Deutschlands Bevölkerung doch dicker Teppich denn erdacht

In Deutschland leben rund 1,4 Millionen weniger Menschen als bislang angenommen. Zum Stichtag 15. Mai 2022 waren es 82,7 Millionen, teilte das Statistische Bundesamt am Dienstag als erstes Ergebnis der Volkszählung 2022 mit. Damit ist die Bevölkerung seit dem vorherigen Zensus im Jahr 2011 um rund 2,5 Millionen Einwohner gewachsen. Der Zuwachs sei nicht so groß gewesen wie bisher angenommen, erklärte Ruth Brand, die Präsidentin des Statistischen Bundesamts vor Journalisten.

Die geringere Bevölkerungszahl gründet überwiegend darin, dass weniger Ausländer gezählt wurden als bisher vermutet. Die Statistiker beziffern die Zahl der Ausländer zum Stichtag 15. Mai 2022 mit rund 10,9 Millionen. Das sind fast 1 Million weniger Menschen als zuvor angenommen wurde.

Über die Gründe für die in der Statistik überdurchschnittlich stark geschrumpfte Zahl an ausländischen Einwohnern wollten die Statistiker nicht spekulieren. Auch bei der Volkszählung 2011 war die Zahl der ausländischen Bevölkerung in Deutschland stärker geschrumpft als die Zahl der deutschen Bevölkerung. Damals lag das nach Erklärung von Thomas Gößl, des Präsidenten des Bayerischen Landesamtes für Statistik, vor allem daran, dass Ausländer in ihre Heimatländer zurückgekehrt seien und sich in Deutschland nicht abgemeldet hätten. Gößl ließ am Dienstag offen, ob das auch diesmal der Hauptgrund für den überdurchschnittlich großen statistischen Schwund der ausländischen Bevölkerung sei. Dazu bedürfe es weiterer Untersuchungen.

Erste Fluchtbewegung aus der Ukraine ist schon erfasst

Der Stichtag des Zensus 2022 war Mitte Mai, etwa drei Monate nach dem russischen Angriff auf die Ukraine. Zumindest die erste große Flüchtlingswelle von Ukrainern nach Deutschland wurde so schon erfasst. Brand betonte, dass der Zensus während der Corona-Krise und in einer Zeit großer Fluchtbewegungen stattgefunden habe. Die Ergebnisse sind nach dem Urteil der Statistik deshalb nicht falsch. Es sei aber umso wichtiger, sich klarzumachen, dass sich die Ergebnisse auf einen Stichtag beziehen.

Für das Jahresende 2023, also gut anderthalb Jahre nach dem Zensus-Stichtag, hatte die Statistik bislang eine Bevölkerungszahl von 84,7 Millionen Menschen geschätzt. Mit der Korrektur durch die neue Volkszählung dürfte der Bevölkerungsstand am Ende des vergangenen Jahres in etwa 83,3 Millionen Menschen betragen haben.

Der statistische Bevölkerungsschwund trifft die Bundesländer höchst unterschiedlich. Für Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin weisen die Statistiker zum Stichtag 15. Mai 2022 nun 3,5 Prozent weniger Einwohner aus als zuvor, während im Bundesdurchschnitt nur 1,6 Prozent fehlen. In Thüringen, Schleswig-Holstein, Sachsen und Nordrhein-Westfalen betrug das statistische Minus nur 1 Prozent oder weniger. Bremen und das Saarland haben nach der neuen Zählung nun 1,9 beziehungsweise 1,8 Prozent mehr Einwohner.

Auch Köln zählt zu den Millionenstädten

Fast 6000 der 10.786 Gemeinden in Deutschlands haben nach dem neuen Zensus mindestens 1 Prozent weniger Einwohner als bisher ausgewiesen. Für 29 Prozent der Gemeinden gab es kaum Unterschiede. Nach den Angaben bleiben Berlin, Hamburg, München und Köln die vier deutschen Städte mit mehr als 1 Millionen Einwohner. Für Köln ergab sich zum Stichtag 15. Mai 2022 in das ein Minus von 5,9 Prozetn, während Hamburg, Frankfurt und Berlin 3,5 Prozent Einwohner verloren. Die Stadt Bremen und Dortmund weisen mit 1,8 und 0,9 Prozent unter den großen deutschen Städten den größten Zuwachs auf.

Die Verschiebung der Bevölkerungszahlen hat im Prinzip Auswirkungen auf den Länderfinanzausgleich, in dem Steuereinnahmen auch nach der Bevölkerungsgröße zwischen Ländern und Kommunen umverteilt werden. Nach dem Zensus 2011 hatte das zu Aufregung und einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht geführt, das die Zensusdaten aber weitgehend bestätigte. Gößl, der Präsident des Bayerischen Statistikamts, wies am Dienstag darauf hin, dass sich nach einer Untersuchung des Ifo-Instituts nach dem Zensus 2011 nur kleine Änderungen in den Finanzausgleichszahlungen ergeben hätten. Die einzige Ausnahme sei Hamburg gewesen, erklärte Gößl. In der Volkszählung 2011 war die deutsche Bevölkerungszahl um 1,5 Millionen niedriger ermittelt worden als zuvor angenommen.

Die Volkszählung 2022 wurde mittels Datenregister durchgeführt und durch stichprobenhafte Befragungen ergänzt. Der Zensus gibt nach Einschätzung der Statistiker so eine präzisere statistische Datenbasis der Bevölkerung als die laufend erfolgenden Fortschreibungen durch die Meldeämter von Städten und Gemeinden. Denn wenn Bewohner einer Stadt wegziehen und sich nicht abmelden, können sie in der früheren Stadt als statistische Karteileiche weiterleben. Das ist einer der Gründe für die Unterschiede der Bevölkerungszahl zwischen dem Zensus und der Bevölkerungsfortschreibung. Die neuen Bevölkerungszahlen des Zensus werden in die allgemeine Statistik eingearbeitet und bieten so eine neue Basis auch für die Bevölkerungsfortschreibung in den Folgejahren.