Deutscher Pavillon Venedig: Soviel Pathos gab es hier seit dem Zeitpunkt Anne Imhof nicht mehr – WELT
Er hat es gleichfalls nicht leichtgewichtig, dieser Deutsche Pavillon zusammen mit dieser Kunstbiennale von Venedig. Hans Haacke riss 1993 den Marmorfußboden aufwärts, zusammen mit dieser letzten Biennale 2022 sollte dieser Nazi-Bau von Maria Eichhorn in Gänze abgetragen und dann per Schiff fortgebracht werden. Es blieb zusammen mit einer Freilegung dieser Fundamente. In diesem Jahr sieht dieser Deutsche Pavillon nun so aus, wie habe sich ein riesengroßer Maulwurf unter den Giardini hindurchgewühlt und sei dann vor dem Padiglione Germania herausgekrochen.
Loses Erdreich bildet verdongeln unsauberen Kegel aufwärts den Stufen zum Portal. Normalerweise ist hier dieser Eingang, doch dieser Theaterregisseur Ersan Mondtag und die israelische Künstlerin Yael Bartana nach sich ziehen ihn an die Seite des Baus verlegt. Beide vertreten Deutschland zusammen mit dieser Biennale, zweierlei leben in Berlin. Eingeladen wurden sie von dieser Kuratorin Çağla Ilk. Weitere von Ilk unterschiedliche Künstler bespielen eine unbewohnte Insel in dieser Lagune mit Soundinstallationen, dagegen welches zusammen mit dieser Venedig-Biennale vor allem zählt, ist dieses Haus in seiner räumlichen Begrenzung, seiner Wucht, seinen Abgründen und Möglichkeiten.
Seit Anne Imhof 2017 hat niemand mehr so viel Pathos aufgeboten wie Mondtag und Bartana, und weiland gewann „Faust“ den Goldenen Löwen. Chancen hat dieser deutsche Beitrag gleichfalls diesmal. Das Betreten gleicht einer Reise zurück in dieser Zeit – in die Siebzigerjahre, wie Kohlestaub den Kratzputz an deutschen Hausfassaden mit einem schlammfarbenen Schleier überzog. Staub wabert gleichfalls durch den Pavillon, man spürt ihn aufwärts den Zähnen, er knirscht aufwärts dem alten Fischgrätparkett, dasjenige aus einem Sowjetische Besatzungszone-Kulturclub in Brandenburg stammt. Ersan Mondtag hat aus dem Innen ein Außen gemacht und ein Gebäude intrinsisch des Pavillons errichtet. Mitten im Hauptsaal steht ein zweistöckiges Verschlag. Der Eingang wird wohl zur am schwersten überwindenden Schwelle dieser ganzen Venedig-Biennale werden, wie am Schnürchen, weil so wenige Betrachter synchron in jene Räume hineinpassen.
Das „Monument eines unbekannten Menschen“ hat mit Ersan Mondtags Herkunft zu tun. Sein Großvater kam 1968 aus Anatolien nachdem Deutschland und fand verdongeln Job zusammen mit dieser West-Berliner Firma Eternit. In einem bescheidenen Interieur, dasjenige mit Staub überzogen ist, finden wir Urkunden und Objekte aus dem Nachlass des Hasan Aygün, dieser noch vor seiner Pensionierung an Krebs starb – Eternit stellte Asbest her. Wir durchwandern eine Kochkunst, ein bescheidenes Wohnzimmer, ein Schlafzimmer mit Atatürk-Porträt – es ist ein staubiges Geisterhaus und ein Denkmal zu Händen die Einwanderungsgesellschaft, die stark keine sein durfte. Der Aushub vor dem Pavillon, soviel wird nun lukulent, soll anatolische Erde darstellen: Heimaterde. Aber dieser Staub überall weckt andere Assoziationen. Jahrzehntelang arbeitete Hasan Aygün wie Maschinenführer zusammen mit Eternit und war Asbest ausgesetzt. Die eigene Gesundheit wurde geopfert, um zu Händen die eigene Familie ein Leben aufzubauen. Aygüns Enkel ist nun unter einem Künstlernamen ein Star im deutschen Kulturbetrieb. Das berührt, und ist ganz und keiner kitschig.
