstag auf einer regulären Pressekonferenz, dass die Rolle der WHO in der globalen Gesundheitspolitik nur gestärkt, nicht geschwächt werden sollte. „China wird die WHO weiterhin dabei unterstützen, ihre Verantwortung zu erfüllen und die internationale Zusammenarbeit im Bereich der öffentlichen Gesundheit zu vertiefen“, sagte Guo Jiakun, ein Sprecher des Ministeriums.
Die Weltgesundheitsorganisation bedauert in einem Statement den von US-Präsident Donald Trump angekündigten Rückzug seines Landes, das zu den Gründernationen im Jahr 1948 zählt. Über sieben Jahrzehnte hätten die WHO und die USA gemeinsam unzählige Leben gerettet, die Amerikaner und alle Menschen vor Gesundheitsgefahren geschützt, hieß es in der Erklärung: „Gemeinsam haben wir die Pocken ausgelöscht, und gemeinsam haben wir die Kinderlähmung an den Rand der Ausrottung gebracht.“
Für das Programm der Jahre 2024 und 2025 ist derzeit ein Budget von etwa 6,83 Milliarden US-Dollar vorgesehen. „Wir hoffen, dass die Vereinigten Staaten ihre Entscheidung noch einmal überdenken werden, und wir freuen uns auf einen konstruktiven Dialog zur Aufrechterhaltung der Partnerschaft zwischen den USA und der WHO“, erklärte Sprecher Tarik Jasarević.
Der Schritt bedeutet, dass die USA als einer von 194 Mitgliedstaaten die Gesundheitsbehörde der Vereinten Nationen in zwölf Monaten verlassen – und alle finanziellen Beiträge für ihre Arbeit einstellen werden. Die Vereinigten Staaten gehören seit jeher zu den größten Geldgebern der WHO; die Beiträge schwankten in der vergangenen Dekade zwischen 163 und 816 Millionen Dollar jährlich. Zum Budget der Jahre 2022 und 2023 haben die USA 1,284 Milliarden Dollar beigetragen; die Bundesrepublik stand mit 856 Millionen an zweiter Stelle der Top-Ten-Liste, die Gates Foundation kam auf Platz 3 mit 830 Millionen.
„Falsches Signal“
Der Abzug der USA wird wahrscheinlich Programme in der gesamten Organisation gefährden, so befürchten mehrere Experten innerhalb und außerhalb der WHO. Insbesondere diejenigen, die sich mit Tuberkulose, der weltweit häufigsten Todesursache für Infektionskrankheiten, sowie mit HIV/AIDS und anderen gesundheitlichen Notfällen befassen.
„Mit dem Austritt der USA verliert die WHO ihren mit Abstand größten Beitragszahler – ein Schlag in die Magengrube der globalen Gesundheitsarchitektur“, sagte Stephan Exo-Kreischer, Europadirektor der Entwicklungsorganisation ONE gegenüber WELT. „Dieser Schritt sendet das völlig falsche Signal in einer Zeit, in der internationale Zusammenarbeit wichtiger denn je ist. Gesundheitskrisen oder die Bekämpfung von Krankheiten wie Aids, Polio, Malaria oder Tuberkulose lassen sich nicht national lösen – entweder wir handeln gemeinsam oder wir scheitern.“ Die Strategie „America first“ verkenne die Tatsache, dass Krankheiten Ländergrenzen egal seien: „Entweder wir bewältigen Gesundheitskrisen gemeinsam oder wir scheitern.“
„Ja, die WHO ist reformbedürftig, aber sie bleibt das zentrale Instrument, um globalen Gesundheitsherausforderungen wirksam zu begegnen“, sagt Exo-Kreischer. Jetzt liege es an den anderen Staaten, enger zusammenzurücken und die WHO stärker zu unterstützen – finanziell, politisch und strukturell. Deutschland komme hier eine Führungsrolle zu, die Verantwortung dafür liege bei der kommenden Bundesregierung. Als ein wichtiges Erfolgsbeispiel unter vielen, an denen die WHO entscheidend beteiligt war, führt ONE auf, dass sich die weltweite Kindersterblichkeit seit 2000 mehr als halbiert habe.
Auch der Wellcome Trust, eine gemeinnützige Stiftung mit Sitz in London mit dem erklärten Ziel, Forschung zu fördern, um die Gesundheit von Mensch und Tier zu verbessern, reagierte kritisch auf Trumps Dekret. Gesundheitssicherheit und die Förderung einer guten Gesundheit seien von grundlegender Bedeutung für die starken Volkswirtschaften und Gesellschaften, die sich alle Nationen wünschen, hieß es in einer Mitteilung der Stiftung, die mit aktuell 50 Millionen Dollar zu den großzügigen Förderern der WHO zählt.
