Deutscher Bundestag: Der neue Bundestag konstituiert sich
Am 30. Tag nach der Wahl tritt der neu gewählte Bundestag erstmals zusammen. Es ist der letztmögliche Termin für die Konstituierung des Parlaments in seiner neuen Zusammensetzung. Eine Regierung steht deswegen aber noch nicht. Dafür hat das Parlament nach der Sitzung aller Voraussicht nach ein neues Präsidium. Was sonst ansteht.
Warum findet die erste Sitzung jetzt statt?
Die erste Sitzung eines neu gewählten Bundestags nennt sich konstituierende Sitzung. Diese muss laut Artikel 39 des Grundgesetzes „spätestens am dreißigsten Tage nach der Wahl“ stattfinden. Der 25. März ist dieser 30. Tag nach der vorgezogenen Neuwahl am 23. Februar.
Der 21. Deutsche Bundestag hätte früher zusammentreten müssen, hätte es „ein Drittel der Mitglieder, der Bundespräsident oder der Bundeskanzler“ verlangt, heißt es im Grundgesetz weiter. Das ist jedoch trotz Drängens von AfD und BSW vor den Sondersitzungen des alten Bundestags am 13. und 18. März nicht passiert. Sie hatten zusammen nicht genug Stimmen.
Gibt sich der Bundestag wie geplant in der ersten Sitzung eine Geschäftsordnung und wählt seinen Präsidenten oder seine Präsidentin, dessen Stellvertreterinnen und Stellvertreter und die Schriftführerinnen und Schriftführer, ist er nach Artikel 40 des Grundgesetzes konstituiert und damit handlungsfähig.
Was steht auf der Tagesordnung?
Die Tagesordnung für die erste Sitzung ist bereits veröffentlicht, sie folgt dem vorgeschriebenen Muster. Sie soll am Dienstag um 11 Uhr im Plenarsaal des Reichstagsgebäudes in Berlin beginnen und um 15.45 Uhr zu Ende sein. Was steht an?
Die Rede des Alterspräsidenten: Der Alterspräsident wird die Sitzung eröffnen. Im neuen Bundestag kommt diese Rolle dem Linkenpolitiker Gregor Gysi zu, denn er ist der dienstälteste Abgeordnete. Das bedeutet: Er hat von allen Abgeordneten die meiste Zeit als Mitglied des Bundestags verbracht. Gysi ist seit dem 3. Oktober 1990 mit Unterbrechungen Teil des Bundestags. Er war Teil der Volkskammer der DDR und später Wirtschaftssenator in Berlin. Der älteste Abgeordnete ist mit 84 Jahren der AfD-Abgeordnete Alexander Gauland, er ist allerdings noch nicht so lange Teil des Parlaments.
Die Geschäftsordnung: In seiner ersten Sitzung muss der Bundestag gleich mehrere Geschäftsordnungen beschließen, nach denen der Bundestag dann organisiert ist. Es geht aber auch darum, wie die Zusammenarbeit mit dem Bundesrat und dem gemeinsamen Vermittlungsausschuss funktionieren soll. Die Geschäftsordnung wird danach in seiner aktuellen Form veröffentlicht.
Die Wahl und Amtsübernahme der Präsidentin/des Präsidenten: Auch die Wahl der Präsidentin oder des Präsidenten ist wichtig für das organisatorische Funktionieren des Bundestags. Für die Wahl werden alle Abgeordneten namentlich aufgerufen und so auch die Beschlussfähigkeit des Bundestags festgestellt. Diese ist gegeben, wenn mehr als die Hälfte seiner Mitglieder im Plenum
anwesend ist. Bekommt eine Kandidatin oder ein Kandidat die absolute Mehrheit, ist sie oder er gewählt. Danach übernimmt die neue Präsidentin oder der neue Präsident sein Amt und damit auch die Sitzungsleitung. Später ist auch eine Ansprache geplant.
Die Wahl der Stellvertreterinnen und Stellvertreter: Nachdem die Zahl der Stellvertreterinnen und Stellvertreter festgelegt ist, werden auch diese gewählt. In der Regel bekommt jede Bundestagsfraktion einen Stellvertreter oder eine Stellvertreterin. Danach ist das Präsidium vollständig.
Die Nationalhymne: Am Ende ertönen die Klänge der Nationalhymne, bei der die Abgeordneten mitsingen (können).
Wer wird voraussichtlich Teil des Präsidiums?
Der Gepflogenheit nach stellt die stärkste Fraktion den Vorsitz des Bundestags, sie hat in jedem Fall das Vorschlagsrecht. Das ist aktuell die Unionsfraktion. Diese hat bereits auf Vorschlag des vermutlich nächsten Bundeskanzlers und CDU-Chefs Friedrich Merz einstimmig Julia Klöckner nominiert. Sie ist Bundesschatzmeisterin der CDU, war Spitzenkandidatin der CDU in
Rheinland-Pfalz, Landwirtschaftsministerin und zuletzt wirtschaftspolitische Sprecherin der Unionsfraktion.
