Deutsche Universitäten: Die brüchige Logik dieser Anti‑Israel‑Proteste

Die Hoffnung, mit der Waffenruhe im Nahen Osten würden sich die antiisraelischen und oft antisemitischen Proteste an deutschen Hochschulen beruhigen, währte nur kurz. Allein in dieser Woche kam es zu mehreren Vorfällen. Eine Veranstaltung mit einer Überlebenden des Nova-Festivals, die am Dienstag an der Freien Universität Berlin hatte stattfinden sollen, war aus Sicherheitsgründen verlegt worden.

Schon am Montag hatte das Studentenparlament der Humboldt-Universität einen Beschluss aufgehoben, der die Zusammenarbeit mit der zuvor als antisemitisch eingestuften Israel-Boykottbewegung BDS verbietet. BDS, zur Erinnerung, ist organisatorisch mit der Hamas verbunden, deren satzungsgemäßes Ziel die Tötung von Juden ist, was die linke Studentengruppe, die den neuen Beschluss initiierte, wohl als Aufschrei der Unterdrückten interpretiert.

Besetzte Räume an der TU Berlin

Dazu passend forderte am Donnerstag eine Gruppe, die sich „Decolonize Charité“ nennt, das Universitätsklinikum Charité zum Boykott israelischer Universitäten auf, die gegen Völkerrecht verstießen. Als Maßstab legte das Kollektiv, das in klassischer Täter-Opfer-Umkehr den Gaza-Krieg mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine gleichsetzt, die Richtlinien des BDS-Ablegers PACBI an.

Nun kann die Leitung der von propalästinensischen Aktivisten mehrfach heimgesuchten Universität (zerlegter Hörsaal, verwüstetes Institut) nicht das Studentenparlament abschaffen und ein neues wählen; sie will aber prüfen, ob sie den Studentenvertretern Räume und Mittel sperrt. Es gibt auch an dieser Universität noch Professoren, die mit Nachdruck die Meinung vertreten: Antisemitismus – nicht bei uns! Nur mal kurz zwischendurch, kleine Ruhestörungen sozusagen, die man aber zu beheben auf dem besten Weg sei.

An der Technischen Universität Berlin, deren Präsidentin sich beharrlich weigerte, nach Likes auf antisemitische Tweets zurückzutreten, hat am Montag erstmals eine Gruppe jüdischer Studenten auf friedlichem Weg Räume besetzt, um auf antisemitische Strö­mungen innerhalb des Asta aufmerk­sam zu machen und einen neuen Antisemitismusbeauftragten zu fordern.

Ein Berliner Lokalphänomen?

Die Ernennung von Uffa Jensen vom hauseigenen Zentrum für Antisemitismusforschung war schon vom Zentralrat der Juden scharf kritisiert worden, weil Jensen sich nach wie vor weigert, neben dem rechten und, was er auch nicht so gerne tut: dem linken, auch den Antisemitismus unter Muslimen zu untersuchen, in dem viele Juden nachweislich die größte Bedrohung sehen.

Bleibt das beliebte Argument, akademischer Antisemitismus sei ein Berliner Lokalphänomen. Zu strafbaren Handlungen propalästinensischer Aktivisten kam es kürzlich jedoch auch an der TU München. Die oft vorgetragene Behauptung, propalästinensische Kritik, die auf großen Protestzügen von Zehntausenden artikuliert wird, werde in Deutschland aus Gründen einer falsch verstandenen Staatsräson mit polizeistaatlichen Methoden niedergehalten, wirkt vor diesem Hintergrund kurios.

Die Universitäten haben die Wahl, sich in Sicherheits­zonen mit hoher Polizeipräsenz umzuwandeln oder der schleichenden Vertreibung von Juden zuzusehen.

Source: faz.net