„Diese Ziele können ohne Spitzenforschung, Investitionen und globale Zusammenarbeit nicht erreicht werden. Die Entscheidung der US-Regierung, sich aus der Weltgesundheitsorganisation und dem Pariser Klimaabkommen zurückzuziehen, ändert daran nichts“, sagte Geschäftsführer John-Arne Røttingen.
Es handele sich um eine echte Herausforderung, gibt der Mediziner zu bedenken, aber „wir müssen immer darauf vorbereitet sein, Herausforderungen zu meistern“. Wellcome werde sich weiterhin um eine konstruktive Zusammenarbeit mit den USA, anderen Regierungen und Partnern im Bereich der globalen Gesundheit bemühen. Man unterstütze das Engagement für eine solide, evidenzbasierte und vertrauenswürdige öffentliche Gesundheit und Regulierung.
Bemühungen der Bundesregierung
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nannte den angekündigten Ausstieg der USA aus der Weltgesundheitsorganisation WHO „einen schweren Schlag“. Er verwies dabei auf den Wegfall wesentlicher Teile der WHO-Mittel, über die Programme etwa gegen die Folgen von Hungersnöten und Kriege oder Naturkatastrophen finanziert würden. Ein Wegfall würde Hunderttausende Menschen gefährden, „insbesondere sehr viele Kinder“, warnte Lauterbach und kündigte an, die Bundesregierung werde versuchen, Trump noch umzustimmen.
In Trumps Anordnung hieß es, die Regierung werde die Verhandlungen über den WHO-Pandemievertrag einstellen, solange der Abzug im Gange sei. Mitarbeiter der US-Regierung, die mit der WHO zusammenarbeiten, werden abberufen und neu zugewiesen, und die Regierung wird nach Partnern suchen, die die notwendigen Aktivitäten der WHO übernehmen, heißt es in der Anordnung. Die Regierung werde die US-Strategie für globale Gesundheitssicherheit 2024 so bald wie möglich überprüfen, aufheben und ersetzen.
Trumps Rückzug aus der WHO kommt nicht unerwartet. Während seiner ersten Amtszeit als Präsident unternahm er bereits 2020 Schritte, um das Gremium zu verlassen, und beschuldigte die WHO, Chinas Bemühungen zu unterstützen, „die Welt über die Ursprünge von Covid in die Irre zu führen“. Das Vorhaben wurde durch seinen Nachfolger Joe Biden gestoppt.
Die WHO bestreitet die Anschuldigungen energisch und sagt, sie dränge Peking weiterhin, Daten weiterzugeben, um festzustellen, ob Covid durch den Kontakt von Menschen mit infizierten Tieren oder durch die Erforschung ähnlicher Viren in einem inländischen Labor entstanden ist.
Trump setzte damals die US-Beiträge an die Organisation aus, was sie in den Jahren 2020 und 2021 fast 200 Millionen US-Dollar kostete, verglichen mit den vorangegangenen Zweijahresbudgets, während sie gegen den weltweit schlimmsten Gesundheitsnotstand seit einem Jahrhundert kämpfte.
Nach US-Recht ist für den Austritt aus der WHO eine einjährige Kündigungsfrist und die Zahlung aller ausstehenden Gebühren erforderlich. Unklar ist noch, was Trumps neues Dekret bezüglich einer Fünfjahrespartnerschaft von USA und WHO bedeutet: Die Globale Gesundheitssicherheitsagenda (Global Health Security Agenda, GHSA) wurde jedenfalls bis 2028 verlängert. Deren vorrangiges Ziel ist, die Fähigkeit der Welt zu stärken, Bedrohungen durch Infektionskrankheiten zu verhindern, zu erkennen und darauf zu reagieren.
Im Schatten einer Pandemie – zu einer Zeit, in der ihre Auswirkungen noch immer spürbar sind – sollten die USA ihren Einfluss nutzen, um die WHO zu stärken, schreibt jetzt der US-Mediziner Ashish K. Jha in einem Gastkommentar für den Branchendienst „STAT News“. „Es stehen weitere Pandemien und andere Gesundheitskrisen bevor, die USA und die Welt brauchen eine wirksame globale Organisation, die uns bei der Prävention, der Vorbereitung und der Reaktion auf diese Krisen unterstützt und informiert. Die WHO ist auf die Expertise der USA angewiesen, um genau das zu tun“, so der Dekan der Brown University School of Public Health, der die Biden-Regierung zu Covid-19 beriet.
Covid habe die Welt gelehrt, dass Viren und Krankheiten keine Grenzen respektieren. Ja, man brauche eine bessere WHO. „Aber wir können die globalen Herausforderungen, mit denen wir konfrontiert sind, nicht bewältigen“, schreibt Ashih K. Jha, „indem wir die WHO verlassen und alleine kämpfen.“
mit Reuters/dpa/nihei
Source: welt.de