Die Inflation im Euroraum steigt hinauf zwei Prozent

Die Inflationsrate im Euroraum lag im Oktober bei 2,0 Prozent. Das hat das europäische Statistikamt Eurostat in Luxemburg am Donnerstag nach einer ersten Schätzung mitgeteilt. Im September hatte die Rate 1,7 Prozent betragen.

Damit hat die Inflation nicht nur in Deutschland im Oktober zum ersten Mal seit längerer Zeit wieder zugelegt.

Ein wichtiger Grund, warum in diesem Herbst die Inflationsraten wieder steigen, ist ein sogenannter statistischer Basiseffekt. Im vergangenen Jahr war Energie im September recht teuer gewesen. Im Vergleich dazu war sie in diesem Jahr im September günstiger, das hat die September-Inflationsrate gedrückt. Ein anderes Bild ergibt sich in den Monaten Oktober, November, Dezember. Da war die Energie im Vorjahr deutlich günstiger geworden. Entsprechend drückt sie die Inflationsrate jetzt weniger und könnte sie sogar wieder treiben.

Weiterhin hohe Dienstleistungsinflation

Allerdings ist auch bei den Preisen für Dienstleistungen weiterhin eine ungewöhnlich starke Teuerung zu beobachten. Während einige Zeit vor allem die Dienstleistungspreise rund um den Tourismus zugelegt hatten, das war ein Thema vor allem in den südeuropäischen Ländern, steigen jetzt unter anderem die Preise für Versicherungsdienstleistungen. Das ist ein Thema vor allem in den Nord-Ländern des Euroraums.

Das sind zum Teil Folgeeffekte: Weil die Preise beispielsweise in der Autowerkstatt steigen, werden auch die entsprechenden Versicherungen teurer. Ähnliche Folgeeffekte gibt es im Gesundheitswesen und in der Pflege. Viele Dienstleistungspreise steigen auch deshalb, weil die Löhne zuvor angehoben worden waren, was wiederum eine Reaktion auf die hohe Inflation der Vergangenheit war.

Je nach Euroland gibt es dabei noch einmal Unterschiede. In Deutschland legte die Inflationsrate nach dem Harmonisierten Verbraucherpreis-Index (HVPI), der für Vergleiche mit anderen Ländern verwendet wird, sogar noch stärker zu als nach der nationalen Berechnungsweise des Verbraucherpreis-Index (VPI). Sie stieg demnach von 1,8 Prozent im September auf 2,4 Prozent im Oktober, also um ein Drittel.

In Frankreich stieg die Inflationsrate gleichfalls, blieb aber unterhalb von zwei Prozent. Sie legte von 1,4 Prozent im September auf 1,5 Prozent im Oktober zu. Die Dienstleistungsinflation in Frankreich lag bei 2,2 Prozent, also deutlich niedriger als in Deutschland.

Auch in Spanien legte die Inflationsrate wieder zu, und zwar von 1,7 Prozent im September auf 1,8 Prozent im Oktober. Das spanische Statistikamt INE führte die Entwicklung vor allem auf einen Anstieg der Kraftstoffpreise zurück; zudem hätten sich Strom und Gas verteuert.

Was heißt der Inflationsanstieg für die EZB?

Die Europäische Zentralbank (EZB) verfolgt im Moment die eingehenden Inflationsdaten genau und will im Dezember „datenabhängig“ über weitere Zinssenkungen entscheiden, wie EZB-Präsidentin Christine Lagarde angekündigt hat.

„Für die EZB ist die hartnäckige Inflation im Dienstleistungssektor, in dem Lohnkosten eine große Rolle spielen, ein Warnsignal“, meinte der Ökonom Holger Schmieding: „Sie sollte ihre Leitzinsen nicht übermäßig senken.“

Eine ganze Reihe von EZB-Ratsmitgliedern hat sich schon zu dieser Frage geäußert. Die Meinungen im EZB-Rat über die Dezember-Sitzung scheinen stärker auseinanderzugehen als bei den vorangegangenen Zinsentscheidungen.

Die Inflation sei inzwischen nicht mehr weit vom Zielwert entfernt, sagte Konstantin Veit vom Anleiheinvestor Pimco: „Daher ist es nachvollziehbar, dass es unter den Mitgliedern des EZB-Rats mehr Meinungsverschiedenheiten gibt als früher.“

EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel deutete am Mittwoch in einer Rede an, sie sehe noch keinen Sieg im Kampf gegen die Inflation und mahnte zu einem vorsichtigen Zinskurs. Eine schrittweise Herangehensweise sei mit Blick auf die weitere Lockerung der geldpolitischen Linie angemessen.

Zugleich wandte sie sich mit Blick auf den weiteren Zinspfad gegen Überlegungen, unter das neutrale Niveau zu gehen, womit die Geldpolitik die Konjunktur befeuern würde: „Das Risiko einer nennenswerten und dauerhaften Unterschreitung des Inflationsziels bleibt gering“, sagte Schnabel mit Blick auf die von der Zentralbank angepeilte Marke für die Teuerung im Euroraum von zwei Prozent. Es gebe keine Notwendigkeit, das neutrale Zinsniveau zu unterschreiten, das die Wirtschaft weder bremst noch anschiebt.

Das italienische EZB-Ratsmitglied Fabio Panetta hatte die Idee in den Raum gestellt, dass die Zinsen möglicherweise auf ein Niveau sinken müssten, das niedrig genug sei, um die Wirtschaft anzukurbeln.

Bundesbank-Präsident Joachim Nagel mahnte in Frankfurt zur Zurückhaltung: „Ich rate dazu, vorsichtig zu bleiben und nichts zu überstürzen.“

EZB-Präsidentin Lagarde sagte in einem Interview mit der Zeitung „Le Monde“: „Das Ziel ist in Sicht, aber ich werde Ihnen nicht sagen, dass die Inflation schon besiegt ist.“ Sie vertrat aber die Ansicht, dass die Inflation im Lauf des kommenden Jahres das angepeilte Ziel von zwei Prozent nachhaltig und dauerhaft erreichen werde, sofern es „keinen größeren Schock gibt“.

Die Erwartungen für die EZB-Dezembersitzung, die sich an den Finanzmärkten ablesen lassen, liegen zwischen einer Zinssenkung um 0,25 und 0,5 Prozentpunkte. Viele Ökonomen halten nun einen Schritt um 0,25 Prozentpunkte für wahrscheinlicher.