Über Bewerbungen aus den anderen Fraktionen für Stellvertreterposten ist zum Teil schon etwas bekannt: Bei den Grünen gibt es bisher drei Bewerberinnen und Bewerber, nämlich die amtierende Kulturstaatsministerin Claudia Roth,
die bisherige
Amtsinhaberin Katrin Göring-Eckardt und den früheren Parteichef Omid
Nouripour. Die Linke nominierte den ehemaligen Thüringer Ministerpräsidenten Bodo Ramelow. Aus der SPD ist noch nichts bekannt.
Die AfD wird im neuen Bundestag die zweitstärkste Fraktion sein. Bei der Wahl der Stellvertreter ist sie in den vergangenen Jahren leer ausgegangen, und das dürfte auch diesmal so sein. Bei der Wahl der Stellvertreter ist eine Mehrheit der Stimmen des Bundestags notwendig. Da alle im Parlament verbliebenen Parteien zumindest verbal die Brandmauer zur AfD bekräftigt haben, scheint deshalb auch diesmal die Ablehnung der AfD-Kandidaten wahrscheinlich.
Wie lange darf Gysi sprechen?
Theoretisch darf der Alterspräsident bei der Sitzungseröffnung so lange sprechen, wie er möchte. In der Tagesordnung sind zwar 45 Minuten eingeplant. Es ist aber das einzige Mal, dass Abgeordnete keine Redezeitbegrenzung haben. Gregor Gysi kündigte bereits auf X an: „Das erste, einzige und letzte Mal muss ich nicht auf meine Redezeit im Bundestag achten.“
Gysi ist bekannt dafür, dass er gerne lange spricht. Und doch schrieb er weiter: „Ich verspreche, es nicht zu übertreiben. Aber es gibt schon einige Gedanken, die ich den neuen und wiedergewählten Abgeordneten mit auf den Weg geben möchte.“
Wer regiert dann eigentlich?
Sobald der 21. Deutsche Bundestag zusammenkommt, endet die Amtszeit der alten Bundesregierung. „Das Amt des Bundeskanzlers (…) endigt in jedem Falle mit dem Zusammentritt eines neuen Bundestages“, heißt es in Artikel 69 des Grundgesetzes. Bundeskanzler Olaf Scholz und seine rot-grüne Minderheitsregierung sind dann also theoretisch nicht mehr im Amt, die Koalitionsverhandlungen für die neue Regierung sind aber auch noch nicht abgeschlossen.
Damit Deutschland also eine Regierung hat, gibt es die Möglichkeit, eine geschäftsführende Bundesregierung einzusetzen. Hier fällt die Wahl dann logischerweise auf die bisher amtierende Bundesregierung. „Auf Ersuchen des Bundespräsidenten ist der Bundeskanzler, auf Ersuchen
des Bundeskanzlers oder des Bundespräsidenten ein Bundesminister
verpflichtet, die Geschäfte bis zur Ernennung seines Nachfolgers
weiterzuführen“, heißt es in Artikel 69. Eine geschäftsführende Regierung hat theoretisch noch alle Befugnisse, wird in der Regel aber keine großen Entscheidungen mehr treffen.
Der Gewohnheit nach bittet der Bundespräsident den Kanzler und dieser wiederum seine Ministerinnen und Minister noch vor der konstituierenden Sitzung, ihr Amt noch geschäftsführend zu Ende zu führen. Das dürfte auch diesmal der Fall sein, da CDU/CSU und SPD noch verhandeln.
Und welche Veränderungen gibt es im Plenarsaal?
Vor der ersten Sitzung des neuen Bundestags musste der Plenarsaal umgebaut werden – und das in ungewöhnlich kurzer Zeit. Die letzte Sitzung des alten Bundestags fand nämlich durch die beiden Sondersitzungen Mitte März ungewöhnlich spät statt. Deswegen seien Nachtschichten und Wochenendarbeit nicht ausgeschlossen gewesen, heißt es beim Bundestag.
Umgestuhlt werden musste wegen der neuen Zusammensetzung des Parlaments: Statt 733 hat das neue Parlament nur noch 630 Abgeordnete, mehr als 100 Stühle mussten also entfernt werden. Zudem haben sich die Fraktionszusammensetzungen geändert. Weil diese in der Bestuhlung widergespiegelt wird, musste gerückt werden. Damit zusammenhängend mussten auch Mikrofone und andere technische Einrichtungen verrückt werden. Die überflüssig gewordenen Stühle kommen übrigens einfach ins Lager – falls sie noch einmal gebraucht werden. Das Modell der blauen Bürostühle wird nämlich nach Angaben des Bundestags schon 25 Jahre genutzt – und soll noch etwas bleiben.
Absegnen musste den Plan für die neue Anordnung der sogenannte Vorältestenrat, bestehend aus der bisherigen Bundestagspräsidentin sowie Vertreterinnen und Vertretern der neu gebildeten Fraktionen. Danach konnten am 18. März nach der Sondersitzung die Arbeiten beginnen.