Deutsch-Ukrainisches Wirtschaftsforum: „Die Ukraine ist dasjenige Land dieser Möglichkeiten“

Es war ein leidenschaftlicher Appell, den Alexander Tebbe an die Zuhörer im Saal richtete: „Wir haben keine Zeit zu warten. Der Zug fährt bereits!“ Der junge Mann im blau-gelben Ukraine-Sweatshirt will die deutsche Wirtschaft animieren, sich zu beeilen, um in der Ukraine zu investieren. Er macht es mit seiner Crowdfunding-Initiative vor. Er unterstützt in den Kommunen den Wiederaufbau in der Ukraine.

Auf seiner Reise vor einigen Tagen in die Ukraine hätten ihm alle Türen offen gestanden, auch Vitali Klitschko, der Bürgermeister von Kiew, hätte ihn empfangen. „Die Ukraine ist das Land der Möglichkeiten“, sagte der Jungunternehmer auf dem Deutsch-Ukrainischen Wirtschaftsforum in Berlin und erntete großen Applaus. Das von der Deutsch-Ukrainischen Industrie- und Handelskammer organisierte Treffen fand zum achten Mal statt und bringt Entscheider aus den Bereichen Politik und Wirtschaft aus beiden Ländern zusammen.

Deutsche Rüstungsindustrie kann Schlüsselrolle spielen

Dass das Forum mit den politischen Verhandlungen zwischen den Staatsoberhäuptern Europas und der Ukraine über einen Friedensplan für das osteuropäische Land zusammenfällt, war ein Zufall. Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) betonte, wie wichtig gerade jetzt auch die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Deutschland und der Ukraine sei. „Die Ukraine braucht robuste Sicherheitsgarantien, was im eigenen Interesse Europas ist.“ Da könne die deutsche Rüstungsindustrie mithelfen. „Wir brauchen eine echte europäische Weltraumarchitektur und ein Drohnenprogramm.“

Die Ukraine habe in den vergangenen Kriegsjahren große Innovationskraft bewiesen und habe neue Technologien entwickelt. Das Skalieren könnte von deutschen Unternehmen übernommen werden. Um die deutsche Wirtschaft zu animieren, kündigte Reiche ein neues Finanzierungsinstrument an: „Ukraine connect“ hat ein Startkapital von 45 Millionen Euro und richtet sich an den Privatsektor. Über die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG), eine KfW-Tochtergesellschaft, können Firmen, die in der Ukraine investieren wollen, eine Finanzierung abrufen, um ihre Risiken abzufedern.

Reiche betonte, dass es weitere Hilfen für Unternehmen gebe, wie den Fonds für die ukrainische Energieinfrastruktur, für den ihr Haus kürzlich zusätzlich 100 Millionen Euro zur Verfügung gestellt hat. Zuvor waren schon 60 Millionen Euro angekündigt worden. Viele Unternehmen hätten ihre Hilfe zugesagt.

Chancen im Energiesektor der Ukraine

Über das neue Finanzierungsinstrument und die Kooperationen mit deutschen Unternehmen zeigte sich Reiches ukrainischer Amtskollege Oleksii Sobolev in Berlin sehr „stolz“. Er erklärte, vor allem die ukrainische Rüstungsindustrie brauche weitere Hilfe. Der Nutzen sei dabei nicht nur im militärischen, sondern vielfach auch im zivilen Bereich zu sehen. Seine Regierung setze alles daran, schnell Reformen zu verwirklichen, um die Geschäftstätigkeit deutscher Unternehmen zu fördern. Auch im Energiesektor sehe er große Chancen für den deutschen Privatsektor, erklärte Sobolev: „Bei uns geht es sehr schnell, Energieprojekte ins Leben zu rufen. Das Prozedere dauert nur Monate und nicht Jahre.“

Helena Melnikov, Hauptgeschäftsführerin der Deutschen Industrie- und Handelskammer, lobte die Widerstandsfähigkeit der ukrainischen Wirtschaft und ergänzte: „Trotz knapp vier Jahren Krieg, Stromausfällen und Zerstörung hat kein einziges deutsches Unternehmen die Ukraine verlassen.“ Es sei viel erreicht worden an Kooperationen, viele Gemeinschaftsunternehmen seien bei Drohnentechnik und Luftverteidigung entstanden.

Dies gelte es zu fördern und weiteres Vertrauen in die Ukraine aufzubauen, meinte auch Christian Bruch, Chef des Business Advisory Council (BAC) und Vorstandsvorsitzender von Siemens Energy: Sein Gremium habe zentrale Hindernisse für Investitionen erforscht. Es fehle an praxisorientierter Arbeit und an Fachkräften in der Ukraine, und natürlich bleibe die Sicherheit eine Herausforderung. Das BAC habe viele praktische Tipps erarbeitet, die Unsicherheiten nehmen sollen.

Bruch wandte sich an die Bundesregierung: „Nehmen Sie immer eine Wirtschaftsdelegation aus Deutschland in die Ukraine mit.“ Die Wirtschaft steht hinter der Ukraine, auch wenn es noch viel Investitionsmöglichkeiten gebe, verzeichne er ein neues Rekordhoch der Aktivität. Viel zu tun gibt es auch im Wohnungsbereich. 30 Prozent der Häuser in der Ukraine sind vollständig oder teilweise zerstört. Dafür braucht es noch viele weitere und größere Initiativen als die von Alexander Tebbe.