Der Staat darf Bürger nicht vom selbst gewählten Tod abhalten

Der 23-jährige Noah B., ein ehemaliger deutscher Basketballspieler, hat sich im vergangenen Jahr mithilfe von assistiertem Suizid das Leben genommen. Der junge Mann war auf dem Rückweg von einer Party von einem Zug erfasst worden und seitdem vom Hals abwärts komplett gelähmt. Drei Jahre nach dem Unfall entschied er, dass sein Leben für ihn nicht mehr lebenswert sei. Von einem Sterbehilfeverein erhielt er ein tödliches Mittel.

Immer mehr Menschen in Deutschland nehmen Sterbehilfe in Anspruch. Hintergrund ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von vor drei Jahren: Damals wurde das Verbot geschäftsmäßiger, also auf Wiederholung ausgelegter Sterbehilfe, gekippt. Aktuell debattiert der Bundestag eine Neuregulierung.

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Im Zentrum steht dabei die Frage, unter welchen Voraussetzungen sich Patienten wie Noah B. das Leben nehmen dürfen. Die bisher größte fraktionsübergreifende Gruppe von Abgeordneten will die Beihilfe zum assistierten Suizid im Strafgesetzbuch regeln und bis auf Ausnahmen grundsätzlich strafbar machen. Diese restriktive Regelung würde Suizidhilfe in erster Linie verhindern, statt ein angemessenes Schutzkonzept zu gewährleisten.

Ebenfalls problematisch ist der liberalste Entwurf, der zunächst ein Beratungsgespräch in einer speziellen Einrichtung vorsieht. Bereits zehn Tage später kann der Arzt ein entsprechendes Medikament verschreiben. Diese sehr kurze Frist birgt das Risiko, dass Menschen in einer akuten Trauerphase sterben wollen, etwa nach dem Tod einer nahestehenden Person. Solche Fälle müssen dringend verhindert werden.

Unterschied zwischen Gesunden und Schwerkranken sinnvoll

Die beste Lösung wäre es, bei einer Neuregulierung grundsätzlich zwischen gesunden und schwer kranken Personen zu unterscheiden. Diesen Weg geht der dritte Entwurf einer Abgeordneten-Gruppe um Renate Künast (Grüne). Vorgesehen ist, dass schwer kranke Patienten mit ihrem Arzt ein Aufklärungsgespräch führen müssen und der Arzt dann bestätigt, dass es sich um einen dauerhaften Sterbewunsch handelt. Nach zwei Wochen muss ein zweiter Arzt diesen Eindruck teilen.

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Bei gesunden Menschen hingegen sind die Hürden höher: Sterbewillige müssen sich von einer Beratungsstelle zweimal im Abstand von mindestens zwei Monaten beraten lassen. Auf diese Weise könnten Freiheit und Schutz ins Gleichgewicht gebracht werden.

Ex-Basketballspieler Noah B. versuchte vor seinem Suizid zunächst, sich an sein regungsloses Leben im Rollstuhl zu gewöhnen. Er engagierte eine Assistentin, fing an zu studieren, verbrachte viel Zeit mit Freunden und Familie.

Doch es reichte nicht. In einer ZDF-Dokumentation, die über ihn gedreht wurde, fiel ein bemerkenswerter Satz. Die Aussicht auf den Tod, sagte er, sei die beste Entscheidung seines Lebens gewesen. Es obliegt nicht dem Staat, ihn von dieser abzuhalten.

Haben Sie suizidale Gedanken, oder haben Sie diese bei einem Angehörigen/Bekannten festgestellt? Hilfe bietet die Telefonseelsorge: Anonyme Beratung erhält man rund um die Uhr unter den kostenlosen Nummern 0800 / 111 0 111 und 0800 / 111 0 222. Auch eine Beratung über das Internet ist möglich unter http://www.telefonseelsorge.de. Eine Liste mit bundesweiten Hilfsstellen findet sich auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention: https://www.suizidprophylaxe.de/hilfsangebote/adressen/.

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Source: welt.de