Der große Murks beim Deutschlandticket
Als das Deutschlandticket eingeführt wurde, kostete es nur neun Euro. Leider hat es die Erwartungen nicht erfüllt. Von Januar an soll es 63 Euro kosten. Aber das ist nicht das Ärgerlichste an der Geschichte.
Das Deutschlandticket wird wieder teurer. Einst fing es an mit dem Lockangebot von neun Euro, das zum Run auf die völlig überforderten Regionalbahnen führte, dann wurden es 49, dann 58. Nun haben die Verkehrsminister der Länder angekündigt, den Preis nächstes Jahr auf 63 Euro zu erhöhen. Für 2027 wird ein Index erarbeitet, der anhand von Faktoren wie Lohn- und Energiekosten den Ticketpreis transparent machen soll. Die „politische Preisfindung“, so Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU), habe dann ein Ende.
Gut so. Politische Preise sind fast immer falsch – es gibt nur wenige Ausnahmen von der Regel. Subventionen verzerren die Wahrnehmung der wirklichen Kosten. So bezuschussen Bund und Länder die kommunalen und regionalen Verkehrsunternehmen und -verbünde, die das Deutschlandticket anbieten müssen, mit 1,5 Milliarden Euro pro Jahr. Trotzdem droht nächstes Jahr eine Finanzierungslücke von 800 Millionen Euro, es wäre also eine Steigerung der Zuschüsse um 50 Prozent nötig, um den Preis zu halten. Die Bürger zahlen so oder so, ob direkt fürs Ticket oder indirekt durch Steuern.
Zwar hat Ricarda Lang, ehemalige Co-Vorsitzende der Grünen, Recht mit ihrer Feststellung: „Je teurer das Deutschlandticket wird, desto mehr kaufen es sich vor allem Menschen mit gutem Einkommen.“ Man subventioniere diejenigen, die es nicht unbedingt bräuchten, „und die, die es brauchen, gehen leer aus. Also das Gegenteil von dem, was notwendig wäre“.
Aber wenn das Ticket künstlich billig gehalten wird, kaufen es trotzdem die Besserverdienenden – und die haben einen noch größeren relativen Gewinn davon. Das ist mit allen solchen politischen Geschenken so, etwa wenn Schulbücher oder Laptops umsonst verteilt werden. Aus Steuergeldern werden jene beschenkt, die Geschenke nicht nötig haben.
Das sind allerdings auch Menschen, die hohe Einkommensteuern zahlen. Sie bekommen über den „politischen Preis“ wenigstens etwas davon zurück. Sinnvoller wäre es aber, für alle Waren und Dienstleistungen einen angemessenen Preis zu verlangen, und jenen finanziell unter die Arme zu greifen, denen er nicht zuzumuten ist. So könnte man Sozialhilfeempfängern einen Zuschuss zum Kauf des Deutschlandtickets zahlen.
Lehrreicher Einstieg in den „Herbst der Reformen“
Gegenwärtig ist es aber so, dass viele kommunale Unternehmen und Verbünde in ihrem Tarifbereich günstige Tickets für Sozialhilfebezieher anbieten, wodurch das Deutschlandticket als Luxus erscheint. Der Berliner Verkehrsverbund etwa bietet für Sozialhilfeempfänger eine Monatskarte für 19 Euro an. Wer wird da 49, 58, 63 oder mehr Euro für das abstrakte Vergnügen bezahlen, bei Gelegenheit in Stuttgart oder München umsonst Tram zu fahren?
Wenn aber ab 2027 das Deutschlandticket nicht mehr politisch bepreist wird, so hat es eines seiner Ziele verfehlt, nämlich den öffentlichen Nahverkehr deutschlandweit billiger und dadurch attraktiver zu machen.
Ein zweites Ziel wurde ebenfalls verfehlt, nämlich die Preisstruktur im öffentlichen Nahverkehr durchsichtiger zu machen. Die Verkehrsminister haben darüber hinaus die schwarz-rote Bundesregierung der Täuschung überführt, die im Koalitionsvertrag versprochen hatte, den Preis des Deutschlandtickets nicht zu erhöhen, aber auch die Subventionen nicht erhöhen wollte. Ein lehrreicher Einstieg in den vom Bundeskanzler angekündigten „Herbst der Reformen“.
Source: welt.de