Den „Wirtschaftsweisen“ fehlt die Linie

Der Befund des Sachverständigenrats, dass die Exportnation Deutschland nicht mehr wie früher vom robusten weltwirtschaftlichen Wachstum profitiere, ist nicht neu. Fast täglich belegen Schlagzeilen über Stellenabbau in der Industrie, dass es im Export nicht mehr rundläuft. Das ist einer der wichtigsten Gründe dafür, dass die deutsche Wirtschaft stagniert, während der Rest der Welt wächst.

Deutsche Industrie verliert an Wettbewerbsfähigkeit

Neu an der Analyse der Ökonomen ist die Nüchternheit, mit der sie den Finger auf heimische Fehlentwicklungen legen: kein Gezeter über chinesische Exportsubventionen, keine Aufregung über Handelskriege. Vielmehr eine nüchterne Analyse, dass die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Industrie gesunken sei wegen großer Kostensteigerungen und der schwachen Produktivitätsentwicklung. Kosten, das hebt der Rat hervor, sind dabei nicht nur Energiekosten, sondern mehr noch die steigenden Kosten des Faktors Arbeit.

Was daraus für die Wirtschaftspolitik oder für die Lohnrunden folgt, bleibt im Gutachten indes nebulös. Früher übliche Hinweise auf die Vorteile einer produktivitätsorientierten Lohnpolitik finden sich nicht mehr.

Für wichtiger hält die Mehrheit der Ratsmitglieder das Nachdenken darüber, wie der Staat dazu gebracht werden kann, zielgerichteter in die Verkehrsinfrastruktur, in Verteidigung und Bildung zu investieren. Die Spezialanalyse gipfelt in der Idee, für die Infrastruktur einen eigenen Finanztopf aufzumachen und für Verteidigung und Bildung gesetzliche Mindestausgabenquoten festzulegen.

Das ist eine zu simple Analyse des drängenden Problems, dass die Politik sich nicht nur im Sozialen übernommen hat und finanziell an Grenzen stößt, weil hohe Steuern und Sozialabgaben den Exportstandort schwächen. Als Minderheit erörtert die Ökonomin Veronika Grimm, dass der Staat sich besser aus den Wirtschaftsbereichen zurückzöge, die nicht zu den originären Staatsaufgaben gehören. Das schüfe Spielraum im Haushalt für wirklich wichtige Investitionen und Spielräume für Wachstum. Es wäre ein gutes Thema für alle fünf „Wirtschaftsweisen“ gewesen. Doch Ordnungspolitik ist nicht mehr gerne gesehen im Rat.