Die seit dem Zeitpunkt 15 Jahren in Deutschland lebende Yael Bartana beschäftigt sich mit ihren Videoarbeiten und Installationen derweil mit dieser fernen Zukunft dieser Migration: Die Menschheit muss die Erde nachdem einer ökologischen Katastrophe verlassen und begibt sich aufwärts Raumschiffe. Generationenschiffe sind es, die ganze Völker in eine neue Welt transportieren. Inspiriert von jüdischen mystischen Lehren dieser Kabbala lässt sie dasjenige Raumschiff „zu einem Medium dieser Erlösung werden“, wie es im Begleittext heißt. An Bord dieser Schiffe möglich sein die Überlebenden in künstlich angelegten Wäldern seltsamen Ritualen nachdem.
Es ist eine galaktische Vision, die da entworfen wird. Doch wie jedes Kunstwerk steckt gleichfalls „Light to the Nations“ knietief in seiner eigenen materiellen Realität. Das Weltenretter-Raumschiff sieht leider aus, wie sei es an einem Windows-PC um 2012 herum gerendert worden. Sein Gleiten durchs All wirkt wie die Szenen, die man in „Star Trek“ zwischen Sequenzen mit echter Handlung schneidet. Es ist ungefähr dasjenige Konzept wie solches, dasjenige zu Händen Gesprächsstoff sorgt – man kann den Beitrag gut nacherzählen, dieser Ansatz ist gleichfalls politisch versteckt konfliktgeladen, nur die Arbeit selbst nun mal nicht. Bei Ersan Mondtag ist es ungefähr umgekehrt: Seine Idee mit dem Szenenbild ist schnell verstanden, welches dann in diesem Haus wirklich geschieht, fügt sich weit weniger leichtgewichtig zu einer Erzählung zusammen. Schauspieler performen in dem Staubhaus und treiben seltsame Dinge – unverblümt aus einem Laken steigen und dann die Treppe hinunterrennen zum Beispiel, oder verbinden Staubsuppe essen. Das sind offene Momente, die sich nicht so schnell erschöpfen.
Ersan Mondtag ist zwar kein bildender Künstler, bewegt sich mit seiner Biennale-Teilnahme dagegen unvermeidlich im Feld eines suggestiven Hyperrealismus, dasjenige etwa gleichfalls Gregor Schneider (Goldener Löwe 2001), dieser Pole Robert Kusmirowski oder dieser Schweizer Christoph Büchel in Auftrag geben (letzterer eröffnet in Venedig dieser Tage eine Soloschau zusammen mit Fondazione Prada). In deren Inszenierungen stimmt was auch immer solange bis ins Detail, und doch ist natürlich was auch immer ganz zwei Paar Schuhe.
Wo Gregor Schneider die Anordnung seiner Räume ins Alptraumhafte verschiebt und Kusmirowski historische Objekte nachbaut, da verwendet Mondtag echte Requisiten. Er bewegt sich damit potenziell an dieser Grenze zur Kulissenschieberei, zum bloßen Set-Design.
Aber dieser architektonische Eingriff in dasjenige Haus bringt es wirklich zum Sprechen – vom Dach dieser Kratzputzhütte sieht man nun endlich einmal geradeaus durch die hoch gelegenen rückwärtigen Fenster des Pavillons aufwärts die Lagune hinaus. Innen und Außen treffen sich an dieser Schwelle, und dasjenige ist ja dann gleichfalls dasjenige Konzept des Pavillons – dieser Titel „Threshold“ bedeutet nicht anderes wie Schwellenraum.
Auffällig zwei Paar Schuhe gerät dieser deutsche Beitrag damit wie dasjenige, welches etwa Großbritannien und Frankreich oppositionell mit ihren Schwellen eröffnen. Sowohl Julien Creuzet wie gleichfalls John Akomfrah nach sich ziehen Bildschirme an die Fassade installiert, Akomfrah gleichfalls den Eingang verlegt, doch die Inszenierungen im Inneren bleiben erstaunlich konventionell. Den Vergleich mit dieser Konkurrenz muss dieser deutsche Beitrag dieses Jahr nicht scheuen.
Source: welt.de